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Mallorca im November
17.11.-1.12.2002

Sonntag

Warum fahren wir diesmal ausgerechnet im November nach Mallorca? Die Antwort darauf ist eine längere Geschichte für sich. Vielleicht kann man sie mal aufschreiben, wenn man etwas mehr Abstand hat. Jedenfalls mussten wir uns von unserem kleinen Hund Lotta trennen und das hat uns sehr sehr weh getan.

Um auf andere Gedanken zu kommen hilft am besten der Weg ins Reisebüro, was Heidi auch prompt erledigt. Da gibt es gar nichts zu diskutieren: 399 EURos für zwei Wochen Paguera Hotel San Valentin. So preiswert sind wir noch nie gereist. Mittwochs gebucht, Sonntags geflogen, schneller geht es auch kaum.

Vor sieben Uhr in der Frühe hängen wir schon auf dem Flughafen herum, nachdem Annika uns hingebracht hat. Die üblichen Eindrücke, ein biertrinkender Ekelmann, der eine Frau mit Baby mit krächzender Stimme anpöbelt: er sei Vielflieger oder so was. Antwort: „Bitte lassen sie mich in Ruhe, das interessiert mich nicht im geringsten“. Das hilft. Darauf zum Baby (höchstens drei Monate alt): „Was wir wohl erst für Vielflieger sind, tututu“. So vergeht die Zeit, bis wir im Flugzeug sitzen.

Alpenkämme, Rhone Delta und Pyrenäen, dann schon längs der Nordküste von Mallorca. „Eindeutig Andraitx“ sage ich als Kenner, aber es ist wohl eher Pollenca. Die Landung klappt dann auch noch und wir sind da. Das heißt in dem neuen Flughafengebäude von Palma ist man noch lange nicht da, nachdem man angekommen ist. Einen langen Gang lang, 90º  Knick, der nächste lange Gang, Knick, das wiederholt sich drei mal, beihnahe wäre man erfolgreich im Kreis gelaufen. Wenn einen die Beine nicht mehr tragen, kann man sich auch auf ein Rollband bis zum Horizont stellen. Schließlich landet man in einer Halle, in der mittels Pappkulissen eine alte spanische rustikale Ortsatmosphäre herauf beschworen wird. "ist denn schon wieder Weihnachten?"...

Wir holen das Gepäck vom Band und lassen uns zu dem richtigen Bus einweisen, schon sind wir mit 6 weiteren Gästen auf dem Weg nach Paguera. Über die Umgehungsstraße mit Tunnel geht es erst nach Camp de Mar (18 Loch Golfplatz, sehr schwierig). Da steigen die ersten aus, was immer die da wollen – dann sind wir schon dran. Unser Hotel heisst eigentlich gar nicht San Valentin sondern Valentin Paguera und das alte Hotel Paguera heißt jetzt Valentin Park. Das ist alles in einem Konzern aufgegangen, nicht nur die Zeiten ändern sich, sondern auch die Immobilien. Das alte Hotel, wo wir unseren ersten Urlaub hier verlebten, ist kaum wieder zu erkennen. Alles sehr großzügig erweitert, leider ist nur der Spatzenbaum weg. Bei aller Großzügigkeit ist das Hotel jetzt geschlossen.

An der Strandpromenade hat sich auch einiges getan. 1995 wurde sie ja schon eröffnet, inzwischen sind die Palmen angewachsen, eine ist auch wieder abgebrochen. Es bummelt sich gut da, und das werden wir von nun an auch jeden Abend tun, damit die Zeit bis zum Abendbuffet besser rum geht. Für heute aber müssen wir zu Mittag etwas essen und setzen uns am "Boulevard" nieder im "Cafe Epia Sta. Margarita", da scheint so schön die Sonne. Obwohl wir auf Salat verzichten, wird darauf bestanden, uns Ai-Oli zu servieren, das ist dann eine Mayonaisecreme mit Brot. Lecker. Die Schweinelendchen sind auch lecker. Das teuerste ist die Cola.

(Eigentlich wollten wir bei Bernis essen, von dem hatte ich mal eine Email, weil wir solche Lokalmuffel sind. Leider finden wir das Restaurant nicht. Erst drei Tage später in der Eukalyptus Straße, nachdem wir zehnmal daran vorbei gelaufen sind. Aber der hat auch zu. )

Am Nachmittag kann man sich sogar an den Pool setzen, wo man es bis 16 Uhr aushält, wenn man nicht zu verfroren ist. Danach muss man sich aufwärmen.

Wir haben mal wieder ein Problem: ein Hühnerauge. Längere Spaziergänge unmöglich. Heute am Sonntag kann man da nicht direkt etwas machen, nur ein paar Lederpuschen mit fester Sohle erwerben.

Ab 19 Uhr können wir dann endlich das Abendbuffet aufsuchen. Wir werden an Tisch 60 eingewiesen, und sitzen mit einem Ehepaar zusammen, kommen aber zunächst nicht so recht ins Gespräch. Irgendwann heißt es dann "Weimar" und "Aha, Zwiebelmarkt" - dann ist das Eis gebrochen. Das Buffet ist übrigens ausgezeichnet, das hatten wir bisher noch nie so gut angetroffen. Die Suppen allerdings klingen zwar vielversprechend, sehen aber nicht so aus. Besonders die graue Fischsuppe! Aber der Nachtisch: Obst, Pudding und Eis, möglichst alles mit Sahne. Unsere Tischgenossen suchen lieber das Weite, wie ich mit diesen Bergen herum hantiere.

