Wadde hadde dudde da auf Korfu

13.-27.5. 2000

Vorbedenken

Zugegeben - die Überschrift ist reichlich blöd, aber wenn die ganze deutsche Fernsehnation sich nicht entblödet, sich ein Lied mit einem gleichlautenden Schlagwort für den grossen europäischen Schlagerwettbewerb Grand Prix d‘ Eurovision de la Chanson - oder so - auszusuchen, dann brauchen wir uns auch nicht zu genieren, wenn wir generationsmässig im Dreierpack nach Korfu fahren. Und das kam so: für unsere diesjährige Reise in die Sonne haben wir uns ein kleines Hotel auf Korfu ausgesucht, nachdem die Wahl unter den üppig bebilderten Reisekatalogen mal wieder reichlich schwer fiel, weil die meisten Anlagen - alles inklusive und so - von vornherein unserem Geschmack nicht entsprechen.

Nun - mit dem Hotel Achilles Beach in der Nähe von Benitses an der Ostküste von Korfu klappt alles nach Wunsch, wir sind Frühbucher - bzw. Early Birds auf neudeutsch - und da ist der Preis günstiger. Als Heidi wenig später mit Verena telefoniert, hat sie diese gerade mit einem leichten Depri (auch neudeutsch) erwischt, womöglich zahnt unser Enkel Jonathan gerade oder hat mit Ausdauer andere wichtige Dinge zu bemängeln. Heidi in ihrer spontanen Art hat da nichts anderes zu tun, als sogleich beim Reiseveranstalter (Neckermann, wie immer), ob nicht... und so weiter. Und ob - es gibt noch ein Zimmer, auch einen Platz im Flieger, und ich bin vor vollendete Tatsachen gestellt. "Die beste Idee, die du haben konntest" ist meine Reaktion, wobei es einige Argumente gibt: wir lernen unseren Enkel mal über eine längere Zeit schätzen bzw. er uns, Verena hat sich einen Urlaub nach der nervenden Säuglingsaufzucht verdient und: vielleicht kann ich ja öfter mal mit einem "Rent a Bike" ausbüchsen, ohne die Ehefrau vereinsamt zurück zu lassen, die hat ja dann Gesellschaft.


Hotel Achilles bei Benitses
Jonathan ist zum Zeitpunkt der Reise sechzehneinhalb Monate alt, ob er bis dahin laufen lernt? Natürlich gibt es auch Bedenken: "Wie kann man mit so einem kleinen Kind einen Urlaub am Mittelmeer machen" haben wir auf vergangenen Reisen angesichts genervter Eltern und Kleinkinder des öfteren beanstandet. Was da nicht alles passieren kann: das Kind fällt dauernd in den Pool, dann schreit es und alle Köpfe der Ruhesuchenden schnellen von den Liegen hoch. Womöglich verträgt es das Essen nicht, es gibt keine Babynahrung zu kaufen und man hat dauernd Durchfall? Und steckt alles in den Mund? Wie ist das mit der Hitze, der Sonne, dem hellen Licht - geht das nicht auf die Augen? Ein Sonnenbrand ist doch auch nicht zu vermeiden. Und wenn das Kind im Speiseraum oder in der Nacht schreit, gibt es doch sicher Beschwerden von allen Seiten. Gibt es einen Kinderstuhl zum Essen und ein Kinderbett zum Schlafen? Und schon beim Fliegen, kann das Kind dabei nicht explodieren?

Hinfahrt

Wir stellen uns den Herausforderungen, schliesslich hat Verena eine schicke Sonnenbrille für Jonathan besorgt und ich vier Filme – beides wegen der mediteranen Beleuchtung. Am Samstag, 13.5. ist es endlich soweit: um drei Uhr aufstehen, um vier Uhr abfahren, um fünf Uhr in Hannover ankommen (Annika fährt das Auto zurück), die Prozedur des Eincheckens (Kinderkarre kein Problem). Die Wartezeit bis zum Abflug vergeht wie im Fluge, schliesslich hat Jonathan nun doch noch Laufen gelernt und schwankt und stakst in der Gegend herum, da braucht man sonst keine Abwechslung. Endlich sitzen wir im Flieger, irgend so eine Boeing von Condor und haben zwei Fensterplätze. Wegen meiner geografischen Kenntnisse beanspruche ich einen davon, der andere gehört der Jugend. Leider gibt es keinen Kindersitz, das hätte man anmelden müssen. Aber es gibt genügend freie Plätze, derer sich Jonathan nach Erreichen der Reisehöhe nach und nach bemächtigt. Ich schaue derweil angestrengt aus dem Fenster, wo die niedersächsischen Mittelgebirge gut zu erkennen sind. Wir fliegen über Kassel, dann versperren Wolken die Sicht, und der Kapitän teilt mit, dass wir uns bereits in der Gegend von Dinkelsbühl befinden. So schnell kann das gehen.

