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Donnerstag, Uttendorf - Freilassing, 136 km

Heute erwartet uns die letzte, die Königsetappe. Aber auch das können wir uns am Morgen noch nicht vorstellen, denn es regnet in Strömen. Per Gehör kann man das aber nicht feststellen, weil unter unseren Fenstern ein Bach herabrauscht. Vor dem Aufbruch versuche ich bei einer bodenwischenden Angestellten herauszufinden, ob die Truppe am Nebentisch gestern Abend die Kabelzieher gewesen seien. Die aufschlußreiche Antwort lautet: "Ich nix wissen, Chef fragen".

Der Regen hört auf und wir rollen wieder los, auf dem Talboden des Pinzgaus, verstreute Berghöfe oben auf den grünen Matten (s.o.). Die Berge sind verhangen, aber das Radfahren ist ein Genuß, weil es immer leicht bergab geht. Vor Kaprun erschrecken einen dann doch allmählich die gedrängt auftretenden Hochspannungsmasten. Noch mehr Erschrecken bei Heidi, als wir eine frei dahintrottende Kuhherde passieren müssen.


Burg von Bruck
In Bruck verlassen wir das weite Tal des oberen Pinzgaus. Die Salzach muß sich nun ihren Weg zwischen enger zusammenrückenden Bergen bahnen. Auch der Radweg wird alpin, es geht rauf und runter. Einmal muß man über eine Wiese schieben. Da treffen wir eine Gruppe Mountainbiker und erfahren, wie man so eine Tour auf organisierte Art abspult. Die fahren ohne Gepäck gemütlich in kleinen Gruppen so um die 60-70 km am Tag. An den Kneipen am Wegrand kommen sie nur schlecht vorbei. Da reicht der Tag gerade aus für diese Kilometerleistung. Der Erfolg einer solchen Tour ist abhängig von der Zusammensetzung der Gruppe, die man ja vorher nicht kennt und nachher nicht mehr beeinflussen kann.


Gasteiner Ache
Heidi und ich sind ganz zufrieden mit der Zusammensetzung unserer "Gruppe", auch wenn wir das Gepäck mitführen müssen (ich habe 10 kg, Heidi 5 kg). So bleibt die organisierte Tour bald hinter uns, als in der nächsten Ortschaft Taxenbach ansprechende Straßenlokale einladen. Hier befindet sich auch die Kitzlochklamm, die man sich ansehen sollte, wenn man Zeit hat und nicht gerade eine Radtour macht. Wir begnügen uns mit dem Anblick der herunterschäumenden Gasteiner Ache in Lend/Gigerach.

Es folgt eine Schikane, indem man den Radfahrer vor dem Verkehr auf der stark befahrenen Bundesstraße bis Schwarzach schützen will, ihn dazu aber um die 200 Höhenmeter hinauflotst. Nach kurzem Anstieg haben wir das durchschaut. Als wir die Bundesstraße kreuzen, nehmen wir den Verkehr in Kauf und schießen wieder talwärts. Die Straße verläuft hier rampenartig zwischen Gasteiner Tal und Pongau. Hier bin ich 1989 schon gefahren, allerdings hinauf und bei Regen.

Plötzlich stehen wir vor einem Tunnel, wir wissen nicht, wie lang er ist. Also werden erstmal die Lichtanlagen überprüft. Auf Radtouren kann man sich da auf gar nichts verlassen, weil bei den Bahn- oder Schiffstransporten leicht mal immer ein Kabel abreißt. So ist es wohl wieder, bei mir geht gar nichts, bei Heidi nur das Rücklicht.

Dann ist der Tunnel aber nur so um die 100 m lang. Die Liedzeile

"...wenn ma reinkommt wird's dunkel, wenn ma rauskommt wird's hell..."

stimmt nur in der zweiten Hälfte. In Schwarzach verlassen wir aufatmend die Bundesstraße und biegen auf den Weg an der Salzach ein, den die Betreiber der nun folgenden Krafwerksanlagen zum Ausgleich für die massiven Natureingriffe angelegt haben.

Oben grüßt das Kirchlein von St. Veit im Pongau, meiner ersten Alpenheimat. Leider ist es mir heute versagt, dort einen Besuch zu machen, denn es liegt ein Berg dazwischen. Der weitere Weg ist nun gut zu fahren, wenn auf die Dauer auch etwas eintönig. Der Pongau bietet nicht die landschaftlichen Reize des Pinzgaus. An einer Uferböschung nisten schwarz krächzende Vögel, den Lauten nach, die sie ausstoßen, tief und kollernd, kann sich das kaum um Krähen handeln. Vielleicht hat man den Kolkraben ausgewildert und hier ist eine Kolonie entstanden. In der Nähe ist auch eine Müllkippe, da läßt sich für unsere gefiederten Freunde sicher genug Freßbares auftreiben.