Leider haben wir Fernsehen auf dem Zimmer, da lässt Heidi sich Tatort und Barbara Wood nicht nehmen. Man kann aber auch auf dem Balkon lesen, so warm ist es immerhin. Das Licht ist dort immer an, bis Mitternacht, und am Gebäude der Bar rauscht ein Agregat, das wird nicht abgeschaltet. Wenn man die Balkontür zu macht, hört man davon nichts. Dafür wacht man dann irgenwann in der Nacht auf und kriegt keine Luft mehr. Dann lieber das Rauschen von draußen, man gewöhnt sich an alles.

Montag

Weil beim Abendbuffet einige komisch auf die ledernen Puschen geguckt haben, erwerben wir heute lieber gleich ein paar praktische Goldtrittchen, bei denen die Riemchen haarscharf am Hühnerauge vorbei laufen. In Paguera gibt es ein Ärztezentrum, da ist auch eine Abteilung für Fußmedizin zuständig. Einen Termin gibt es aber erst für Dienstag. Also heute noch nicht auf den Galatzo! Dafür gehen wir zur Abteilung Hapimag, ob die noch den Wanderführer haben? Ja, haben sie, neu aufgelgt und wieder für die beschriebenen Wanderungen weitgehend unbrauchbar. Trotzdem erwerben wir ihn - "Gleich auf Rechnung?" werden wir gefragt. Da sticht einen der Hafer, aber lieber nicht, nachher muss man eine Gästenummer oder Appartements-Identifikation oder sowas offenbaren.

Trotzdem gehen wir auf dem Rückweg durch das ein oder andere Hotel (Milamil, Beverly Playa, Palmira Cormoran...), "Haben sie einen Prospekt des Hauses?" oder "Was sagt der Wetterbericht?" - so kann man sich einigermaßen durchschlagen.

Der Nachmittag vergeht mit Nichtstun, ein bisschen Bibbern am Pool oder auf dem Balkon...

Dienstag

11.15 Uhr ist Hühneraugentermin. Soll eine halbe Stunde dauern, solange setze ich mich an den Strand und schaue blinzelnd Surfern zu oder einem Vater, der sich mit seinem Baby herum schlägt. Dann kommt Heidi im Pas de Deux daher.

Also inspizieren wir Cala Fornells, immer wieder anheimelnd mit seiner verschachtelten Architektur. Leider hat man am Ende der Bucht mit einer wüsten Bauerei begonnen, und das ist keine künstlerische Architektur mehr. Warum lernt man nicht mal aus einem gelungenen Projekt? Vielleicht, weil es zu teuer ist?

Der schmale Sandstreifen, wo wir 1995 gebadet hatten, steht unter Wasser. Wahrscheinlich sind die Polkappen inzwischen soweit abgeschmolzen, dass der Spiegel des Mittelmeers gestiegen ist? (Nein, es liegt an der Windrichtung). Wir klettern noch ein wenig um das Hotel Coronado herum, öffnen eine Tür zum Gelände der Anlage, da kommt schon eine Bedienstete heraus gestürmt: "Privado". Auch dieses Hotel hat zur Zeit geschlossen. Wegen des noch etwas beschwerlichen Laufens gelangen wir heute nicht zur nahegelegenen Mönchsbucht bzw. Cala Monjo.

Trotzdem hat es Heidi auf einmal ziemlich eilig. Ach so, die Sonne scheint und der Pool lockt. Wir haben am Tag zuvor schon ausgeguckt, auf welchen Liegen die Sonne am längsten genossen werden kann. Die suchen wir uns aus, haben zwischendurch allerdings eine halbe Stunde Schatten von einer Fächerpalme. Aber gegen 16 Uhr dafür 5 Minuten länger Sonnne als die anderen. Stimmt die Bilanz? Dabei ist es auf dem Balkon viel schöner, windgeschützt und warm.

Schön aber ist das Nichtstun. Heidi liest gerade: "Auf Mallorca liebt sich's besser". Hoffentlich hilft's. Ich lese dagegen "Philippe Djian - Schwarze Tage, weiße Nächte" und hoffe, dass mir zumindest am Kopf nicht anzusehen ist, was man da so liest. Dieses Buch ist am Ende leider so zerfleddert, dass wir es in der hoteleigenen Bücherbörse entsorgen müssen. Dazu legt man ein ausgelesenens Buch auf eine Flurkommode, wo man sich seinerseits mit Büchern oder Zeitschriften versorgen kann. Das funktioniert ausgezeichnet.

Abschließend gehen wir ein wenig in der Botanik herum, wo man sich schnell verlaufen kann. Überall wird gebaut oder auch nicht mehr gebaut, da ist dann wohl das Geld ausgegangen. Heute probieren wir auch die Schwimmhalle im Hotel aus. Da ist das Wasser 28 Grad warm, angenehm. Zur vollen Stunde sprudelt ein Whirlpool, was immer das soll. Schwimmen kann man weniger gut, da stößt immer geich irgendwo an. Heidi bringt es trotzdem auf über 50 Bahnen. So hoch könnte ich gar nicht zählen.

Daher habe ich wohl auch nicht bemerkt, dass heute unserer 30ter Verlobungstag ist...

Mittwoch

Markttag in Andraitx. Man kann sich vom Hotel chauffieren lassen, das kostet 5 EURo, der öffentliche Bus kostet 1 EURo. Unsere Weimarer Freunde schließen sich an, die können auch rechnen. Heidi kennt auch die "geheime" Bushaltestelle am Hotel Palmira Caormoran. Dafür kommt der Bus mit 20 Minuten Verspätung und fährt an der nächsten Haltestelle durch, weil er mittlerweile voll besetzt ist. Die dort wartenden Fahrgäste gucken dumm.

