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Der Radrundkurs Altmark

Als wir im vergangenen Jahr eine Radtour von Tangermünde nach Havelberg gemacht haben, fanden wir uns westlich der Elbe unversehens auf einem ausgeschilderten Radwanderweg durch die Altmark wieder. Damit war eine gewisse Neugierde geweckt. Vor ein paar Wochen habe ich einen Diavortrag über eine Radtour in Masuren besucht. Dort war ein Büchertisch aufgebaut, und eine Broschüre zu finden: Radrundkurs Altmark, worin dieser auf das genaueste beschrieben wird. Für Interessenten: er ist bei Haupka & Co., Bad Soden, Taunus erschienen. Trotzdem habe ich das Heftchen im Braunschweiger Buchhandel nicht auftreiben können.

Auf unserer geistigen Landkarte ist die Altmark weitgehend ein weißer Fleck. Bis 1990 zur DDR, heute zu Sachsen Anhalt gehörend, existierte sie zu DDR-Zeiten in unserem Bewußtsein sowieso nicht. Stattdessen haben wir uns seinerzeit mit dem Wendland befaßt, das westlich an die Altmark anschließt. Sieben Jahre nach der Wende und Wiedervereinigung wird es nun dringend Zeit, den weißen Fleck mit Farbe zu füllen.

Weitere Anknüpfungspunkte zur Altmark: zu meinem Geburtstag hatten wir zwei Thomasse zu Gast. Der eine Thomas hat gerade ein altes Haus in Brome am Rand der Altmark gekauft und ist eifrig am Restaurieren. Der andere Thomas befaßt sich mit Maklerbroschüren, in denen zwischen Harz und Elbe mehr oder weniger gut erhaltene Immobilien zum Verkauf angeboten werden, möglichst für "nen Appel und’n Ei". Er ist nun weniger gut auf die Altmark zu sprechen. Er wollte sich ein Haus in dem Weltort Köckte ansehen, wo das Anwesen dann allerdings gar nicht existierte, nicht mal die angegebene Adresse war trotz Befragen alteingesessener Dorfbewohner auffindbar. Außerdem handelte es sich bei dem besagten Besuch um einen total verregneten Tag, da sei der Hund verfroren, nichts gäbe es da, nichts, aber auch gar nichts. Nur zögernd läßt man sich da zu einer ersten Inspektion des Altmärker Radwanderwegs überreden.

Ich bin schon mal tätig geworden. Da das mit dem Erstehen der Routenbeschreibung per Buchhandel nicht geklappt hat, besorgt man sich seine Informationen heutzutage über das Internet. Da gibt es "Webseiten" über die Altmark, liebevoll gestaltet von heimatverbundenen Internetlern. Die gibt es also auch schon in der Altmark. Die Telefonnummer der Touristeninformation in Gardelegen (Perle der Altmark) ist allerdings falsch angegeben. Aber mit dem digitalen Telefonverzeichnis der Uni-Bibliothek ist auch diesem Mißstand abzuhelfen. Um diese Internet Fachsimpelei vorerst abzuschließen: ich habe dann noch den Autor der Webseite mit der fehlerhaften Telefonnummer per E-Mail informiert, worauf mir eine Stunde später - wiederum per E-Mail - ein herzliches Dankeschön zuteil wurde.

Per Telefon erfahre ich also, daß die Broschüre in der Gardelegen Information vorrätig ist und DM 6.90 kostet. Das Büro macht um morgens 10 Uhr auf. Damit steht der Plan für eine erste Erkundung fest, Freitag, 2.5., ein "Brückentag" zwischen dem Tag der Arbeit und dem Wochenende. Außerdem ist von den telegenen Wetterfröschen das schönste Wetter angesagt - der erste richtige Frühlingstag.

1. Etappe: Gardelegen - Stendal, 75 km

Wir rechnen eine gute Stunde für die Anfahrt mit dem Auto und fahren kurz vor neun zu Hause los. Über die Autobahn bis Wolfsburg, dann über Landstraßen brauchen wir genau 1 ½ Stunden. Um keine Einzelheit des Tagesgeschehens auszulassen: wir sichten sogar einmal einen Storch, obwohl am Morgen in der Zeitung zu lesen war: Storchenstau am Bosporus, und die Störche seien mit ihrer Rückkehr in diesem Jahr viel zu spät dran. Dieser eine war wohl schneller, ein Early Bird?

