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Reise nach Alanya, 8.-22.5.98

Warum fährt man an die Türkische Riviera? Ganz einfach: weil man noch nicht da war. Natürlich gibt es auch Leute, die deswegen hinfahren, weil sie schon mal da waren. Aber zu denen gehören wir (noch) nicht. Besonders schmackhaft wird einem dieses Reiseziel durch die Bücher von Yasar Kemal gemacht, der im vergangenen Jahr zur Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekam. Ich habe inzwischen drei seiner Bücher gelesen: die Trilogie von Memed dem Falken. Dieser Memed wird durch Unterdrückung von Großgrundbesitzern in der Cukorova-Ebene in der Gegend von Adana zum Räuber und Rächer, der sich in den Bergen des Taurusgebirges verborgen halten muß und zum Volkshelden wird. Ganz besonders schön sind in diesen Büchern die Schilderungen von Landschaft, Wetter, Wind und Licht, von Pflanzen, Blumen und Tieren des Taurus und der vorgelagerten Cukorova Ebene.

Die von Kemal beschriebenen Landschaften sind allerdings nicht Touristengebiet und liegen ca 500 km östlich der türkischen Riviera, die sich zwischen Antalya und Alanya erstreckt. Das Taurusgebirge ist aber gleich dahinter. Nach Studium des einschlägigen Prospektmaterials finden wir uns pünktlich im Januar im Reisebüro Karstadt ein, wo uns die nette Dame alsbald ein Hotel in Alanya vermittelt sowie Flug und Termin reserviert. Die endgültigen Unterlagen der Reise erhalten wir nach Ableistung aller Zahlungen dann erst ein paar Tage vor dem Abflug. Wir haben - so bilden wir uns ein - das Hotel Alaaddin in Alanya gebucht, direkt am Strand, mit 40 Zimmern nicht so ein Riesenkasten. Nun sind wir ganz erstaunt, daß in den Unterlagen das Hotel Sunny Hill für unsere Reise vermerkt ist. Und im Neckermann-Katalog ist das Hotel Sunny Hill gar nicht zu finden. Also noch einmal ab ins Reisebüro, wo man erst nach einigem Suchen das Hotel in einem Katalog von Öger Tours findet. Da steht etwas von Hanglage, 300 m zum Hafen usw. Allmählich dämmert es uns, daß die Dame bei der Anmeldung uns da so was wie ein Sparangebot unterbreitet hat, dem wir freudig zugestimmt haben. Das haben wir wohl ganz verdrängt. Hoffentlich wird das nicht schlimmer mit der Vergeßlichkeit.

Aber den Reisetermin verschlafen wir nicht, obwohl es mitten in der Nacht los geht. Wir haben uns ein Taxi zum Flughafen spendiert, um das ganze Theater mit dem Autofahren zu umgehen. Die einzige Schwierigkeit besteht dann auch nur darin, die Tasche mit meinem Klappfahrrad in den Kofferraum des Mercedes zu stopfen. Bei unserem Passat macht das nämlich keine Schwierigkeiten. Das Fahrrad nehme ich mit, weil ich hoffe, ein wenig im Taurusgebirge herum fahren zu können, Bergdörfer und so. Leider kostet der Transport 50.- DM Frachtgebühr. Aber das Fahrrad ist so gut verpackt, daß keiner merkt, was in der Tasche eigentlich drin ist, auch wenn sie etwas unförmig ist.

Da wir mittlerweile unsere fünfte Flugreise unternehmen, absolvieren wir die Formalitäten des Eincheckens ganz ohne weitere Aufregungen. Die Zeit bis zum Abflug vergeht auch im Nu, schon bald verspüren wir im Flieger (Aero Lloyd) beim Abheben und Steigflug den beginnenden Urlaub ganz körperlich im Druck auf Rücken, Gesäß und auf die Ohren. Wir wissen noch nicht, daß unsere Ohren dieses Mal eine ganz besondere Rolle spielen werden.