Auf dem Markt in Andraitx schauen wir aus nach einer Armbanduhr und schon bald werden wir in eine Feilscherei hinein gezogen. Eine hübsche Uhr wird per Zettel mit 35 EUR ausgewiesen. Ich male 20 darunter. Die Marktfrau malt 30 auf. Also 25 dagegen gehalten. Da willigt die Frau ein, auch wenn danach für sie die Welt anscheinend untergeht. Und das Armband wird auch noch enger gestellt.

Zwei Stände weiter sticht mich der Hafer. Heidi ist schon weiter gegangen. Mal sehen, was eine Uhr hier kostet? Ich kriege ein Angebot für 30. 10 schreibe ich diesmal auf. Jetzt geht es wie gehabt weiter, nur dass ich kein weiteres Interesse mehr zeige und weggehen will. Aber ich werde festgehalten und dann wird mir die schon eingepackte Uhr doch für 10 EUR überlassen. "Doch nicht schlecht, hier hast du zwei Uhren", sage ich dann zu Heidi, die das ganze verwundert aus der Ferne beobachtet hat. (Später im Hotel stellen wir fest,dass die Uhr gar nicht geht, ausserdem sind die Preise trotz Runterhandelns immer noch zu hoch, aber es soll ja auch Spaß machen...)

Nach diesem Trödelmarkt bekommen wir ein paar schöne Eindrücke von den Fleisch-, Fisch-, Obst- und Gemüse- oder Gewürzständen. Hier werden vorzugsweise die Einheimischen bedient, als Tourist guckt man zuweilen ganz schön dumm...

Wir gehen hinauf zur Kirche. Die ist leider geschlossen. Ein Teilnehmer einer Busrundfahrt lungert hier herum und bedauert gleichfalls, dass man die Kirche nicht besichtigen kann. "Das Sehenswerteste ist hier allerdings der Friedhof" vermelden wir, denn wir kennen uns ja aus. Aber wo ist der Friedhof? Dazu muss man gößere Kreise um die Kirche ziehen und bergwärts wird man dann fündig. Linkerhand vor dem Friedhof ist sogar eine Baustelle, da werden neue Eigenheime für die künftig Abzulebenden erstellt. Sieht nicht so romantisch aus, im Gegenswatz zu dem älteren Teil des Friedhofs. Der Kollege von der Busrundfahrt ist ganz außer sich vor Freude, dass er das hier zu sehen kriegt. Und wir sind ganz stolz, dass wir ihm den Tipp geben konnten.

Vor den offenen (aber leeren) Grabkammern kann man seine Gänsehaut pflegen. Dann machen wir uns auf den Fußweg in Richtung Porto Andraitx. Da ist zwar irgendwo ein Schild: "Peatons Port" - heißt das vielleicht Fußweg zum Hafen?  Besser man fragt diesen und jenen Einheimischen - mit Händen und Füßen. Heidi meint bald, sie beherrsche nun das Spanisch - mit Händen und Füßen. Und so geraten wir tatsächlich auf den richtigen Weg, an der Sportanlage vorbei. Ein Baum mit aufgeplatzten Granatäpfeln, ein paar Mandeln für die Tasche, leider keine Apfelsinen oder Zitronen, die müsste man klauen, und sowas machen wir doch nicht. Die Apfelsinen sind auch noch gar nicht ganz reif. Der Weg ist schön, obwohl es leicht nieselt. Wir beneiden die Bewohner der Anwesen hier, einige Deutsche darunter, wie man den Autokennzeichen entnehmen kann. Wenn man so ein Anwesen heute erwerben würde, könnte man für den Preis wohl auch den Rest des Lebens Hotelurlaub machen - überschlägig gerechnet.

Schließlich  die letzten Apartement Arrangements vor Porto, da sind alte Brunnen wohl mehr als Phantasiedekoration bzw. Attrappen aufgestellt. Vorbei am gut belegten Busparkplatz erreichen wir durchgefroren von Wind und Nieselregen Porto Andraitx - inzwischen ein Domizil einiger zahlungskräftiger Promis - besonders einer - darauf kommen wir noch zu sprechen. Am Hafen steht ein Kormoran zwischen Enten und Möven mit ausgebreiteten Flügeln, auch ein Promi? Ein anderer Kormoran ist noch fleißig und taucht eifrig herum. Wir dachten immer, Kormorane seien sehr scheu - diese sind es nicht.

Wir finden ein recht uriges Cafe zum Aufwärmen bei einem Cappuccino. Wir haben die Bushaltestelle für die Rückfahrt von hier aus im Blick. Einige frierende Gestalten treten dort von einem Bein auf das andere. Man sagt, die Abfahrtzeiten der Busse seien Glücksache, aber wir haben Glück: der Bus kommt pünktlich und wir müssen nicht lange von einem Bein auf das andere treten. Aus dem Bus heraus sehen wir unsere Weimarer Freunde, wie sie wacker entlang der Straße marschieren. Später erzählen sie uns, dass sie auf dem Marsch durch Camp de Mar in das Golfgelände (18 Loch, extrem schwierig) geraten sind und von einem Deutschen als "Scheiß Ossis" beschimpft worden sind. Weniger schön, sowas!

Wir wärmen uns in der Schwimmhalle bei 28 Grad Wassertemperatur auf und faulenzen den Rest des Nachmittags.

Donnerstag

Auf den Straßen werden immer wieder Prospekte für Inselrundfahren verteilt. Z.B. Toscana Reisen: Große Inselrundfahrt mit Bahnfahrt im Roten Blitz nach Soller, Bootsfahrt nach Sa Calobra und zurück auf der dortigen Straßen-Achterbahn. Das ist ja was für mich, weniger für Heidi. Aber sie wird auch noch auf ihre Kosten kommen - im wahrsten Sinne des Wortes. Das ganze kostet wesentlich weniger als die offiziellen Rundreisen der Reiseveranstalter oder Hotels, nämlich 14 EURo. Doch so billig werden wir nicht davon kommen, wie man sehen wird. Ach ja, eine kleine Werbeeinlage ist auch vorgesehen!