Von den Alpen ist leider auch nicht viel zu sehen, meine geografischen Kenntnisse gaukeln mir den Grossglockner vor, wie er da mit seiner Pallavicini-Rinne über die Wolken schaut. Wir fliegen dann wenig später über die ehemalige jugoslawische Küste, wo karge Spielzeuginseln im Meer gelagert sind. Auch die Adriaküste von Italien ist gut zu erkennen. Dann ist es nicht mehr weit - die Uhren werden eine Stunde vorgestellt - und schon befinden wir uns in einer rasanten Schleife über dem nördlichen Teil der Insel Korfu.

Wahrzeichen von Korfu:Vlacherna
Die Landebahn des Flughafens muss von See her angeflogen werden, und da schwebt man in geringer Höhe schon über das "Wahrzeichen" von Korfu, der Mäuseinsel oder Panagia Vlacherna. Durch die Nähe der Landebahn, die man wie eine Rampe in die Lagune gebaut hat, wird der Idylle allerdings Abbruch getan, alles kann man nicht haben. Die Landung geht glatt vonstatten, einige klatschen - wie immer- was wir als "alte Hasen" nicht für nötig halten. Und unser Enkel ist weder ex- noch implodiert, er findet alles prima und erklärt auch dies und jenes Interessante mit aufgewecktem "DahDah".

Alles weitere spielt sich ab wie immer, Gepäckband, Neckerfrau, Transferbus, und kurz hinter Benitses werden wir auf freier Strecke an die Luft gesetzt. "Hotel Achilles" sagt der Busfahrer und weist auf ein Gebäude, damit wir da auch hinfinden. Schnaufend mit dem Gepäck gelingt uns das schliesslich. Rezeption, Zimmerschlüssel in Empfang nehmen, Pässe abgeben, Geld tauschen. Als "Early Birds" bekommen wir auch ein Scheckheft für eine Getränkeermässigung an der Bar und dem Strandrestaurant. Der spannendste Moment am Anfang der Reise ist natürlich das erste Betreten des Zimmers, da wir "Meerblick" gebucht haben, erwartet uns eine geräumige Terrasse nach Osten raus, zu diesem Zeitpunkt noch sonnenüberflutet. Verena und Joni haben leider nur ein Zimmer auf der anderen Seite, wo es zur Strasse raus etwas geräuschvoller zu geht. (Wie wir später erfahren, hätten wir das Zimmer noch tauschen können, aber da waren wir schon zu träge). Aber ein Kinderbett wird sofort von juchzenden Zimmermädchen aufgestellt, Jonathan bekommt seine ersten griechischen Küsschen - viele weitere werden noch folgen...


Badebucht
Nach dem Auspacken der erste Inspektionsgang, und dann findet man - das kennen wir schon, - alles erst mal nicht so toll. Der "Strand" ist nur ein kleiner Kiesstreifen, auf einem Holzpodest aalen sich braune Gestalten, während wir zwar nicht gerade bleichgesichtig (Heidi und Verena haben im Sonnenstudio trainiert, ich auf dem Fahrrad) aber doch mit etwas unsicherem Schritt über Treppen und Plattenwege tasten. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als sich erst mal am Pool niederzulassen, es ist gegen 13 Uhr. Also, wenn man mal genauer hin guckt, dann ist das ja doch ganz schön hier, die Landschaft so drum herum. War es eigentlich woanders schon mal so schön? Eigentlich nicht, also erst mal ins Wasser und abgekühlt, dann gedöst und aufgepasst, dass Joni nicht dauernd in den Pool fällt. Aber so schnell ist er mit seinem schwankenden Seemannsgang noch nicht.