Das Informationsbüro in Gardelegen ist im Salzwedeler Tor untergebracht. Das Salzwedeler Tor besteht aus zwei dicken runden ehemaligen Wehrtürmen (Geschützbastionen). Eine nette Dame händigt uns nun endlich das ersehnte Büchlein aus mit dem vollen Titel:

Radrundkurs Altmark, Gesamtlänge 475 km
Im Städtedreieck Hamburg - Braunschweig - Berlin
Streckenverlauf: Stendal - Havelberg - Salzwedel - Gardelegen - Stendal

Damit sind die geographischen Randbedingungen abgesteckt. Wir erzählen, daß wir aus Braunschweig kommen. "Oh, das ist gut" sagt die Dame, man müsse nämlich am Sonntag auf die Harz und Heide Ausstellung, um einen Informationsstand über die Altmark aufzubauen. "Da können Sie uns gleich den Weg erklären" meint sie. "Das geht genauso, als wenn Sie nach Hannover fahren" teilen wir mit. "Oh, soweit sind wir noch gar nicht gekommen" ist die verblüffende Antwort. Anschließend dürfen wir noch den Innenhof des Salzwedeler Tores besichtigen. Man hat sich mit der Erhaltung dieses Bauwerkes einige Mühe gegeben.

Eine Streckenplanung für die heutige Tour liegt aus den dargelegten Gründen noch nicht vor. Wir bummeln erstmal durch die Altstadt von Gardelegen und landen gleich im Hof der Brauerei. Früher wurde in der Gegend um Gardelegen Hopfen angebaut, daher gibt es hier auch das berühmte (für uns aber unbekannte) Garley Bier. Ein bunt gestalteter Bierwagen mit Bierfaßattrappen wartet auf seinen Einsatz, sicher demnächst wieder zum "Herrentag" (Himmelfahrt). Dann stolpert man sogleich über den Namen Otto Reutter, dem berühmtesten Bürger dieser Stadt. "Schau ich weck von dem Fleck, ist drr Überziehrr weg..." das klingt einem irgendwie im Ohr.

Ein bedeutendes Rathaus, eine gemütliche Marktstraße - aber uns zieht es Richtung Süden, wo wir bald auf den Radwanderweg stoßen. Nun haben wir die Auswahl: Richtung Klötze oder Stendal. Thomas plädiert auf Richtung Stendal, ich schließe mich an und wir biegen in Richtung Klötze ab. Das liegt daran, daß der Streckenplan auf dem Kopf steht, indem der Nordpfeil nach unten zeigt. Wir merken das aber bald, kehren um und machen in der Gartenkolonie Lindental erstmal einen Schnack über den Gartenzaun mit einem Rentnerehepaar.

Uns werden die weiteren Orte in Richtung Stendal heruntergeschnurrt, wir machen uns ganz düselig auf den Weg. Rückenwind und Sonnenschein, die Butterblumen blühen üppig und ein hübscher Waldweg nimmt uns auf. Spätestens in Zienau, das ist schon der nächste Ort, blühen wir auch richtig auf.

Nun kreuzen wir ein Bauwerk der besonderen Art, die ICE-Schnellstrecke Hannover - Berlin, deren Verlauf weitgehend der Luftlinie zwischen diesen Städten entspricht, dabei allerdings die Großstadt Braunschweig knapp verfehlt. Das Gleisbett wird tischeben betoniert, da könnte man drauf kegeln. Wenn dann Schwellen und Schotter aufgebracht sind, ist das sicher schwieriger. Große Kosten verursachen dazu auch die Querwege, ob als Brücken oder Unterführungen. Wir queren eine Brücke, die beiderseits in unbefestigten Wegen endet. Trotzdem hat man doppelt bewehrte Leitplanken angebracht, wie man sie eher von Grand Prix Strecken kennt (Großer Preis von Monaco). "Hier bleibt also unser Soli" ist unser Gedanke (Solidaritätszuschlag). Wir werden später noch eine schaurige Verwendung des Soli kennenlernen.

Wir kommen aber erstmal durch den Ort Neuendorf, wo es ein bedeutendes Kloster geben soll. Das kriegen wir irgendwie nicht zu Gesicht, weil wir uns zu sehr auf die Wegbeschilderung konzentrieren. Die ist allerdings ausgezeichnet, was uns trotzdem künftig nicht vor ein paar Kapriolen bewahren wird. In Neuendorf hat man auch mit dem Ausbau der Dorfstraße ein wenig zuviel getan, die Pflasterung und Wegbefestigung ist dann leider eher steril im Gegensatz zu dem vormals allerdings weniger komfortablen Pflaster aus Feldsteinen, den Pfützen, Schlaglöchern und sandigen Randstreifen.