Pfarrwerfen am Paß Lueg
Wir lassen St. Johann und Bischofshofen hinter uns. Heidi hat zwar irgendwo eingekauft, aber erst in Werfen zu Füßen der Festung Hohenwerfen machen wir Rast auf einer Bank. Oben liegt das Tennengebirge mit seiner Eisriesenwelt, da äuge ich natürlich interessiert hinauf und kann auch die Rampe des Weges erkennen. Heidi graust es nur bei dem Gedanken, da oben rumkraxeln zu müssen. Deshalb kraxeln wir ja auch hier unten rum.

Zu kraxeln gibt es noch ein wenig am Pass Lueg, wo die Felsen so dicht zusammenrücken, daß die Straße den Hang hinauf ausweichen muß. Die parallel verlaufende Autobahn muß nichts und niemand ausweichen, die hat man gradlinig durch den Berg geschossen. Auch die Eisenbahn kommt ohne Tunnel nicht aus. Wir schnaufen hinauf zu der Kapelle Maria Brunneck.


Salzachöfen
Ich stelle nun Heidi zur Wahl, sich in das Cafe zu setzen oder zu den Salzachöfen hinunter zu turnen. Dazu muß man natürlich die gerade erkraxelte Höhe wieder hinunter und nach der Besichtigung wieder herauf. Das kann ja nur einem Idioten einfallen. Und Eintritt kostet es auch noch. Ich habe schon soviel von den Salzachöfen gehört, ich muß sie einfach sehen, nehme daher in Kauf, als Idiot zu gelten. Unten bin ich dann ganz schnell, hoppla hopp, barfuß in Sandalen.

An Geländern entlang kann man unter hausgroßen Felsblöcken langkriechen und unter sich die auf wenige Meter Breite zusammengedrängte und darob schäumende Salzach bewundern. Höhepunkt ist der Dom, da ist es fast stockdunkel. Ich weiß im Moment nicht, ob die Wildwasserfahrer vom Schwierigkeitsgrad her die Salzachöfen noch befahren können. Mir ist nur in der Erinnerung, daß einmal jemand seine Frau runtergeschubst hat, aber beobachtet wurde und seiner gerechten Strafe nicht entgangen ist. Na ja, Heidi ist ja auch gleich lieber oben geblieben.

Völlig durchgeschwitzt komme ich wieder oben an, im Cafe herrscht gerade Chaos, weil mehrere Busgesellschaften gleichzeitig ultimativ zu zahlen wünschen.

Nach Golling geht es nun schnell hinab, ein paar Regentropfen müssen ausgerechnet bei der Abfahrt fallen. Von Golling bis Hallein ist die Strecke wieder sehr schön durch Wiesen und Wälder mit wenig Verkehr.


Lichterspiel in einem Seitental
Wir können uns nun ausrechnen, daß wir es heute noch bis Freilassing schaffen werden, wo wir dann Quartier für zwei Nächte nehmen könnten und noch einen Tag für Salzburg übrig hätten.

Aber erstmal verfehlen wir den Weg in Hallein und müssen einen Mann nach dem Weg fragen, der gerade seine Hecke schneidet. Er erklärt uns bereitwillig den Weg um mehrere Ecken, wir sind nicht so ganz konzentriert und schauen nur auf eine Raupe, die an seiner Stirn klebt.

Der Weg bis Salzburg zieht sich lang immer am Ufer hin. Wenn man von Hallein bis Tittmonig fährt, hat man etwa 60 km Uferstrecke am Stück. In Salzburg benehmen wir uns etwas dusselig im Feierabendverkehr, das ist auch verständlich nach der langen Verkehrsabstinenz.


Salzburg in der Abendsonne
Nach Feilassing fahren wir daher lieber einen Umweg auf den Uferwegen von Salzach und Saalach. Die Brücke über die Saalach ist hier die Grenze, dann sind wir am Ziel. Nicht nur die längste Etappe liegt hinter uns, sondern die gesamte Radfahrerei. So schön das auch war, jetzt ist man froh. Knapp über 1000 km sind zusammengekommen, ich gratuliere Heidi zu ihrem ersten "Tausi".

Wir kommen im "Weissbräu" unter (mit eigener Brauerei). Das Quartier ist gut, aber Freilassing als Ort ist überaus enttäuschend. Hier muß es tüchtige Stadtplaner geben, denn man hat alles im Stil der deutschen Fußgängerzonenromantik gestaltet. Vielleicht um dem nahen Salzburg und den vielen Kulturgütern aus gestrigen Zeiten etwas Moderne entgegenzusetzen.

Wir erkunden vor dem Essen erst noch die Verhältnisse um den Bahnhof, damit wir am übernächsten Tag bei der Abreise nichts falsch machen. In der Gaststube gibt es auch wieder interessante Beobachtungen. Ein Ungetüm von Gestalt und Leibesumfang ist wohl der Wirt, jedenfalls steht der öfter hinter der Theke. Ein kleines Männchen mit einem weißen Hut auf, setzt sich an mehrer Tische, um nichts zu verpassen. Einmal scheppert es vernehmlich, da ist ihm der Flachmann aus der Tasche gefallen. "Net so arg, war eh nix mehr do" ist seine Raktion. Zur Freude des ganzen Lokals muß er nun seine Scherben selbst aufkehren.

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