Natürlich wird er vor Müdigkeit irgendwann nölig, und während - wie vorausgesagt - die zuvor noch beifällig lächelnden Poolanlieger ("Wie süss...") aus ihrem Schlummer aufschrecken, verpacken wir das schreiende Kind in die Karre, schieben eine steile Rampe hinauf, vorbei an einer toten Ratte, und suchen uns den Weg zum nahegelegenen Super Market, der sich als niedliches kleines Geschäft entpuppt mit einem noch niedlicheren älteren Inhaber, der sich um jeden unserer Handgriffe bemüht. Beflissen wird schliesslich eine Flasche Wein für die Abendromantik sowie Windeln, Kekse und Mineralwasser eingetütet und wir machen uns mit der griechischen Währung vertraut. Alles mal sechs und durch tausend oder so (1000 Drachmen sind ca. 6 DM).

Unseren Jonathan hat durch die Schaukelei der Schlaf übermannt, so können wir uns wieder an den Pool begeben und die dösenden Herrschaften weiter schlafen lassen. So vergeht der Nachmittag auf das angenehmste, bevor wir uns hinauf begeben um uns auf das Abendessen vorzubereiten (Duschen und After Sun Lotion auftragen, Schickmachen).

Der zweit spannende Moment in einem Urlaub ist das erste Essen. Hier geht das so vor sich: zuerst eine Suppe, die und alle weiteren absolut Klasse sind, dann an das Salatbuffet, das auf die Dauer nicht so viel Abwechslung bietet, dann an das warme Buffet, wo es mal so mal so schmeckt, und schliesslich das Dessert oder Dözert - wie sich das von unserer mit Zahnspangen bewaffneten Bedienung anhört. Das Dözert besteht aus Apfel, Apfelsine, Karamelpudding oder Eis. Jonathan lehnt nichts von allem grundsätzlich ab.

Das heutige erstmalige Abendessen geht dagegen nicht ganz so harmonisch vonstatten. Ein Kinderstühlchen hat man zwar schon bereit gestellt, trotzdem ist unser Jonathan verständlicherweise nach der anstrengenden Anreise nicht in allzu gnädiger Stimmung. Noch bevor Verena als Leidtragende ein Minimum für die eigene Sättigung zu sich nehmen kann, ist der Speisesaal akustisch nicht mehr benutzbar und das sich liebende Kind - Mutterpaar muss eiligst die beruhigende Schlafbehausung aufsuchen. Ich dagegen steigere mein Esstempo, vereinnahme das Dözert, stürze das Bier hinunter und eile hinauf, um meiner Tochter noch ein sättigendes Abendessen zu ermöglichen. Enkel Jonathan hat sich gelegt, und Verena kann ihr Mahl fortsetzen.

Während ich unter leichten Magenkrämpfen wegen des Sturzbieres leide, erhebt sich Enkel Jonathan noch einmal und schaut verwundert in die Welt. Ein erneutes Aufziehen seiner Spieluhr (eine Mondsichel mit Gesicht aus Stoff, was auch tagsüber nicht aus der Hand gegeben wird) tut das Seinige, und der gute Enkel beschliesst den heutigen ereignisreichen Tag in der Horizontalen. Als wenig später Heidi und Verena flüsternd das Kabinett betreten, bin ich ganz stolz ("Wie hast du das denn hingekriegt...").

Feierabend, wir versammeln uns auf unserem geräumigen Balkon, Verena schliesst das Babyphone an - was es heute alles gibt - die Weinflasche wird per Schraubverschluss entkorkt - und wir schauen dem aufgehenden Vollmond entgegen, der auf der See eine schimmernde Bahn wirft. Der Versuch eines Fotos aus freier Hand misslingt: gründlich verwackelt!

Sonntag

Am Morgen ist der übliche Empfang des örtlichen Reisebetreuers, diesmal habe wir es mit einem einheimischen Herrn aus Korfu zu tun. Die Informationen beschränken sich fast ausschliesslich auf die Ausflugsangebote, die nicht so ganz nach unserem Geschmack sind. Zum einen sind sie recht teuer, zum anderen lieben wir mehr das Abenteuer, und das hat man eher, wenn man auf eigene Faust z.B. mit dem Linienbus etwas unternimmt. Jonathan assistiert den Vortragenden, indem er ihm die Aktentasche ausräumt. Das Wörtchen "Nein", das er schon einmal verstand, hat er für diesen Urlaub einfach aus seinem Repertoire gestrichen.