In der Reihe vor uns sitzt eine etwas seltsame Dame, die bekommt jedes Wort unserer Unterhaltung mit, dreht sich auch des öfteren um, um unsere Worte zu kommentieren. So sind wir uns einig, gerade das Steinhuder Meer mit der Festungsinsel Wilhelmstein zu überfliegen. Über den Wolken sei sie bei einer Reise nach Südfrankreich auch schon mal geflogen. Weiterhin läßt sich noch Deister und Süntel erkennen, da ich einen Fensterplatz ergattert habe. Heidi guckt ja nicht so gern nach unten. Später dann kann man nicht mehr erkennen, wo man sich befindet, leider gibt es keine Streckeninformation per Bildschirm, wie man sie von anderen Flügen her kennt.

Nach Einnahme des Bordfrühstücks befinden wir uns dann irgendwann über dem Schwarzen Meer, da gibt es die Donaumündung, wenig später eine riesige Stadt, das ist Istanbul. Wir überqueren nun die Türkei, braun und karg wirkt die Landschaft. Leider trübt es sich mehr und mehr ein, die Dame vor uns klagt über den zunehmenden Nebel - wie sie findet -, aber vielleicht liegt das auch an dem Genuß etlicher Biere unterwegs. Wir überfliegen schließlich ein weites und grünes Tal mit schon abnehmender Flughöhe und landen nach 3 1/2 Stunden Flug wohlbehalten in Antalya. Wir haben auch nicht vergessen, die Uhr eine Stunde vor zu stellen. So ist es mittlerweile knapp 11 Uhr.

Eine weitere Stunde vergeht mit der Paßkontrolle, die sehr schleppend abgewickelt wird. Eingekeilt in einer Menschentraube bewegt man sich so langsam auf die kleinen Glaskabinen zu, wo ein Angestellter jeden Namen in einen Computer eingibt. Wenn man nicht einer terroristischen Vereinigung angehört und auch sonstwie keinen Dreck am Stecken hat, bekommt man einen Stempel in den Reisepaß und darf sich danach als freier Mensch fühlen. Als solcher begibt man sich zur Gepäckausgabe, wo die Koffer auf dem Transportband wohl schon ziemlich schwindelig geworden sind. Einen ähnlich schwindeligen Eindruck macht unsere Nebelfrau, die etwas Schwierigkeiten mit der Orientierung hat.

Bleibt zur Ehre des Flughafens in Antalya noch zu bemerken, daß das Gebäude nagelneu ist, sehr sauber, alle Beschriftung in tadellosem Deutsch, Englisch und sonderbarerweise Russisch - ob tadellos können wir natürlich bei letzterem nicht beurteilen. Unser Gepäck haben wir endlich ohne Verluste geborgen und schleifen es vor das Empfangsgebäude. Dort gibt es Gepäckwagen, die man mit zwei deutschen Markstücken von einem Stand abkoppeln kann. Was die Ankömmlinge anderer Nationen in diesem Fall machen sollen, ist diesmal nicht unser Problem. Aber wenn der Euro kommt, dann ist dieses Problem auch gelöst und wir werden endlich verstehen, wozu dieser Euro eigentlich notwendig ist.

Das weitere geht wie immer: Angestellte der Firma Neckermann verweisen den ratlosen Gast zum zuständigen Transferbus, dort wird das Gepäck verstaut und auf die säumigen Gäste gewartet, das kann eine weitere Stunde in Anspruch nehmen. In dieser Zeit sollte man darauf vorbereitet sein, die Kleidung so zu korrigieren, daß man den aprupt auf einen einwirkenden sommerlichen Temperaturen gerecht wird.

Wir haben mit unserem Zielort eine Strecke von ca. 140 km vor uns. Wir haben den Ort Alanya gewählt, weil er einmal am weitesten östlich liegt, zum anderen mit seiner historischen Vergangenheit mehr verspricht, als eine Hotelanlage in der Wildnis. Ein Kollege, der es wissen muß, hat mir einmal von derlei Einrichtungen erzählt: "Du hast da eine tolle Anlage, Strand und einen Pool, nur raus gehen darfst du da nicht, da ist nichts, aber auch gar nichts". Während der Busfahrt sehen wir so manche dieser Hotelanlagen, moderne Gebäude irgendwo in der Botanik. Die Küstenstraße, auf der wir uns gen Osten bewegen, ist nun auch nicht gerade ein landschaftlicher Genuß. Es stehen viele angefangene und nicht fertig gewordene Bauruinen herum. Ob das alles mal eine zweckvolle Verwendung finden wird, kann man nicht beurteilen. Besser man lenkt den Blick auf die Berge des Taurus, der sich heute aber auch nur sehr dunstig präsentiert: unsere Nebelfrau hatte wohl doch den richtigen "Durchblick".