Auf unbefestigten und schön zu befahrenden Wegen geraten wir in ein größeres Waldstück, das man dem nördlichen Rand der Colbitz-Letzlinger Heide zurechnen muß. Dieses Gebiet hat mehr als ein halbes Jahrhundert eines der größten militärischen Sperrgebiete Europas beherbergt. Nun nach Abzug der Russen ist das Gebiet angeblich wieder zugänglich. Es ist nachzulesen (K.D. Felsmann, Rund um die Altmark), daß ältere Bewohner der Gegend von einer Anhöhe aus nach 60 Jahren erstmals wieder den Brocken sahen. Dabei sind ihnen die Tränen gekommen. Man kann das nachempfinden. Weniger verständlich, daß die militärische Zunft weiterhin ein Auge auf dieses riesige Wald- und Heidegebiet als Spielwiese für Panzer und Geschütze wirft.

Wir passieren den Achteckigen Stein, der sich auf einer Waldkreuzung aus acht Wegen befindet. Das kriegen wir nicht mit, weil die Wegebeschilderung wieder mal unsere Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch nimmt, es läßt sich aber später nachlesen. Mitten im brandtrockenen Kiefernwald sehen wir dann Rauch aufsteigen. Es handelt sich um einen Grillwagen, den - ausgerechnet die Feuerwehr Börgitz - aufgebaut hat. Uns läuft schon ein wenig das Wasser im Mund zusammen, leider nimmt man aber keine Notiz von uns. Es handelt sich hier um ein Kinderfest, da sind wir als Gäste nicht im richtigen Alter.

Am Ende des Waldes erwartet uns der Ort Uchtspringe. Es läßt sich fast erahnen, daß sich hier die Quellen des Flüßchens Uchte befinden. Was einem aber zuerst auffällt, sind sonderbare Gestalten mit Pudelmützen oder dgl. Ehe man aber Gefahr läuft, sich darüber lustig zu machen, hat man schon vergegenwärtigt, daß sich hier Anstalten für psychisch Kranke befinden. Wir lesen irgendwo den Begriff Forensische Psychiatrie, sind uns nicht ganz im Klaren über dessen genaue Bedeutung. Hat wohl irgendwas mit Rechtsprechung zu tun.

Der Radwanderer wird konsequenterweise in Richtung der Uchtequellen geführt. Als wir von der Straße abbiegen, verschlägt es uns die Sprache. Da glitzert etwas silbrig und haushoch im Gegenlicht der Morgensonne. Es ist ein doppelter Maschendrahtzaun. Obendrauf Spiralen von Stacheldraht. Eine Baufirma ist noch damit beschäftigt, dem ganzen den letzten "Schliff" zu geben. Hinter dem Zaun Häuser mit schwer vergitterten Fenstern. Am Ende des Geländes ein Bauschild: "Hier baut das Land Sachsen Anhalt...". Wir halten an, ich mache ein Foto mit der Befürchtung, daß die Fotoausrüstung gleich beschlagnahmt wird. Dann überlegen wir. Man baut, das steht natürlich auch auf dem Bauschild, eine Vollzugsanstalt. Und zwar eine der schlimmen Art, eine für Triebtäter und aus psychischen Gründen Straffällige. "Verwahrung in einer geschlossenen Anstalt" - so liest sich das dann lapidar in der Zeitung nach ergangenem Gerichtsurteil. Welche Schicksale künftig hinter diesen Barrieren besiegelt werden, entzieht sich unserer Phantasie.

In Sichtweite dieses Wunderwerks der Technik rollen wir auf einem schmalen Waldweg zu den Quellen. Das sind - so ist auf einer Schautafel nachzulesen - eine Vielzahl von Quellkuhlen, die auch in trockenen Jahren nie versiegen. Wir können uns nicht ganz darauf konzentrieren, befindet man sich doch hier auf der Rückseite der eben beschriebenen Verwahrungseinrichtung. Da ist ein Neubau errichtet und der Zaun fehlt hier. Dafür besitzt der Neubau auf seiner Rückseite nicht ein einziges Fenster oder eine Tür. Zurück auf der Landstraße brauchen wir eine Weile, uns von diesen schaurigen Eindrücken zu lösen und wieder der Landschaft zuzuwenden, die den Insassen dieser Anstalt weiter entfernt als der Mond sein wird.