Im Prinzip vergeht der restliche Tag wie der vorige, seit wir am Pool lagen. D.h. wir liegen wieder am Pool. Und da passiert nicht viel, normalerweise. Plötzlich ruft einer: "Ein Chamäleon!" und alle schrecken wieder einmal auf. Da läuft eine ziemlich grosse grasgrüne Eidechse ungeniert an der Einfriedungsmauer entlang, 40 cm samt Schwanz mag sie wohl lang sein. Leider ist sie schon bald wieder entschwunden und ward später nur noch ein einziges Mal gesehen. Die kleineren "normalen" Eidechsen sind zumeist grau mit einem grünblauen Kopf, die huschen überall herum. Eine andere interessante Beobachtung ist eine Schlange im Wasser, die sich in Richtung Ufer schlängelt. Es handelt sich wohl weniger um eine Seeschlange als um einen Fisch, womöglich eine Maränenart. Heidi kommen Bedenken, ob man angesichts solcher Badegefährten wohl das Schwimmen im Meer riskieren könnte.


Passionsblume
Ein Schmetterling gaukelt umher, der sieht einem Schwalbenschwanz ähnlich, ist aber anders gezeichnet. An Vegetation gibt es auch einiges zu sehen, das Grundstück um das Hotel herum ist ziemlich verwildert und hat dadurch seinen eigenen Reiz. Einige schlanke Bäume, sicher Pinien, sind bis oben hin mit einer üppigen Kletterpflanze berankt. Es handelt sich um die Passionsblume, die wir in unseren Breiten nur im Blumentopf kennen. Gegen Mittag öffnen sich die Blüten und bald leuchten viele weisse Sterne aus dem Grün. Die Schönheit der Blüte zeigt sich erst, wenn man sie aus der Nähe betrachtet. Wenn man Glück hat, wird man Zeuge, wie ein Insekt beim Aufnehmen des Nektars mit dem Rücken den gelben Blütenstaub abstreift. Die Vogelwelt besteht aus Spatzen, die sich besonders um unser kleines Krümelmonster scharen, ausserdem Elstern, Distelfinken und Schwalben.

Zur geografischen Lage unseres Hotels ist noch zu bemerken, dass hinter der Küstenstrasse bergwärts sich noch ein paar Anwesen befinden, dahinter sich dann ein gänzlich unzugänglicher Wald den Berg hinauf zieht. Ein richtiger Urwald, in dem es Schlangen geben soll, was stark anzunehmen ist, wie wir sehen werden.

Nachdem also weiter nichts passiert, wird es Verena irgendwann langweilig und sie äussert Bedenken, dass der gesamte Urlaub sich auf diese Weise abspielen könnte. Als es ihr zu viel wird, zieht sie sich mit Jonathan zurück, wohl um alternative Pläne zu schmieden. Wir harren bis zum Verschwinden der Sonne hinter dem Bergkamm aus, und das ist so gegen halb sieben. Dann bleibt einem noch genau eine Stunde Zeit für die After-Sun-Lotion-Time bis zum Abendessen. Zu unserer Erleichterung ist unser Joni heute gnädiger gestimmt, so dass wir das Abendessen geregelt einnehmen können. Verena ist sogar so erleichtert, dass sie im Anschluss mit Joni einen Werf-Hoch-Fang-Auf-Tanz zur Sirtaki-Musik in der Eingangshalle veranstaltet. Vielleicht war sie damit nicht so gut beraten, denn es wird umso schwieriger, den männlichen Part des Duos zum Einschlafen zu animieren.

Beim Wein auf der Terrasse zeigen sich nun auch erste Differenzen ob unseres furiosen Urlaubsbeginns sowie den vielleicht zu oft geäusserten erzieherischen Ratschlägen. Auf diese Weise wird es heute nicht so spät, bis das verbale Hin und Her den Höhepunkt erreicht: "Gibt es unten an der Bar auch Wein?"

Montag, Benitses

Am Montag morgen ist der Reisebetreuer von Neckermann auch wieder anwesend und ich höre im Vorbeigehen mit Jonathan an der Hand eine uns direkt angehende Beschwerde. Ein älterer Herr moniert, er hätte ein "Hotel ohne Baby" gebucht. "Das kann nicht hier sein" antwortet der Reiseleiter. "Dann dürfen die Eltern mit einem Baby nicht in so ein Hotel gehen" – und man würde beim Reiseveranstalter zu Hause Rückerstattungsansprüche geltend machen. "Wir haben keine verkehrte Welt" sagt der Reiseleiter noch, da verschwinden Jonathan und ich beide mit roten Ohren hinter der nächsten Ecke. Weiter haben wir von der Sache nichts gehört, anscheinend sind die Baby-liebenden Herrschaften bald abgereist.

