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Montag: Die Wasserleitung

Um diese Jahreszeit herrscht z.Zt. jeden Tag ein anderes Wetter – das sagte ich schon. Heute ist wieder ein schöner Tag dran. Nicht so warm und ideal zum Wandern. Diese "Höhenlinien-Wasserleitung" ist noch eine verlockende Tour. Man muss eine viertel Stunde bergan steigen, und ab da geht es neben einer betonierten Rinne immer eben am Hang entlang. Neben der schönen Aussicht sind es die Blumen und Tiere, die einen erfreuen. Ein kleiner Vogel ist keiner, sondern eine fliegende Heuschrecke. Stieglitze zirpen durch die Luft, Libellen auch, oder Haubenlerchen, eine grüne Eidechse huscht über den Weg. Hin und wieder steht ein Esel herum und guckt so dumm wie wir. Das Ehepaar aus Göttingen überholt uns irgendwann langsam tuckernd auf einem betagten Motorroller. Man winkt sich zu. Wir geraten an zwei Kapellen, eine alt und eine neu, so steht es auch in der Wegbeschreibung. Die alte Kapelle lässt sich fotografieren.

Im weiteren Verlauf unterhalb des Dorfes Mariou wird der Weg weniger schön. Man planiert neue Hangterrassen für Neuanpflanzungen von Olivenhainen. Anscheinend lohnt sich das immer noch, obwohl wir im Vorjahr auf Korfu das Gegenteil gehört haben. Die Ernte der Oliven mit Hilfe von schwarzen Netzen, die unter der Baumkrone ausgelegt werden, ist sehr arbeitsintensiv. Und bis ein frisch gepflanzter Olivenbaum trägt, vergehen einige Jahre. Auf den aufgeschobenen rohen Flächen blüht üppig der gelbe Mohn – eine Pionierpflanze.

Wir steigen hinab in das Dorf Lefkoyia, wo man sich vor einer Taverne praktisch auf die Straße setzt. Wir werden bei einem griechischen Kaffee Zeuge, wie hier der Briefkasten geleert wird. Alle heraus quellenden Ansichtskarten werden erst einmal der Betreiberin der Taverne zur Inspektion vorgelegt. Da nimmt man das mit dem Postgeheimnis nicht so genau. Wozu auch? Wir machen noch einen kleinen Rundgang durch ein paar verwinkelte Dorfgässchen und trippeln dann auf der Landstraße heimwärts. An einer üppigen Gruppe von Agaven kann Heidi ein paar Ableger ausbuddeln, das kann sie ja nicht lassen.

Um nicht nur Landstraße zu laufen, machen wir einen Umweg über die Damnoni Bucht, dort kann man bei der Gelegenheit gleich mal die Hapimag-Anlage inspizieren. Da hat man die ganze Bucht zu gepflastert mit mehreren Gebäudereihen, das ganze eingezäunt. Vom Strand her gelangt man an den Pool, wo es bequeme Liegen, Schatten und windgeschützte Ecken gibt. Das kann man sich ja schon mal merken. Heute ist so um die Windstärke 6, die See rollt in hohen Wellen und Schaumkronen heran, und das Hapimag-Wassersportzentrum meldet: "Heute kein Wasserki!". Außerhalb der Hapimag-Anlage finden wir in einem Rinnsal Unmengen von Kaulquappen. Das Rinnsal entstammt einem undichten Bewässerungsschlauch, damit ist die Lebensdauer des Rinnsals - und damit die der Kaulquappen auch – ungewiss.

Dienstag: Die verbotene Bucht


Damnoni Bucht
Wir folgen der Idee von gestern und suchen heute die Damnoni Bucht zum Baden auf. Dazu muss man einen weiteren Weg in Kauf nehmen, so etwa eine halbe Stunde. An der Bucht finden wir eine Art Felsenzimmer vor. Das ist fast kreisrund von Felsen umstanden, es gibt nur einen 5m breiten Zugang vom Strand. Hier drin ist es einigermaßen windgeschützt. Liege und Sonnenschirm werden für Nicht–Gäste von Hapimag für 2000 Drm vermietet. Es kommt aber keiner zum kassieren oder kontrollieren, und wir versuchen auch, uns unauffällig anzupassen.. Wie üblich breche ich bald zu meinem Erkundungsgang auf. Es gibt noch zwei weitere benachbarte Buchten, Amoudi und Skineria. Zur Amoudi führt ein Fahrweg durch die Klippen. Davor liegt eine kleine Felsenbucht für die Nacktbader. Die liegen da Po an Po wie die Sardinen, wegen des Windes dicht an die Felsen gedrängt. Die Amoudi Bucht bietet weiter nichts, sie sieht aus wie ein großer Parkplatz, und das ist sie vielleicht auch in der Hauptsaison.

