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Freitag, 5.5.

Nun haben wir am Vortag einen Tip bekommen, in der Cala Fornells soll man herrlich baden können. Der Hauptstrand von Paguera ist mit den kreischenden Flexmaschinen und dem Dröhnen der Kompressoren ja weiterhin ungenießbar. Nur eine halbe Stunde läuft man zu Fuß, dann findet man sich inmitten von Felsen wieder, ein schmaler Streifen Strand führt zum Wasser. Das ist noch einigermaßen kühl, immer wieder hören wir Abwandlungen des Spruches "Zum Reingehen muß man sich überwinden, aber dann ist es herrlich". Oder: "Am Anfang ist es kalt,aber dann merkt man gar nichts mehr". Oder: "Man muß sich nur bewegen, dann geht's". Irgendwann probieren wir das auch mal aus, denn wir sitzen unterhalb einer Mauer ohne jeden Schatten.


Badebucht am Hotel Coronado
Im Gegensatz zu einem normalen Badestrand gibt es hier einiges zu beobachten. Verschiedene Fischschwärme kommen gern ins flache Wasser, wo man sie sogar mit Brot füttern kann. Kleine bis daumengroße Krebse wagen sich zuweilen aus ihren Felslöchern und bewegen sich seitwärts durch die Gegend. Die Steine im Wasser sind reichhaltig bewachsen. "Woll'n Sie ein paar Wasserpilze?" fragen uns zwei Jungs. "Haben gerade keinen Hunger" wird geantwortet.

Mit dem Schwimmen muß man sich so langsam vortasten, Heidi schwimmt kleinere Runden, ich schwimme schon mal um einen Felsvorsprung herum in die eigentliche Cala Fornells. Dort fahren sogar die Boote der Rundfahrten hinein, und man hört über den Lautsprecher die begeisterten Ausrufe "Looki, looki, Romantico!!".

Am frühen Nachmittag reicht uns die gnadenlose Sonne und wir dackeln zurück zum Pool, wo es sich unter den Palmen bei einem Kaffee und dem vom Frühstück abgezweigten Kuchen wohlsein läßt. Man erfährt nun auch wieder manches Wissenswerte. So sei beim Frühstück einer der Bobfahrer, es ist der Trainer, mit Halloh begrüßt worden: "Mann, siehst Du heute entspannt aus!". Da muß man sich erstmal einen Reim drauf machen. Abends an der Bar klärt sich das dann auch weiter auf, Knie an Knie sitzen der Trainer und die weiße, kosmetische Dame. Sicher wissen sie sich viel über ihr beiderseits kurvenreiches Leben zu erzählen.

Heidi und ich betätigen uns heute als "Hoteltester" und machen nach dem Essen einen Rundgang durch Hotels mit den klangvollen Namen Palmira Beach, Beverley Playa oder Villamil (vier Sterne). Vor allem interessieren uns die "Anlagen", das sind die Pooleinrichtungen. Wir kommen überein, daß "unser" Palmengarten doch bei weitem am schönsten ist. Außerdem summt es in diesen Mammuthotels wie in einem Bienenschwarm, da geht es im Palmira schon beschaulicher zu. Am Beverley befindet sich allerdings auch eine Kunstrasenanlage mit Golflöchern zum Üben des "Einputten", das haben wir wieder nicht aufzuweisen. Von umgitterten Tennisplätzen auf den Dächern der Gebäude gar nicht zu reden.

Im Beverley beobachten wir auch einen zwar ergrauten aber durchgestylten Radfahrer, der auf seinen Pedalplatten unter den Schuhen über den Marmorfußboden klappert. Der Portier an der Rezeption ruft ihm anerkennend zu "Endurain, Endurain". Das ist das spanische Nationalidol, hat viermal die Tour de France gewonnen. "Reicht schon!" ruft der Radfahrer lässig abwinkend zurück. Es wäre ja mal interessant zu wissen, was die so am Tag abbolzen. Von Radio Christine weiß ich nur, daß die Bobfahrer an einem Tag schon mal nach Soller kurbeln, dann mit dem Schiff zur Calobra, dort 1000 Höhenmeter hinauf und dann wieder zurück nach Paguera. Da bin ich mit meiner 70 km Tour nur ein kleines Licht.

Auf dem Rückweg philosophieren Heidi und ich, wie man sich hier eine Existenz aufbauen könnte - rein theoretisch. Heidi macht eine Schmuck-Boutique auf, und ich setze mich auf einen geeigneten Dachgarten in der Siedlung von Cala Fornells und schreibe ein Buch: "Das andere Mallorca" oder so. Meine momentanen Tagebuchaufzeichnungen geben ja nur her: "Mallorca, wie es jeder kennt". Auf dem Phantasie-Dachgarten sitzt aber schon der besagte Herbert Heinrich und beschreibt, was er von da oben alles zu sehen kriegt. An der Rezeption eines der eben getesteten Hotels kann ich kurz ein derartiges Kapitel überfliegen: Bei Sturm schlagen die Brecher über die vorgelagerten Malgrat Inseln, eine Windhose treibt ihr Unwesen, ein Schiff brennt in der Bucht von Paguera oder ein Hubschrauber landet auf einer Luxusyacht. Das ist dann der Kashoggi. Sowas sieht man alles von einer geeigneten Dachterrasse. Wir haben ja - zunächst - nur unseren Balkon, unter dem die sattgefutterten Touristen zähnezutschend den Abendspaziergang absolvieren.

Heute kriegen wir aber auch noch den "Uhrenneger" zu Gesicht, wie er sich wiegenden Schrittes, einen aufgeklappten Koffer mit Rolex-Derivaten in der Armbeuge, auf seinen Beutegang begibt. Das ist auch nicht schlecht, so aus der Vogelperspektive, das Glas mit Mallorcawein aus dem Supermarkt immer in Reichweite.

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