Dankenswerterweise wird während der Fahrt auch an einem Tankstellenrestaurat eine Pause eingelegt, für zwei Cola - die man selbstredend auch in DM erwerben kann. Heidi findet zwischen drei Stehklosetts auch ein "richtiges", wie sie freudig berichtet. Nach über einer Stunde Fahrt erreichen wir dann die Stadt Manavgat, diese sei noch nicht touristisch geprägt und es finde Montags und Donnerstags hier ein großer Markt statt, teilt uns der begleitende Neckermann-Angestellte per Mikrofon mit. Das nehmen wir gleich vormerkend zur Kenntnis.

Endlich nähern wir uns unserem Ziel, am Horizont erkennt man schon die Halbinsel von Alanya mit der oben thronenden mittelalterlichen Burganlage. Nun werden auch die ersten Gäste an ihren Hotelanlagen ausgeladen, die begleitenden beiden Neckermann-Angestellten haben offenbar eine wichtige Funktion dabei, wie sie durch eifrigen Gebrauch ihrer Handys dokumentieren. Das Gepäck der Gäste muß aber der Busfahrer oder andere dienstbare Geister in Bewegung setzen. Bei jedem angefahrenen Hotel - oder "Anlage" - sind wir froh, nicht aussteigen zu müssen, haben wir doch ein Quartier im Herzen einer historischen Stadt zu erwarten, ruhig und am Hang gelegen.

Schließlich sind alle Gäste ausgeladen und werden - nur durch die Küstenstraße vom Strand getrennt, wie es im Prospekt zu lesen war - ihren Urlaub verleben. So begibt es sich wieder einmal, daß wir die letzten beiden im Bus sind, sogar die beiden Neckermann-Angestellten haben uns mit vielen Entschuldigungen unserem Schicksal überlassen. Das führt uns nun mit unserem Busfahrer eine Hangstraße in Alanya hinauf, wo wir dann - es ist mittlerweile 15 Uhr - augenreibend vor dem Hotel Sunny Hill dem Bus entsteigen. Sogleich nehmen sich dienstbare Geister unseres Gepäck an, kopfschüttelnd wird die Fahrradtasche geschultert, Heidi übernimmt die Trinkgeldangelegenheit mit einem Fünfmarkstück. Ich bin damit beschäftigt, den Transport der Fahrradtasche zu erklären und zu beaufsichtigen.

Und nun sind wir da, Zimmer 522, entsprechend der Hanglage mit einem wunderschönen Ausblick auf die Stadt, ein steinernes Meer von fertigen und nicht fertigen Häusern, die fertigen haben auf ihren Dächern Batterien von Wassertonnen und Wärmetauschern. Wie Bleistifte ragen zwischen den Gebäuden die Türme von Minaretten empor, die muß man erstmal zählen, so an die zwanzig müßten es sein. Dahinter die Vorberge des Taurus, links das schimmernde Meer und der Kleopatra Strand. Warum der so heißt, wird später erklärt.

Nach dem hastigen Auspacken müssen wir zunächst an die Rezeption, um uns mit türkischer Währung zu versorgen. In der Türkei herrscht zur Zeit eine gallopierende Inflation, wodurch sich der Tauschkurs von Tag zu Tag ändert. Wir erhalten heute für 100.- DM die stattliche Summe von Hundertsiebenunddreißigmillionen türkische Lira. Mit praller Geldbörse geht es nun auf die erste Erkundung.