Als Wolken aufkommen "überwintern" wir im Hapimag Cafe. Wir werden etwas albern. Als der Kaffe kommt und die Zuckertütchen schön mit dem Hapimag-Emblem bedruckt sind, könnte man doch auf den Dreh kommen, sich diese Zuckertütchen an das Revers zu stecken und so zu tun, als sei man eine offizielle Charge oder gar Animateur? Oder man besorgt sich so einen grünen Einkaufskorb, den die Leute alle für ihre Klamotten haben, dann wäre man doch auch fein raus? Es bleibt bei der Theorie. Derweil schwärmt eine Dame am Nebentisch von der tollen Aussicht mit den gelbblauen Schirmen. Bald wird das Wetter noch mal schön und wir machen uns auf den bequem gepolsterten Liegen am Pool breit. Auch ein paar andere Gäste unseres Hotels erspähen wir, die sich hier eingenistet haben. Aber irgendwie muss die Verschandelung dieser Bucht ja auch bestraft werden.

Am Abend liegen dunkle Wolken über den Bergen, wieder kann man über das Wetter am nächsten Tag nichts sagen. Die Großwetterlage ist laut Tagesschau eigentlich ganz günstig, aber Kreta hat wohl seine eigenen Wettergesetze.

Mittwoch: Der Hippie-Strand

Zufällig habe ich heute Geburtstag, was soll man machen. Socken, Bücher, Unterwäsche heißt bei uns die Formel. Wir sind noch etwas unentschlossen, was wir heute machen sollen, irgend etwas mit Preveli vielleicht? Der Krankenpfleger kommt mit der Nachricht daher, es führe ein Bus um 9.30 Uhr. Aber da hat er etwas verwechselt, der fährt eigentlich nach Spilli. Bzw. fährt er mangels Gästen dann überhaupt nicht. Aber da sitzen wir schon im Taxi nach Lefkoyia. Der Krankenpfleger hat schließlich den Linienbus um 10.45 Uhr genommen, ist nach Preveli gefahren und zurück gelaufen. Unterwegs hat er etwas gegessen. 2 Tage später hat er den Heimflug angetreten wegen Unwohlseins und Durchfall. Diese Geschichte erzähle ich nicht ohne Grund vorneweg.

Sitzen wir immer noch im Taxi? Ach ja, aber in Levkoyia treten wir den Marsch zum Kloster Preveli an. Dazu steigt man die Straße zu dem Dorf Gianniou hinauf. Unterwegs an einem etwas verwahrlosten Gelände hat man zwei Ziegenschädel an einen Baum genagelt, wahrscheinlich gegen böse Geister. Das Dorf voraus ist ein winziges Bergnest und es ist kaum zu glauben, dass es im Krieg durch die Deutschen mit Stukas bombardiert worden ist. Besonders das Kloster Preveli war ein Widerstandsnest, von wo aus man den Rückzug der Aliierten unterstützt hat. Da hat man dann die Leute dieser Gegend die Vergeltungsaktionen spüren lassen.

Als wir das Dorf erreichen, haben wir Durst. Und da stehen wie gerufen auch schon zwei Stühle und ein Tisch vor einer offenen Tür. Dahinter sitzen zwei alte Männer dösend vor dem laufenden Fernseher. Der eine hat ein Tuch um den Kopf, als wenn er Zahnschmerzen hätte. Obwohl er gar keine Zähne mehr zu haben scheint... Als ich eintrete, klatschen sie in die Hände, die Wirtin soll kommen. Die wurstelt in den angrenzenden Wohngemächern herum. Ich darf mir zwei Cola aus dem Kühlschrank nehmen, das Geld lege ich Münze um Münze auf den Tisch, bis es genug ist. So erspart man sich das Aufschreiben oder auf Englisch zu zählen. Dann wird mir ein Raki eingegossen und ein undefinierbares Stück Gemüse zum Aufkauen überreicht. Ob ich im weiteren Leben noch erfahren werde, was ich da gegessen habe? Heidi will nichts abhaben, die neigt bei solchen Gelegenheiten zu "Griewen" (Lippenausschlag bei ekeligen Sachen). Dabei schmeckt das zwiebelartige Teil gar nicht so schlecht.