Da das Wetter trübe ist, kann die erste bescheidene Unternehmung gestartet werden, d.h. wir fahren die knapp 2 km nach Benitses mit dem Bus. Dort werden alle einschlägigen Geschäfte nach Babynahrung abgeklappert. Die Firma Nestle liefert derartige Produkte auch bis nach Korfu. Mein Auge wird von jedem "Rent a Bike"-Verleih angezogen. Unter Bike versteht man aber auch einen Motorroller, der wäre hier das ideale Gefährt. Aber es gibt auch anständige Fahrräder zu annehmbaren Preisen.


Benitses

Bougain villaea
Mehr durch Zufall finden wir heraus, dass der Ort Benitses nicht nur aus der Durchgangsstrasse besteht. Es gibt auch ein paar verwinkelte Gässchen, einen Aufgang zur Kirche, viele Blumen. Unter einer üppig blühenden Bougain villaea versammeln sich alle Augenblicke fotografier-freudige Touristen. An der Promenade finden sich ein paar überdachte Freiluftrestaurants. Kaum haben wir uns gesetzt, beginnt es zu regnen und es wird empfindlich kalt. In diesen Breiten ist man meistens dafür nicht richtig angezogen. Wir essen eine Kleinigkeit, dann hört es auch wieder auf mit dem Regen, so dass wir zu Fuss zurück laufen können. Trotz des regen Verkehrs und unübersichtlichen Kurven läuft es sich gar nicht so schlecht. Natürlich muss man sich der Gänsemarschtechnik bedienen: einer läuft mit langem Hals voraus, der mittlere schiebt die Kinderkarre und der letzte sichert das Ganze nach hinten ab. Die Landschaft ist dagegen sehr schön, Olivenhaine und wildromantische Anwesen wechseln sich ab. Kurz vor unserem Hotel mitten in der Gegend noch ein Fahrradverleih, der war mir bisher noch gar nicht aufgefallen.

Nachdem wir uns wieder aufgewärmt haben - wo wohl? - brechen wir am nachmittag noch einmal zu einem weiteren Marsch auf. Wohin? Natürlich in die andere Richtung auf der Küstenstrasse. Da kommen noch weitere Hotels und Geschäfte und schliesslich die Orte Moraitika und Messonghi. Weil der Himmel aber immer schwärzer wird, kehren wir lieber um und der Regen holt uns bald ein. Durchnässt erreichen wir das Hotel, wo wir uns bis zum Abendessen wieder regenerieren - After Sun Lotion ist heute nicht angesagt.

Auch den Abend können wir bei der frischen Luft nicht auf der Terrasse verbringen. Statt dessen unterhalten wir uns lebhaft im Zimmer, was so gegen 23 Uhr durch ein vernehmliches And-die-Wand-Klopfen vom Nachbarzimmer her beschlossen wird. Danach können wir gut schlafen und unser Nachbar hoffentlich auch.

Bei der Gelegenheit sei noch ein seltsames Geräusch zur Debatte gestellt, das besonders in der Nacht während schlafloser Zwischenzeiten Anlass zum Grübeln gibt. Es handelt sich um eine Art Meeresrauschen, unterstützt durch ein leicht brummendes Aggregat. Wenn das leichte Brummen verstummt, verebbt auch das Meeresrauschen. Dann ist es himmlisch ruhig, die See liegt da wie ein Spiegel. So etwa nach einer Viertelstunde setzt das Brummen wieder ein, so auch das Meeresrauschen, die See liegt weiterhin wie ein Spiegel. Bei der Diskussion des Phänomens schwanken wir zwischen einem Meeresrausch-Simulator oder der Umwälzanlage für den Pool.