Weil es heute regnet, finden sich zu der Rundfahrt recht viele Gäste ein, trotzdem thronen wir mal wieder auf dem Panoramasitz gleich hinter dem Busfahrer. Der heißt Miguel. Die Reiseführerin heißt Helga aus Rosenheim, 17 Jahre auf Mallorca. Jetzt kommen wir ins Grübeln - kennen wir die Dame nicht schon von 1993? Damals hatte ich Erika aufgeschrieben, vielleicht ein Erinnerungsirrtum. Da war die Sache mit Betten-Dieter usw., und unsere Rosenheimer Erika oder Helga ist sicher dieselbe. An uns kann sie sich natürlich nicht erinnern. Wie auch?

Hinter uns sitzt eine beredte Dame, die nennen wir mal kurzerhand Radio Gelsenkirchen wegen der vielen geistreichen Kommentare mit Woll und Wat ("Die französische Schuhe kannse dir voll von de Backe putzen..."). Ab und zu kommt auch die Reiseleiterin zu Wort und erklärt uns u.a. die Gruselecke von Palma mit Hospital, Irrenhaus, Gefängnis und Friedhof. Danach geht es zu IKEA, da werden noch weitere Gäste eingeladen. Die Fahrt geht nun gen Norden bis in die Gegend von Sa Pobla. Wir fahren durch das landschaftlich fruchtbarste Gebiet der Insel. Da hat man drei Kartoffelernten im Jahr und reife Erdbeeren gibt es das ganze Jahr. Leider sind die einst malerischen Windräder zur Bewässerung großteils verfallen, man sieht deren Reste sie ja auch in der Gegend um den Flughafen recht häufig.

Ziel ist die Finca Amorini, ein freundlicher Herr wartet schon auf uns und weist die ganze Gesellschaft in einen Pavillon ein. Da verbergen sich Geheimnisse unter Tüchern, bald hat man herausgefunden, um was es sich handelt: Kochtöpfe. Nun wendet sich der freundliche Herr an die Gesellschaft, er heißt Achim Rost und verkauft Edelstahl-Kochtöpfe. Im folgenden wird ein Feuerwerk an Lobpreisungen der Ware abgebrannt, man muss schon sagen: das ist professionell. Wer noch nie von dieserlei Kochtöpfen gehört hat, der muss sich fragen, wozu er eigentlich gelebt hat. Entsprechend erfolgreich fällt diese Verkaufsveranstaltung auch aus, zudem gibt es noch einen Messerkasten, eine Chromputzpaste, ein Mikrofasertuch oder einen Bratenwender zu kaufen. Bald ist ja auch schon Weihnachten. Inzwischen haben wir die Käse- oder Schinkeplatte auch verzehrt und es kann weiter gehen, die eigentliche Fahrt hat ja noch gar nicht angefangen.

Zunächst regnet es noch heftig, während wir nach Bunyola fahren, um auf den Roten Blitz zu warten.  Es geht dann eine halbe Stunde lang mit dem Zug z.T. unter den Bergen durch, der längst Tunnel ist 2,8 km lang. Manchmal gleiten auch vollbehangene Apfelsinenbäume vorbei. Zum Pflücken aus dem Fenster würde man aber doch den Verlust eines Armes riskieren. Als wir in Soller aussteigen, ist es merklich wärmer. Radio Gelsenkirchen: "Hier weiter im Süden isses ja auch viel wärmer" - dabei sind wir die ganze Zeit in nördliche Richtung gefahren. Nach einem kurzen Fußmarsch besteigen wir wieder den Bus, um nach Porto Soller zu fahren. Dort machen schon einige Landratten einen Rückzieher und verzichten von vornherein auf die Seefahrt.

Wir haben auch Bedenken, weil in Sa Calobra das Aussteigen über einen schmalen Steg erfolgen soll, womöglich schwierig bei bewegter See. Heidi ist schon etwas blass um die Nase. Noch blasser werden wir, als das Schiff von Sa Calobra kommend anlegt: da hängt schon einer über die Reling und füttert die Fische. Die Gestalten an Bord wirken durchweg sehr mitgenommen, einige muss man beim Verlassen des Schiffes stützen. Als wir an Bord gehen, sehen wir die verkotzten Sitzbänke, da muss ja einiges los gewesen sein. So fahren wir einem ungewissen Schicksal entgegen. Gleich nach Verlassen der schützenden Hafenbucht geht die Schaukelei los. Die älteren Damen juchzen. Am lautesten juchzt eine ältere Dame über achtzig Jahre alt. Ich schätze mal, die Schwankungs-Amplituden liegen bei drei Metern. Als das Schiff beidreht, erfolgen die Schwankungen quer, das wirkt noch bedrohlicher. Nun wird aber gewendet, und bald sind wir wieder im schützenden Hafen. Das hat wohl alles heute keinen Zweck. Später erfahren wir: bei der Gesellschaft vor uns waren 80% seekrank.

Da sitzt es sich in einem Hafencafe besser. Ein Herr bestellt ein Stückchen Kuchen und muss die Kleinigkeit von 5 EURo dafür berappen. Zurück am Busparkplatz stellt sich raus: die dortigen WCs sind geschlossen. Unsere vorhin noch jauchzende Oma in ihrer Not verschwindet hinter einer Mauer. "Hat's geklappt?" heißt es danach. "An Baum 7, und da stand auch noch ein Mann!" sagt sie.