Wir suchen den Hafen, der soll ja nur 300 m entfernt sein. Außerdem soll es dort einen Basar geben. Wegen der Hanglage unseres Hotels entscheiden wir uns für den Weg bergab, landen auch prompt am Meer. Dort finden wir zwar nicht den Hafen, aber die Tropfsteinhöhle namens Damlatas, das heißt übersetzt: Tropfsteinhöhle. Obwohl diese erst bei Steinbrucharbeiten im Jahre 1948 entdeckt wurde, heben wir uns den Besuch für später auf. Auch einen Basar, oder was wir dafür halten, gibt es hier, aber es sind eigentlich nur Touristenläden, und der Hafen ist weit und breit nicht auszumachen.

Um die Ecke ist aber das Touristenbüro, da kann man sich durch den Erwerb eines Stadtplanes doch endlich zu einem durchblickenden und zielbewußten Ortsbesichtiger aufschwingen. Trotzdem ist dieser Stadtplan nicht so, wir ihn gewohnt sind, die Straßenpartien sind nur schematisch abstrakt eingetragen. Doch finden wir schließlich auch den Hafen, wo an mancherlei Booten allerlei geschliffen, gespachtelt und gepinselt wird. Da wir im Urlaub sind, ist es ganz schön, anderen Leuten bei der Arbeit zuzuschauen.

Dann zucken wir plötzlich zusammen. Ein merkwürdiger Singsang ertönt gleichzeitig aus mehreren Richtungen. Natürlich fällt einem schnell ein, worum es sich handelt: es sind die Muezzine, die von den Minaretten zum Gebet rufen. Allerdings schaut man vergeblich nach ihnen aus, stellt man sich doch dabei eine langbärtige Gestalt eingehüllt in wallende Gewänder vor, der hoch oben auf dem Minarett seine Verbeugungen macht. Die Gesänge ertönen leider nur aus phonstarken Lautsprechern, die oben an den Minaretten angebracht sind. Wenn es dunkel ist, wird das auch noch durch eine farbenfrohe Beleuchtung illuminiert. Es sei vorweggenommen, daß man sich bald an diesen 5 mal am Tag abgehaltenen Gesängen erfreut. Nur beim ersten Mal am Tag, das ist morgens gegen 5 Uhr, da sind sie besonders gut drauf, da dreht man sich vielleicht doch etwas konsterniert in seinem Bett auf die andere Seite..

Es dauert nicht lange, da haben wir das angekündigte Basarviertel entdeckt, das sind kleine Quergänge mit Überdachung. Hier gibt es im wesentlichen Textilien, Leder, Uhren, Schmuck, Parfüme, Teppiche, Parfüme, Schmuck, Uhren, Leder und Textilien. Und so weiter. Dazwischen befinden sich offene Restaurants, wo sich freundliche junge Männer um Kontaktaufnahme zu den vorbeiziehenden Touristenströmen bemühen. "Hallo, where are you from, one Drink?" Oder: "Einen Moment bitte, Englisch, Schwedisch, Deutsch?", oder "Gib mir Deine Hand, warum gibst Du mir nicht Deine Hand?" Undsoweiter. Man darf weder stehenbleiben oder gar suchende Blicke um sich werfen. Dabei sucht Heidi nur eine kurze Hose und ein T-Shirt, um sich dem Klima entsprechend angemessen einzukleiden.

Schließlich erliegen wir einem freundlichen Herrn, der uns in einen Verkaufsstand hinter einem Gummibaum lockt. Heidi findet ihre gesuchten Klamotten, worauf uns sogleich ein Apfeltee herbeigebracht wird. Der freundliche Herr erzählt uns, daß er Deutschlehrer sei und diesen Laden zusammen mit seinem Bruder betreibe. Er überreicht uns auch eine Visitenkarte, auf der steht:

Deutschlehrerboutigue
Mustafa & Ali Akis
Unter dem Gummibaum

Wenn wir Lust hätten könnten wir gern wieder auf einen Tee vorbei schauen, auch wenn wir nichts kaufen wollten.