Wir haben eine phantastische Aussicht von unserem Platz, sowohl in die Ferne auf die Berge als auch auf die Dorfstraße vor uns, wo sich die ausschließlich betagten Dorfbewohner gemächlich voran bewegen. Dann taucht ein Lieferwagen mit Lautsprecher und voller Apfelsinen auf. Eine Tüte kann er verkaufen, dafür ist er extra hier herauf gekommen. Wir marschieren weiter, schauen noch (ungewollt) einer Frau in die Wohnstube, die sitzt vor einem brennenden Kamin an diesem sonnigen Morgen. Am Dorfausgang befindet sich auch hier eine Einrichtung zum Wäsche waschen. Hier hat der Orangenfahrer gewendet, und da er sich gerade eine Orange geschält hat, kriegen wir die Hälfte ab. So ist das hier.

Freudig gestimmt stapfen wir den Weg hinauf. Am Gegenhang werkelt eine Planierraupe herum, es bleibt unklar, zu welchem Zweck. Der Weg wird dann trotz der schönen Aussicht langweiliger, die Vegetation an der Südküste spärlicher. In weiten Zickzack-Windungen ist man dann am Kloster Preveli und damit wieder unter Menschen. Einige Busse stehen auf dem riesigen Parkplatz und Kindergeschrei ertönt aus allen Richtungen. Vor dem Kloster befindet sich ein Brunnen mit einer Gedenktafel. Der ist einem Herrn namens Geoffrey Edwards gewidmet bzw. der hat den gestiftet. Es gibt dann auch eine "Goffrey Edwards Story" die von einem australischen Soldaten handelt, der in Deutsche Gefangenschaft geriet, fliehen uds sich mit Hilfe der kretischen Einwohner und besonders der Mönche von Preveli zu den eigenen Verbänden durchschlagen konnte. Man findet die Geschichte bei: http://w ww.explorecrete.com/preveli/story.html.


Kloster Preveli

Preveli Wohngebäude

Aber erst muss man einmal Eintrittskarten lösen und, falls die Damenbeine zu bloß erscheinen, eine Art Türkenrock aus einem Korb überstreifen. Dann betritt man das heilige Gelände, in der Mitte die Kapelle und rings herum die Wohngebäude der Mönche. Unterhalb einer Mauer steht ein großer Baum (Ahorn?), dessen Stämme bilden eine Verzweigung die etwas weiter als Armlänge entfernt ist. Sonst würden die vielen Münzen in der Mulde zwischen den Stämmen wohl nicht alle an ihrem Platz bleiben. So aber kann man ein kleines Zielwerfen veranstalten, in der Hoffnung einen seelig machenden Vorteil davon zu tragen – oder so was. Wir betreten die Kapelle, die reich mit Ikonen und Heiligenbildern verziert ist. In einer Seitenbank sitzt doch tatsächlich ein leibhaftiger Mönch mit schwarzem Rauschebart in sein Brevier vertieft. Ob der zur Dekoration dazu gehört? Ausgestopft ist er nicht, weil er sich manchmal bewegt.

Außerdem gibt es ein Museum, das altes Messgeschirr, weitere Ikonen und käuflich erwerbbare Nachbildungen enthält. Als das Kindergeschrei uns einzuholen droht, streben wir dem Ausgang zu, nicht ohne den Türkenrock wieder abzuliefern. Wir machen uns auf den Marsch zur Preveli Bucht oder moderner "Palm Beach", was man auch gesehen haben muss. Es soll einer der lieblichsten Plätze von ganz Kreta sein, so ist zu lesen. Dazu geht es ein Stück die Straße entlang und dann rechts hinunter zu einem Parkplatz. Der ist noch riesiger als der des Klosters, weitere Flächen werden gerade planiert. Den Abstieg zur Bucht hat man solide angelegt, das ist im Grunde eine steil hinab führende Treppe. Allerdings etwas luftig, besonders für unsere "Vertigo Sufferers". Heidi verzichtet folgerichtig auch darauf, eine Aussichtskanzel aufzusuchen, von wo aus man einen schönen Blick in die Bucht hinunter hat. Ich bin froh, als ich sie endlich soweit runter gelotst habe, obwohl gerade die letzte Ecke nur über ein schmales Felsband führt. Leider können wir uns nicht anseilen, da hätten die anderen Wanderer ihr Gaudi gehabt.