Wir fahren nun die Küstenstraße Richtung Valdemossa entlang. Die ist sehr eng und kurvenreich, wenn da einer von vorne kommt, setzt es eine Vollbremsung. Derweil hört man die alten Geschichten von Michael Douglas und Hotel Paradiso, Sissi, Chopin und George Sand. Aber auch vom Ballermann. Das sei nur Negativwerbung, mit bezahlten Säufern würden dort gestellte Fernsehaufnahmen produziert. Am schlimmsten ist dieser J.D. (Ein Bett im Kornfeld), auf den ist man ja gar nicht gut zu sprechen. Nennt sich auch noch "König von Mallorca"...

Im Künstlerdorf Deja kann der Bus nicht parken. Darum fahren wir durch bis Valdemossa. Dort kann man sich in dem Garten des Klosters die Beine vertreten. Von einer Besichtigung der Innenräume wird abgeraten, da stehe nur ein Klavier rum. Der Ort ist ganz hübsch aber touristisch ausgelutscht. Damit ist die schöne Fahrt fast zuende. Auf der Rückfahrt wird noch fleißig Hjerbas Öl verkauft, das hilft ja so ziemlich gegen alles. 1 EURo kriegt noch der Busfahrer (der gerade Vater geworden ist und ständig am Handy hängt).

Freitag

Der Morgenspaziergang führt hinauf zum Supermarkt und zum "Garden Center", wie es auf gut Spanisch heißt. Da finden sich all die exotischen Gewächse, die sich die stolzen Hausbesitzer als Statussymbol in den Vordergarten stellen. Eine schon etwas höhere Palme kostet 220.000 Peseten ( 1.322 EUR). Auch schön blühende Bougainvilleas und Orchideen gibt es. Heidi hat schon wieder einen Ableger geklemmt. Dafür haben wir dann einen Kalfaktor im Nacken, der uns argwöhnisch verfolgt.

Zurück gehen wir über Cala Fornells, obere Abteilung, die heißt Monte Fornells. An einem Neubau kommt ein Ehepaar aus einer Informationsbude. "Na, was kostet eine Wohnung?" fragen wir. Antwort: 275.000 EUR für 2 Zimmer mit Küche, 70 qm. Das kann man bis an sein Lebensende sowieso nicht mehr abwohnen. Am Ende der Straße (La Especia) finden wir auch den richtigen Abstieg über einige Treppen, sodass man die Serpentinenstraße vermeiden kann.

Heidi richtet sich gemütlich am Pool ein. Und ich werde meine erste Unternehmung starten, die in der Erstürmung des nahegelegenen Berges Moleta de son Vic enden soll. Dazu muss man über den "vergessenen Pass Fortuny", soviel ist mittlerweile bekannt. Der Pass liegt ziemlich genau über dem Tunnel der Umgehungsstraße. Ich bleibe ein Stück auf der Straße hinter dem Hotel Paguera - jetzt Valentin Park - und biege dann an einem Tor in den Wald. Bald endet das Ganze vor einem Zaun, und da läßt sich auch nirgendwo ein Loch im Zaun entdecken. Irgendwo ist eine Straßenunterführung, die ist voller Matsche, außerdem liegt auf der anderen Seite die Finca Paguera, der sollte man wohl auch nicht zu nahe kommen. Schließlich bin ich nach mühevoller Kraxelei wieder am Ausgangspunkt angelangt.

Also muss man den Ansatz höher wählen. Ich halte mich mehr links und damit höher auf einem breiten Karrenweg. Als dieser endet, markieren Steinhäufchen einen Trampelpfad. Und dann entdecke ich auch das alte Pflaster des historischen Passweges. Als die Freude am größten ist, steht man schon wieder vor einem verrosteten Drahtzaun. Dahinter neu errichtete Mauern, ich resigniere und trete den Rückweg an in der Annahme, dort befinde sich eine private Baustelle (es ist nur ein neuerer Wasserbehälter dort gebaut worden, den Zaun kann man übersteigen, außerdem bildet er genau die Passhöhe - das wusste ich zu dem Zeitpunkt alles nicht).

Der Rückweg ist schnell geschafft, auf dem breiten Karrenweg bleibe ich nun oben und quere den Berghang über Paguera unterhalb der Sa Bruta, dem Hausberg von Paguera. Quer durch ein Stück abgebrannten Waldes. Hin und wieder reizvolle Ausblicke nach unten. Schließlich landet man oberhalb der Wohnanlage Esmeralda. Im Wald markiert eine Steinröhre eine alte Zisterne, die ist leider mit Müll angefüllt. Bei der Esmeralda hat man dann wieder eine asphaltierte Straße unter den Füßen und kann sich in die zivilisierte Welt zurück begeben. Auf der ganzen Tour ausserhalb des Ortes habe ich nicht einen einzigen Menschen getroffen. Das vielzitierte "andere Mallorca" kann u.U. gleich hinter dem letzten Haus beginnen.

Sonnabend

Heute fahren wir nach Palma. Die Strecke kennt man nun schon so langsam. Heute fallen besonders die Luxusyachten im Hafen von Palma auf. Die heißen Lady Moura , Elegance oder Blue Star. Die Lady Moura soll einem Ölscheich gehören, sagt man. In den Straßen von Palma streunen wir nur herum, besorgen uns einen Stadtplan in einer Information, pausieren an der Kathedrale. Da kostet der Eintritt 3.50 TEUro, die sparen wir uns. Außerdem steht da "Cathedral Claustro", heißt das nicht "Kathedrale geschlossen"? (Richtig: Kathedrale und Kloster).