Sei die Bemerkung gestattet, daß in einer Zeit von Kindermißbrauch und anderen Scheußlichkeiten mit den verantwortlichen Tätern wohl kein Mitleid angebracht ist, falls sie denn an einem derartigen Ort ihre endgültiges Dasein fristen müssen.

Es fällt nicht leicht, nun wieder in die herrliche Landschaft zurückzukehren. Bei dem hübschen Ort Staats soll es eine Orchideenwiese geben, deren wir leider nicht ansichtig werden. Wir geraten nun bald auf eine eigenartige Kreuzung aus drei Wegen. Da führt einen die Beschilderung in alle Richtungen, man kommt ganz aus dem Konzept.

Der Nordpfeil auf der Karte zeigt hier nach links, das erleichtert die Sache auch nicht gerade. Wir wählen die empfohlene Richtung Taubenhaus, das befindet sich in dem Ort Wittenmoor. Es gibt hier ein Schloß, einen tollen Park, ein Gutshaus, eine Backsteinkirche und das Taubenhaus, was wir tatsächlich finden. Nur den weiteren Weg finden wir weniger. Nach einem flott gefahrenen Kilometer finden wir uns auf einer Kreuzung wieder, wo uns die angezeigten Richtungen nichts Gutes verheißen. Die richtige Entscheidung ist dann auch, zurückzufahren. Daß dabei Thomas die Kette abspringt, ist wohl höhere Gewalt, aber auch schnell behoben. Wir passieren also noch mal das Taubenhaus und finden diese sonderbare Dreieckskreuzung wieder. Die eine Richtung aus Vollenschier (mit r am Ende und nicht mit t) sind wir hergekommen. Die andere Richtung sind wir gerade gekommen. Bleibt die dritte, und in diese fahren wir nun. Und tatsächlich, es ist die richtige, wie uns die Beschilderung bald bestätigt.

Wir geraten nach Groß Schwarzlosen, um bei Buchstabenspielen zu bleiben: lieber ein r als ein n. Es wird Zeit, mal auf die Uhr zu schauen. Die Zeit ist überraschend schnell vergangen, es geht auf 16 Uhr zu, wir müssen ja zurück zum Auto und dann noch nach Hause. Jetzt beim Nachvollziehen der Tour stelle ich auf der Karte fest (Nordpfeil diesmal nach oben), daß wir im Bereich Spitze Berge, 52 m, sowieso eine Abzweigung verpaßt haben. Auf einer weiteren Kreuzung stehend planen wir also den Rest des Weges. Wenn wir die - vielverheißende - Schleife über Tangerhütte abschneiden, sind wir schnell in Stendal, von wo wir vielleicht mithilfe der Deutschen Bahn dem Gegenwind zurück nach Gardelegen ein Schnippchen schlagen können.

Auf einsamer Straße fahren wir also einträchtig nebeneinander Richtung Norden über Klein Schwarzlosen. Mitten ins Gespräch vertieft: "Sollte man ein Anwesen in der Altmark kaufen?" - schreckt uns ein Hupsignal auf. Da ist doch einer stickum in seinem nagelneuen Ford Fiesta herangerollt, fährt links vorbei - Platz ist genug - trotzdem schneidet er uns und hält an, ich kann gerade rechts auf dem Seitenstreifen vorbei. Thomas übernimmt die Konversation am elektrisch herunter schnurrenden Fahrerfenster. Wir hätten hier nicht nebeneinander zu fahren, ist die Vorhaltung. Man könnte nun eine Studie über mentale Reaktionen der Beteiligten in dieser Situationen anstellen. Ich halte mich jedenfalls da raus, rolle ich doch unbehelligt voraus, verweigere mich folgerichtig als Zeuge für evtl. anhängige Beleidigungsklagen zu Lasten meines Mitfahrers. Jedenfalls entwickelt sich die Konversation weniger auf juristischer Ebene als auf verbaler gegenseitiger Einschätzung. In dem Auto hat man es mit einem älteren Ehepaar zu tun, so daß tätliche Auseinandersetzungen für den erbosten Fahrer eher weniger erfolgversprechend sind. Dennoch braucht es seine Zeit bis der verkehrskundige Herr sich wutschnaubend auf seinen weiteren Weg macht.