Dienstag, Fahrt nach Korfu-Stadt

Nachdem wir am Vortag das Busfahren auf kleiner Strecke schon geübt haben, wagen wir uns heute an die Fahrt nach Korfu oder Kerkira, der mit der Insel gleichnamigen Metropole. Die Fahrzeit beträgt knappe 45 Minuten, und beim Aussteigen erlebt man einen kleinen Kulturschock. Hier brodelt der Verkehr, die Ampeln werden kaum beachtet, Mofas und Motorroller umschwärmen einen wie Insekten. Ein grosser Platz namens San Rocco SQR vereinigt so ziemlich den gesamten Verkehr der Stadt Korfu.


Markt in Korfu-Stadt
Als uns Menschen mit grossen Tüten entgegen kommen, folgern wir richtig, dass der Markt nicht weit sein kann. So ist es, im Schatten der Venezianischen Festung befindet sich die Marktstrasse, wo lautstark um die feilgebotene Ware geworben wird. Manche begnadete Markfrauen haben die Qualität einer Kalaschnikoff. Fisch- und Gemüsestände, wir sind noch etwas benommen, erstehen aber bei einem Verkäufer mit leuchtenden braunen Augen eine Schale mit Erdbeeren. Als wir die obere Schicht der Erdbeeren abgegessen haben, zeigen sich einige faule Früchte, die hat man wohl mit Bedacht geschickt plaziert. Aber wir haben ja Urlaub, da ärgert man sich über so was weniger. Ein beflissener älterer Herr im Touristenoutfit lichtet unseren Jonathan mehrmals ab, als ob der hier eine typische Erscheinung wäre.


Aber etwas Ruhe täte gut, vielleicht findet man die in der verwinkelten Altstadt? Zunächst entdecke ich ein Touristenpärchen mit einem Stadtplan nach der Art Bollmann-Plan, da sind Strassen und Häuser filigran eingezeichnet. Es stellt sich heraus, dass es sich um Engländer handelt, also "Where did you get this map?" "At the bookshop over there." Also begeben wir uns zu dem Bookshop over there und erstehen so eine Skymap für 700 Drachmen. Mit der Skymap aus dem Bookshop over there sind wir nun bestens für die weitere Erkundung von Korfu-City gerüstet. Folgerichtig entdecken wir den M.Theotoki SQR mit Town Hall und einladenden Bänken. Hier kann man die Szenerie auf sich wirken lassen, während Jonathan seine kleinen Fingernägel am Taubenkot erprobt. "Nein" und "Bahbah" beantwortet er seinerseits mit "Hah", was sonst heiss bedeutet. Da mag er sogar recht haben, denn die Steinbänke haben sich in der Sonne schon gut aufgeheizt.

M.Theotoki SQR

Nach diesem Stimmungserlebnis begeben wir uns zielbewusst zum Alten Kastell, da kann man - kostenfrei - eine Blick auf die Albaner Berge der gegenüberliegenden Küste werfen. War da im letzten Jahr nicht noch Krieg? Direkt vor uns liegt der Kontra Fossa Kanal, der die Festung von der Stadt trennt, gewiss aus Sicherheitsgründen. So kann man nur über eine einzige Brücke die Festung erreichen. Früher wurde so ein Zugang sicher heiss umkämpft, heute ist da ein Kassenhäuschen, das uns gleichermassen in die Flucht schlägt.

Am alten Kastell

Wir geraten nun in ein treppenreiches Gewirr von Gässchen, da muss die Kinderkarre teilweise hinauf und hinunter gewuchtet werden, Touristen sieht man hier ausser uns weniger. Hier herrschen einfache Wohnquartiere vor, jede Ecke bietet ein kleines Idyll. Trotzdem sind wir froh, als wir an einer Strasse oberhalb des Hafens herauskommen.


Am Hafen
Im Hafen liegen einige schicke Kreuzfahrtschiffe vor Anker, die haben ihre Gäste wohl gerade zum Souvernierkaufen an Land gelassen. Wir suchen eine Taverne und finden die Citadelle. Hier trinken wir einen griechischen Kaffee wieder im Schatten der Venezianischen Festung. Nebenan buddelt ein Hund in einem Blumenbeet, bis ein Angestellter mit einer Schaufel kommt und wieder Ordnung macht. Nun haben wir uns ausreichend entspannt, der Eindrücke sind reichlich und wir sehnen uns nach der Ruhe am Pool. Vor den Lohn haben die Götter den Schweiss gesetzt, wir müssen uns zunächst wieder durch das Verkehrsgequirrle bis zur Busstation durchkämpfen, dort im Gewühle anstehen, um dann doch keinen Sitzplatz zu ergattern. Heidi legt sich mit einem jüngeren Mann an, der nicht bereit ist, seinen Platz für Mutter und Kind preiszugeben. Er hätte ja 20 Minuten dafür angestanden. Stattdessen bauen wir die Kinderkarre auf der hinteren Busplattform auf und können Joni artgerecht versorgen.