Aber draußen ist es auch ganz interessant. Da steht sowas wie ein Pantomime in einem silberbronzierten Rüstungsgewand, wenn man dem einen Euro spendiert, kann man sich auch mit ihm zusammen zusammen fotografieren lassen. Was der wohl für einen Stundenlohn hat? Ein grüngewandetet Kollege von ihm steht bewegungslos vor einem grünen Busch, den sieht man kaum.

Inzwischen haben wir heraus gekriegt, wo die Markthallen sind. Ganz in der Nähe der Busstation, wo wir zurück fahren, das ist günstig. Die Markthallen mit ihrer Geschäftigkeit und den Marktständen sind dann auch das Interessanteste bisher. Besonders merkwürdig sind die Pilze, bei einer Sorte (Colmenillas, Morcheln) kostet das Kilo 360 EUR. Lustig sind auch die Fischstände, einige Fisch haben merkwürdige Gesichter.

Dann gehen wir wieder zu unserem Bus, der auch pünktlich abfährt. Der Nachmittagsspaziergang führt uns durch bislang nicht bekannte Straßen (das ist gar nicht so einfach hier) wie Mallorca, Val Verda oder Capdines. Dann kommt man wieder an der Promenade raus.

Sonntag

Nun hat man auch mal einen Ruhetag verdient. Wir bummeln nur die Strandpromenade entlang bis zum Hapimag. Dabei sehen wir einen Kormoran, der ist etwas größer und hat eine weiße Brust. Wir fragen einen Angler danach, etwa so: "Das Kormoran?" Er antwortet in einwandfreiem Deutsch: "Ja ja, soone Aale fressen die uns weg, da gibt es sonne und sonne, dicke dünne, große kleine". Jetzt sind wir schlauer.

Am Nachmittag setzt es wieder Sturm und Regen, die Stühle am Pool fliegen selbständig durch die Gegend. Wie man den Katastrophenberichten entnehmen kann, herrschen in Italien schlimme Zustände nach tagelangen Regenfällen, und das ist ja nicht so weit von hier.

Im übrigen war hier der gesamte Sommer recht regenreich. So ist die Vegetation in diesem Herbst nicht so verdorrt sondern erfrischend grün, im Gegensatz zu dem allgegenwärtigen Novembergrau zu Hause.

Montag

Am Montag ist die "Hjerbas-Fahrt" angesagt, die kostet gar nichts. Unsere Weimarer fahren auch mit, ferner ein flotter junger Mann aus Berlin, den Heidi im Schwimmbad kennen gelernt hat. Der heißt Peter und ist mit jedem per Du. Wir werden abgeholt von einem Udo aus Soest, der macht diesen Job auch schon jahrzehntelang. Es regnet weiterhin, so kann man an diesem Tag sowieso nichts anderes machen.

Der Udo aus Soest ist sehr witzig, besonders wenn seine ansteckende Lache nach einem eigenen Witz ertönt. Als wir irgendwo ein Kloster auf einem Berg passieren, meint er: "Leider kann man bei dem Wetter nicht den Mönchen beim Paragliding zusehen, mit den Kutten!". Wenn die Schafe einen roten Fleck auf dem Rücken hätten, dann sei das Paprika, die schmecken dann viel besser. Warum die Stromkabel an den Masten so durchhängen? Weil sogar die Strommasten bei dem fruchtbaren Boden noch wachsen. Aber Wäsche könne man an den Kabeln nicht aufhängen: da springen die Wäscheklammern von alleine ab. Usw.
 
So geht das in einer Tour. Schließlich werden wir dann bei Montuiri oder so in ein Schmuckzentrum gesperrt. Und da wird - man glaubt es kaum - die Rente versemmelt, dass es eine Lust ist. Auch Peter kauft ein Kettchen für einen Anhänger aus Florenz.

Die Weiterfahrt führt auf kleinen Straßen durch die Dörfer, leider heute alles unter Regen. Die zweite Station ist Inca mit der Fabrica Paco Llabres: Lederprodukte. Ich muss mir einen neuen Gürtel kaufen, weil das abendliche Buffet auf den Leibesumfang durchschlägt. Sonst habe ich Heidi immer unter Kontrolle, damit da nichts passiert. Einen Mantel für 2000 EUR hat sie schon am Wickel, aber der ist dann doch nichts für unser Dorf.

Sonst ist die Verkaufspsychologie schon recht geschickt. Man hat Urlaub, Vati ist dabei, da darf man sich doch wohl schon mal was gönnen! Und das funktioniert.

Dienstag

Endlich Sonne! Das ist dann die Gelegenheit, die zweite Wanderunternehmung durchzuführen. Ich breche auf Richtung Mönchsbucht (30 min). Dort ist es wild romantisch, seit 1993 hat sich nichts verändert. Das Gelände soll mal ein Deutscher aufgekauft haben, wer weiß, was draus geworden ist. Von hier kann man steil zu dem Wachtturm auf dem Cap Andritxoll aufsteigen. Auch hier markieren Steinhäufchen den Weg. Oben kommt man dann auf dem bequemeren Gratweg raus. Quer über dessen Windungen hat man rigoros einen 2.50m hohen Drahtzaun gezogen. Die ganze Seite der Landzunge nach Camp de Mar hinüber ist von einer jungen Deutschen aufgekauft worden und irgendwo steht ein Schild mit der Aufschrift: "Claudia tu PriSSion" (SS wie Nazi-Runen dargestellt). Auch die Wanderer haben protestiert und den Zaun eingerissen oder säuberlich aufgeknipst, wo der Weg entlang führt. Würde man sich in das eingezäunte Gelände begeben, wäre das ohnehin lebensgefährlich bei den steilabfallenden Klippen. So aber kann ein jeder im Hintergarten von Claudia wandeln, warum sollte sie es stören?