So bummeln wir erfreut wieder zurück und zeigen allen weiteren Anbietern von Reisen, Taxifahrten, Abendmenus, Armbanduhren oder Lederjacken die kalte Schulter. Im Hotel gibt es ab 19 Uhr das Abendessen, das wir ungeduldig erwarten. Als es endlich soweit ist, geht das so vor sich: man sucht sich einen Platz, läßt sich auf einem Ticket das Abendessen abhaken und bestellt zwei Bier. Dann holt man sich eine Suppe. Sobald der Teller leer ist, wird er von einem dienstbaren Geist unter der Nase mitsamt dem Löffel abserviert. Wenn man eine weitere Suppe wünscht, muß man sich an dem Löffel festklammern, weil man sonst aufgeschmissen ist. Danach kann man sich an einem reichhaltigen Salatbuffet auf dem Teller anhäufen, was das Herz oder der Magen begehrt. Man muß nur aufpassen, daß man danach noch genügend Hunger für das warme Hauptgericht hat, das einem vom Koch aufgekellt wird. Schließlich kann man sich noch einen Nachtisch gönnen, der aus Kuchen, Götterspeisen, Früchten oder Pudding besteht.

Mittlerweile ist es dann gegen 20 Uhr und danach wird es schnell dunkel. Die dynamischen Gäste machen sich dann zu einem Stadtgang auf oder begeben sich an die Bar. Wir dagegen setzen uns bei einer verbotenen Flasche Wein auf den Balkon und versuchen, die immerhin prächtige Aussicht auf das Lichtermeer von Alanya zu genießen. Die Flasche Wein ist dann verboten, wenn sie nicht im Hotel gekauft wurde, wo sie das dreifache kostet. Nun stellen wir fest, daß mit unserem Zimmer oberhalb der Straße doch nicht alles zum besten ist. Wir müssen teilweise die Unterhaltung einstellen, wenn ein lautstarkes Gefährt die Straße hinauf braust, oftmals auch begleitet durch lebensfrohes Gehupe oder das Wummern der Technomusik. Sterne gibt es auch nicht zu sehen, der Himmel ist verhangen. Man hat aber allerseits für die nächsten Tage besseres Wetter versprochen. Besonders gut schlafen wir aber nicht.

Sonnabend

An der Rezeption klagen wir unser Leid. Der freundliche junge Mann versucht uns zu trösten, am Wochenende herrsche eben ein stärkerer Verkehr, wegen der Discos und so. Er habe im Moment leider kein besseres freies Zimmer. Die zweite Enttäuschung ist das Frühstück. Nur eine Sorte Wurst und zwei Sorten Käse, dazu Weißbrot. Da hatten wir uns etwas mehr versprochen.

Heute ist der allfällige Begrüßungstermin der Neckermannbetreuung. Vorher vertreten wir uns die Füße hangaufwärts, wo es ältere Anwesen und türkische Lebensart zu bestaunen gibt. Wir müssen bald umkehren und springen gerade rechtzeitig in den bereits wartenden Bus, bevor ein prasselnder Regenguß losbricht. Beim Begrüßungstermin gibt es ein Glas Saft umsonst und eine Dame namens Natalie verspricht erst mal besseres Wetter. Dann weist sie auf die möglichen Ausflugsfahrten hin: "Sie sind herzlich eingeladen, bei mir zu buchen". Darunter ist auch eine Dörferfahrt in ursprünglich erhaltene Regionen. Man solle die Bevölkerung aber nicht durch großzügige Spenden verwöhnen, sonst gehe die durch die Armut bedingte Ursprünglichkeit verloren. Und einen Eselführerschein könne man machen. Schmuck könne man mit Rabatt bei den von Neckermann konzessionierten Geschäften günstig erwerben. Die Markenparfüme solle man dagegen nicht kaufen, die schlügen nach kurzer Zeit in einen unangenehmen Chlorgeruch um. Dann weist sie noch auf die nahegelegene Tropfsteinhöhle hin. Diese habe heilende Wirkung auf die Atemwege, weil in der Höhle 98 % Luftanteil herrsche. Sie meint sicher Luftfeuchtigkeit.