Bucht von Preveli

Eigentlich ist man etwas enttäuscht, wenn man in dieser Bucht ein abgelegenes verwunschenes Paradies erwartet hat. Die Bucht ist zwar nur zu Fuß oder mit dem Boot zu erreichen, aber es gibt Sonnenliegen und –schirme sowie Tretboote für die Lagune. Diese wird gebildet durch die Mündung des Megapotamos Flusses, der weiter oben die Kourtalitotis Schlucht bildet. Die türkisblaue Lagune ist von den einheimischen Kretapalmen umstanden, alles eingebettet in die steilen Felswände der unteren Schlucht. Das hat schon was, nur dass in der Hauptsaison hier ein ziemliches Gedränge herrschen soll. Im Moment ist es noch erträglich.


Palmenlagune

Badeplatz

Um auf den Hauptstrand zu gelangen, muss man den Fluss durchwaten, aber der ist noch nicht einmal knietief und durch die Lagune gut aufgewärmt. Und am Ende des Strandes steht dieser sonderbare Stein im Meer, den man aus manchem Kreta-Prospekt kennt. Genau an dem Stein finden wir ein Badeplätzchen. Da liegen wir ja ganz exklusiv! Und trotz der anfänglichen Enttäuschung und Heidis Abstiegsängsten wird es ein wunderschöner Badetag.

Meine Erkundung führt zunächst zu der Bucht nebenan, die heißt Dimiskianos und ist von Land aus über einen Fahrweg mit dem Auto zu erreichen. Da ist es lange nicht so idyllisch. Auf dem Rückweg begebe ich mich flussaufwärts in den Palmendschungel, das ist schon beeindruckend. In den verfilzten Palmenwedeln befinden sich zuweilen regelrechte Wohnhöhlen, früher sollen hier Hippies bzw. Blumenkinder gehaust haben. Diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen gibt es eine urige Taverne, wo wir einen greek coffee zu uns nehmen. Der Betreiber dieser Bude zaubert erstaunliche Salate und Gerichte aus dem Finstern seiner Behausung. Die Vorräte hat er in einem Nebenschuppen gelagert, dessen Tür aus Bambus gefertigt, aber durch eine schwere Kette und ein Vorhängeschloss gesichert ist.

Am Strand fällt uns eine dicke Dame auf - "dick" ist gar kein Ausdruck -, die sich mit ihrem dürren Gatten zum Aufstieg rüstet. Das dauert eine Weile, bis sie Füße und Schuhe einigermaßen vom Sand befreit hat, bis es endlich losgeht. Wir sind gespannt, wie sie diesen steilen Pfad bewältigen mag. Und wir trauen unseren Augen nicht, nicht gerade wie ein Reh, eher wie ein Elefant stapft sie hinan - immer hart an der Kante - und ist schon bald hoch oben am Hang zu sehen. Dann werden wir ja wohl auch heil hier rauskommen!

Wir müssen rechtzeitig aufbrechen, weil wir den Bus von Preveli nach Plakias um 17.15 Uhr nehmen wollen. Nach vielem Verpusten sind wir oben und müssen dann doch noch bald eine Stunde auf den Bus warten. In der Zeit hätte man auch noch hinunter zu den Ruinen des Vorklosters und der alten Brücke wandern können, aber das weiß man immer erst hinterher.

Im Bus werkelt der selbe Schaffner wie auf der Fahrt nach Rethimnon. Wenn er einem zu nahe kommt bzw. der Nase, weiß man, woher er seine dicken Augen hat. Wir hoffen nur, dass der Busfahrer sich nicht in dem gleichen Zustand befindet, aber das ist wohl nicht der Fall.


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