Über den Rest des Tages ist nichts weiter zu berichten. Ach ja, da fuhr wieder ein Lautsprecherwagen vorbei, diesmal mit Pflanzen- und Grünzeug beladen. Jeder, der vorbei fährt, drückt auf die Hupe. Des Rätsels Lösung: ein Topf mit einem mittelgrossen Baum darin ist von der hinteren Ladefläche gekippt und schleift nun auf der Strasse hinterher.

Mittwoch

Bei bestem Wetter wird der Tag verfaulenzt,. Verena und Jonathan haben nun auch das Meer entdeckt, indem Jonathan mit Lust im Wasser planscht und mit Steinchen manipuliert. Hinterher muss er natürlich auch noch im Pool "schwimmen", damit das Salzwasser abgeht. Das ist genauso toll. "Hast Du Bade Bade macht?" meint eine Dame, da hören wir lieber weg, so redet man doch nicht mit einem Kind. Als Joni wenig später aber doch – wohl aus einem anderen Grunde – unwirsch wird, meint eine Dame (aus Dresden), Joni hätte vielleicht die Wasserschneide. Wir gucken ratlos – nie davon gehört. Ja das hätten vornehmlich kleine Jungs nach dem Baden in kaltem Wasser, die könnten dann kein Wasser lassen. Auf Sächsisch heisst das "Pullorn". Jonis Windel beweist das Gegenteil.

Zwischendurch müssen wir natürlich auch mal zu unserem netten Supermarkt. Dabei sind wir so in das Gespräch vertieft, dass wir einen anderen Aufgang erwischen. Auf einem steilen Weg durch einen Olivenhain erreicht man ein Anwesen, wo sogleich zwei protestierende Hunde herbei stürzen. Heidi erstarrt zur Salzsäule, obwohl es sich um zwei nette kleine Kerlchen handelt. Ein Mädchen eilt herbei und führt die Hunde weg, was Heidi wieder aus ihrer Erstarrung erlöst. "Die waren doch gar nicht gefährlich" sage ich, was aber auf kein Verständnis stösst. So sind wir naturgemäss schnell wieder unten an der Strasse und machen unsere Einkäufe.

Weil das Wetter heute so schön ist, sitzen wir am Abend wohl etwas länger auf der Terrasse und schauen abwechselnd in den Sternenhimmel oder in das Weinglas. Da unser Küstenstrich unmittelbar unter dem Landeanflug des Flughafens liegt, gibt es auch hin und wieder ein voll erleuchtetes Flugzeug zu bewundern, das in geringer Höhe vorüber schwebt. Und eines – sehen wir recht – saust plötzlich senkrecht nach unten? Aber es gibt keinen Knall, denn es hat sich wohl um ein oder mehrere Glühwürmchen gehandelt!

Natürlich geht so ein lauschiger Abend nicht ganz ohne Unterhaltung, die angesichts der vorgerückten Stunde weitgehend flüsternd geführt wird. Dennoch vernehmen wir so gegen Mitternacht ein protestierendes Knallen, das ist die Schiebetür der "schönen Nachbarin". Das ist ein etwas sonderbares Wesen, die den ganzen Tag auf einem Motorroller herumknattert und dabei auch schon mal einen Jeepfahrer namens Helmut kennengelernt hat, wie sie jedermann erzählt. Verena und Joni wollte sie auch einmal mit ihrem Roller mitnehmen, aber das haben wir lieber gelassen. Morgens macht sie immer Joga, da sieht man dann schon mal durch eine Balkonritze eine Hand auf der Erde liegen oder ein Bein sich durch die Luft schwingen. Zum Lesen hat sie sich "Wüstenfuchs" vorgenommen – ein herrliches Buch! "Ist das was mit Rommel" haben wir gefragt. "Nein, so etwas mit Beschneidungen von Frauen". Ach so: Wüstenblume von Waris Dirie.

Das Knallen der Balkontür nehmen wir zum Anlass, auch endlich zu Bett zu gehen.


Fahrt nach Lefkimmi
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