Auf der etwas stärker befahrenen Straße durch die Orte Hüselitz und Bellingen halten wir uns dann auch brav hintereinander. Bleibt noch Zeit für ein Foto von einer Friedhofskapelle mit Fachwerkturm - ein Begräbniswagen steht schon daneben. In einem Hinterhof gibt es ein antikes Gewirr von Stromkabeln an einer Hausmauer zu bestaunen - und in einem italienischen Eiscafe genehmigen wir uns einen Cappuccino. Dann stoßen wir wieder auf den Radwanderweg, der uns nun direkt nach Norden Richtung Stendal aufnimmt. Man muß einen kleinen Berg erklettern, hat dann schon einen Ausblick auf die Stadt Stendal. Neben den weißen Vorstädten in Plattenbauweise erahnt man auch zwei doppeltürmige Kirchen. Die verschwinden zwar bald wieder hinter einem Waldstück, trotzdem sind wir überraschend schnell am Ziel.

Angsichts der 35 km zurück nach Gardelegen und des Gegenwindes ist natürlich der Bahnhof das Ziel. Nachdem wir ein paar Kinder nach dem Weg gefragt haben, stellt sich das dann leider als erheblicher Umweg heraus. Jedenfalls sind wir genau um 17.15 dort. In der Auskunft wird gerade einer älteren Dame eine komplizierte Verbindung nach Salzwedel vermittelt. Da schaut man doch lieber gleich auf die Abfahrtstafel. In der Bahnhofshalle stolziert ein uniformierter Engel, blond, Minirock, lächelnd. Ob man die mal fragen sollte? Aber da ist ja schon die Abfahrtstafel: 17.26 fährt der Zug. Da ruft Thomas vom Bahnhofseingang mir zu "Siebzehn Uhr Sechsundzwanzig!" Nun sind wir beide gleich schlau. Nur sein Vorteil, er hat den blonden Engel gefragt, und mit so einer hübschen Schaffnerin, da könnte man den Zug ja gar nicht auslassen, hat er zu ihr gesagt. "Sexistisch, frauenfeindliche Anmache, Machogehabe sowas" ist meine Reaktion. Nein, das sei ganz harmonisch verlaufen, wird versichert. Jedenfalls schielen wir beide zum Bahnsteig hinüber, wo der Zug schon abfahrbereit steht. Der blonde Schaffnerengel bewegt sich gerade auf die Lokomotive zu.

Wir klemmen unsere Räder unter den Arm, hasten die Treppen runter und rauf, wo ist nun der Gepäckwagen? Wir entscheiden uns beide in Richtung Lokomotive. Zu unserer Enttäuschung zeigt sich der blonde Engel nicht - vielleicht hat sie eine wichtige Besprechung mit dem Lokomotivführer? Wir begeben uns also an das Ende des Zuges, dort steht eine weitere Uniformierte, klein und drall, die dreht uns erstmal ostentativ den Rücken zu. Dann öffnet sie uns aber doch gnädig den Gepäckwagen, der sich nun leider doch am Schluß des Zuges befindet. Damit sind wir untergebracht, bald fährt der Zug los, Fahrkarten haben wir in der ganzen Eile natürlich nicht gelöst, aber das kann man da ja während der Fahrt immer noch machen.

Wir wollen das nicht zur Nachahmung empfehlen, steigen wir doch nach 35 Minuten Fahrt - die kleine Dralle öffnet uns wieder die Waggontür - zum Nulltarif in Gardelegen aus. Obwohl uns der blonde Engel nicht mehr begegnet ist, sind wir in bester Stimmung. Bei abendlichem Sonnenschein fahren wir noch eine kleine Runde über die gut erhaltenen Wallanlagen der Stadt, ich mache ein Foto vom Salzwedeler Tor in der Abendsonne. Dann finden wir noch eine Bäckerei, die schon geschlossen hat, aber noch geöffnet ist. Thomas kauft ein Stück Zuckerkuchen, nach dessen Verzehr ihm der Sinn nach einem weiteren steht. Die Bäckereiangestellte hat längst beide Hände bis zu den Ellenbogen im Aufwischeimer. Trotzdem gibt es noch ein weiteres Stück Zuckerkuchen.

Schließlich finden wir unser Auto wieder, laden die Räder ein - wie war der Tag? Einer unserer Schönsten, die erste Etappe der Altmarkrundtour wird nicht die letzte gewesen sein.


Etappe 2
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