Ich gehe noch vor bis zum Cap Andritxoll, und da kann man ein schönes Panoramafoto aufnehmen. Ein wanderndes Pärchen taucht auf: "Ach ist das schön hier" usw. Der Rückweg ist einfach: immer am Zaun entlang. Auch den alten Wachtturm hat die gute Claudia mit erworben. Da hat man früher die bedrohlichen Piraten auf See ausgeguckt und von Wachtturm zu Wachtturm weiter gemeldet. Diese Aufgabe muss ja dann ab jetzt die Claudia übernehmen. 

Am Boden blühen Blumen, deren Blätter ich schon länger bemerkt hatte, das ist sowas wie Aronstab. Es läßt sich auch nachlesen: Zwergaronstab (Krummstab, Arisarum vulgare), häufig wie Unkraut. Eine Blüte knipse ich ab, als Mitbringsel. Breite Wege führen schließlich zurück nach Cala Fornells. Dort halte ich mich wieder an die obere Abteilung, hier muss irgendwo der Wanderguru H.H. hausen, der mit den vielen Büchern. Über 80 ist er wohl inzwischen. Mit etwas schmerzenden Füßen lande ich wieder am heimischen Pool, wo meine blinzelnde Gattin meinen Wegschilderungen lauscht. Rings herum haben sich lauter Engländer gelagert, die verstehen wohl nur Bahnhof.

Mittwoch 
 
Wieder scheint schon morgens die Sonne und ich darf mich von meiner sonnenhungrigen Gattin verabschieden für den finalen Ansturm auf den Berg Moleta de son Vic (349 m). Als Anmarsch empfieht sich nach den letzten Erfahrungen wohl die Esmeralda, wo auch eine alte Köhlerhütte nebst Feuerfläche im Wald herum stehen soll. Die Köhlerhütte finde ich, die gepflasterte Feuerstelle dagegen nicht. Auf dem breiten Karrenweg Richtung Pass Fortuny kommt man gut voran. Ein Abstecher auf die Sa Bruta, dem Hausberg von Paguera, misslingt allerdings vor steilen Felswänden.

Ich finde mich dann an dem rostigen Zaun wieder, der genau auf die Passüberquerung führt. Na, und genau da war ich schließlich vor ein paar Tagen auch schon. Und nun taucht ein wanderdes Ehepaar auf, die übersteigen gerade den Zaun. "Wollen sie auch auf die Moleta?" frage ich. "Aber klar, das ist unser Hausberg!" Damit kann ja nun nichts mehr schief gehen. Es ist ja nicht so ohne, sich in diesem einsamen Gelände (dem "anderen Mallorca") allein herum zu treiben. 

Auf dem historischen gepflasterten Passweg geht es hinunter - wenn Steine erzählen könnten - in Richtung der uralten Finca Son Fortuny . Da halte ich lieber Abstand, ein Hund bellt, demnach ist das ja wohl Privado. Der Anstieg zieht sich rechts den Hang hoch, gut gekennzeichnet durch Steintürmchen. Hin und wieder sollte man dann auch ein Steinchen dazu tun, das danken einem dann die nachfolgenden Wanderer. Mit dem sicheren Ziel vor Augen geht alles wie geschmiert. Bald tauchen hinter der Höhe des Bergkammes die Giganten der Gegend auf, Esclop (926 m) und Galatzo (1026 m).

Die letzten Meter zum Gipfelkreuz, und dann natürlich eine gigantische Aussicht! Während ich mein Panoramafoto schieße (270 Grad), tauchen auch meine Mitstreiter auf. "Herzlichen Glückwunsch - Berg Heil" heißt es. "Wie ist das denn mit dem Galatzo?" frage ich. "Der Lieblingsberg meines Mannes" sagt die Frau. Auch für mich bleibt das eine Herausforderung, die ich aber auf eine späteren Urlaub verschieben werde. Nun stehe ich aber auf dem Gipfel des Berges, den ich schon so oft angerannt habe in 349 m Höhe, geradezu schwindelerregend. Selbst der Elm (bekannt aus Kreuzworträtseln) vor unserer Haustür zu Hause ist höher. Aber hier muss man erst mal den Weg finden, und das ist das Ziel. Es hat ja auch lange genug gedauert.

Beim Abstieg halte ich mich rechts, da kann man angeblich unterhalb der Roten Wand (Garrafa) einen anderen Abstieg wählen. Ich finde auch eine verfallene Köhlerhütte, aber dann versperren umgestürzte Bäume den Weg und ich verliere in freiem Gelände die Orientierung. Jederzeit kann man sich über einem steilen Felsabsturz befinden. Bevor ich in Panik verfalle - man stelle sich vor, es würde bereits dunkeln - steige ich lieber bergan und zurück, finde die Köhlerhütte und den vertrauten Weg wieder. Da ist man dann schnell wieder unten.

Über den Pass Fortuny zurück nach Paguera, 4 Stunden bin ich unterwegs gewesen. Zur Belohnung darf ich meine sonnenhungrige Gattin zum Nachmittagsspaziergang dann noch hinauf zur Esmeralda führen. Danach habe ich für den heutigen Tag genug geleistet. Ach ja, eine Sonnenuntergang hinter dem Hotel Mar y Pins haben wir auch noch genossen.

Den Kontrast zu jeglichen Wanderaktivitäten bildet eine Gruppe von vier Motorradfahrern, die sich in Machomanier (Hosenträger, Rauschebart) im Hotel bewundern lassen. Ein rechter Biker pflegt wohl einen Gang wie ein Seemann, breit auftretend dem schwankenden Gefährt entronnen. Ich bin mehr am Humpeln.