Ich habe ein anderes Problem. Für das Fahrrad habe ich zwar ein Ringschloß mitgenommen, nur den Schlüssel habe ich zu Hause gelassen. Wo kann man in Alanya ein Ringschloß kaufen? Das ist schwierig, weil die Geschäfte ausschließlich auf den Touristenbedarf ausgerichtet sind. Es soll ein Kaufhaus Micros geben, wo man alles bekommt. Wir machen uns in dem zwar warmen aber eben feuchten Regen auf den Weg über die Hauptstraße. Bei dem Kaufhaus Micros kommen wir aber nie an, das scheint zu weit zu sein.

Wir wandern zurück in Richtung Basar, da ist es wenigstens überdacht. Nach einigem Herumgefrage kriegen wir dann auch raus, wo eine Fahrradwerkstatt ist: in einer Seitenstraße hinter der Post. Das ist wirklich eine Klitsche, wie sie im Buche steht. Und tatsächlich hängen an der Wand zwei Ringschlösser in weiß und blau. Für 5 Millionen Lire, das sind 3.50 DM, erwerbe ich das blaue, passend zur Farbe des Rades. Die Burschen in der Fahrradklitsche strahlen und wir auch.

Als wir uns zur Siesta in unser Hotel zurückziehen, hört der Regen auf. Als wir zum Nachmittagsbummel aufbrechen, fängt er wieder an. Also ab in die Tropfsteinhöhle, da wird es wohl nicht rein regnen. Die Höhle besteht aus einem großen kuppelartigen Raum, schön geschmückt mit Tropfsteinen, wie es sich gehört. Ich schaue vergeblich unter ein paar Felsvorsprünge, um eine Fortsetzung zu finden.

Damit ist diese Attraktion abgehakt und wir machen weitere Rundgänge. Die Damlatas Caddesi ist unsere Hauptflanierstraße. Dort gibt es ein halb in sich zusammengebrochenes Haus. Da hat sich wohl mal ein Schmuckgeschäft darin befunden. Nun hängt ein Schild an der Tür: "Wir sind 50 m nach unten getragen".

Zwei Anschaffungen gilt es noch zu machen. Das eine ist ein Satz Ohropax, das man in der Apotheke gleich unter dem Ladentisch hervor zieht. Kulak Tikaci steht da drauf. Der andere Erwerb sind zwei Badetücher, da man die hoteleigenen außerhalb nicht benutzen darf. Nach ein wenig Handeln bekommen wir die beiden Tücher zum Preis von einem, wenn es denn so ist.

Viel mehr passiert heute nicht mehr. Vom Balkon aus können wir beobachten, wie die Berge des Taurus sich mehr und mehr einhüllen. Schließlich formen wir uns die Ohrpröpsel zurecht, worauf man die eigenen Atemgeräusche um so lauter hört. Wenn man dann mitten in der Nacht aufwacht, darf man die Pröpsel erst mal im ganzen Bett suchen.

Sonntag

Nicht der erwartete Sonnenschein, sondern der Nebel vom Vorabend begrüßt uns an diesem Sonntagmorgen. Wir marschieren diesmal über den Berg zum Hafen. Dort befindet sich nämlich der Rote Turm, das Wahrzeichen von Alanya. Man kann links von diesem Turm hindurch schlüpfen und gelangt dann in den historischen Teil der Stadt. Die Häuser sind sehr malerisch und bunt bevölkert, sofern sie überhaupt bewohnt sind. Die anderen sind dem Verfall preisgegeben. Weiter oben sieht man nur noch die Mauerreste der ehemaligen Besiedlung.

Auf dem Rückweg klart es auf und die Sonne wagt sich hervor. So marschieren wir im Stechschritt zurück zum Hotel und an den Pool, wo die neuen Badetücher eingeweiht werden. Der Kunstrasen der Sonnenterrasse ist quaddelnaß. Obwohl es weiterhin weitgehend bedeckt bleibt, glauben wir, auf unserer Haut eine beginnende Anfangsbräune entdecken zu können.

Der Abend und die Nacht gestalten sich weiterhin geräuschvoll, und wir fragen uns, wie wir es hier 14 Tage aushalten sollen.


Markt in Manavgat, die obere Burganlage