Donnerstag

Heute wolkig, was kann man denn nun noch veranstalten? Es sei eingefügt, dass wir auch den einen oder anderen Langzeiturlauber kennen lernen, die hier in angenehmerem Klima überwintern. Vorneweg ein älterer Herr, Tischpartner von Peter, der seinerseits sicher an jüngerer Beute interessiert wäre. Dieser ältere Herr ist dagegen schon an die 89 heran gekommen, geht aber eisern jeden Morgen im Meer schwimmen. 6 Monate hat er gebucht und kommt aus Linz, Oesterreich. Ein anderes Ehepaar teilt uns mit - während wir schon wieder unser Gepäck packen - sie hätten noch 6 1/2 Wochen vor sich. Wann ist man frei im Leben - erst im Alter?

Nun gut, wir marschieren mal los, kann man nicht nach Calvia zu Fuß wandern? Erfolgversprechend ist das nicht, ich schreibe mal (frei) die Wegbeschreibung aus dem Hapimag-Wanderführer ab:

...gelangt man auf ein Privatgrundstück, und dort darf man nur am Montag, Mittwoch und am Freitag durchgehen, um 9.00, 10.00 und 11.00 nach Voranmeldung in der Turismus Informationszelle. Sie bekommen einen Durchgangsschein, es sind höchstens 20 Wanderer pro Stunde erlaubt. Bei Wochenmarkt sind die drei Durchgangszeiten lange im Voraus bestellt...

Wir lassen es erst mal dabei bewenden und machen uns unverdrossen auf den Weg, der zunächst vielversprechend in Richtung Kläranlage verläuft. Bevor wir deren ansichtig werden, kommt uns ein Ehepaar entgegen. Die sind schon wieder auf dem Rückweg, nachdem sie ein Jeepfahrer aus dem Gelände verwiesen hat. Da kehren wir gleich wieder um und verzichten auf die Kläranlage. Stattdessen biegen wir auf einen steinigen Waldweg ein, treffen bald darauf eine Gruppe Wanderer aus dem Hapimag. Die wissen auch nicht viel besser Bescheid. Wir folgen einfach unserem (bzw. meinem) Richtungssinn und durchwandern womöglich das Nachtigallental. Hübsch ist der Weg jedenfalls. Dann landen wir wieder vor einem hohen Drahtzaun, der sich wie ehemals unsere budesdeutsche Zonengrenze über Berg und Tal schlängelt.

Am Zaun entlang talwärts kommt man dann doch auf dem Fahrweg in Richtung des geheimnisvollen Privatanwesens namens Finca Tora. Aber die Landschaft ist sehr schön mit grünen Feldern, Hecken  und Mandelhainen. Schließlich windet sich der Weg bergan - und da geht ein Herr mit Stock vor uns, anscheinend seine Waldbesitzungen inspizierend. Wir stellen uns dumm - weil uns das nicht so schwer fällt - und wandeln weiter. Bald haben wir den Herrn erreicht, der uns ohne viel Federlesens klar macht: "Privado". Ausserdem macht er mit seinem Stock so etwas wie eine Schießbewegung. Da gibt es keine Sprachprobleme und wir sind ganz Einsicht. Schade, dass man diesen schönen Weg nicht für die Öffentlichkeit frei halten kann, aber die Eigentümer muss man respektieren.

Auf dem Rückweg begegnen wir unserer Wandergruppe aus dem Hapimag, der wir aufgeregt unser Erlebnis erzählen. Da kehren die auch um. So kommen wir doch noch in den Genuss der Kläranlage und man ist froh, als man um die nächste Kurve herum ist. Am Beginn des Weges ist tatsächlich ein Verbotsschild, wir wir nun beiläufig feststellen.

Damit haben wir uns die Faulenzerei wiederum verdient. Erst am Abend wird es wieder aufregend. Unsere Tischgenossen aus Weimar waren heute an ihrem letzten Tag noch einmal in Palma. Von dort sind sie mit der altehrwürdigen Bahn nach Soller gefahren. Trotzdem kommen sie nun mit einem Gesicht daher, als ob sie uns auffressen wollten. Haben wir vielleicht was angestellt? Da poltert Herr S. schon los: "Se ham uns alles geklaut, die Tasche mit Geld und Papieren, alles weg". Sie haben am Busbahnhof in Palma auf die Rückfahrt gewartet, während er noch einmal in die Touristeninformation gegangen ist. Währenddessen saß seine Frau auf einer Bank, die Tasche neben sich, aber mit der Nase in einer anderen Tasche mit Mitbringseln oder Sovernirs. Als sie wieder aufschaut, ist die Tasche verschwunden, sie hat überhaupt niemanden bemerkt. Auch die umstehenden Passanten wissen von nichts.

Schlimm genug, sowas, aber was dann folgt, ist fast noch mehr deprimierend. Die Polizei gibt sich unzuständig, man bekommt eine Telefonnummer in Madrid, da solle man erst mal anrufen. Wie das machen, ohne Geld? Eine andere Touristin leiht ihnen immerhin soviel, dass sie anrufen und die Rückfahrt bezahlen können. In Madrid spricht man ausserdem kein Deutsch und ebenso leidlich Englisch wie unsere bedeauernswerten Tischgenossen.  Man kann verstehen, dass die nun fix und fertig sind nach dem Motto: "Nie wieder Mallorca".

Unser lieber Peter aus Berlin setzt noch eins drauf: man hätte in den letzten Tagen eine Dame aus dem Hotel "sexuell vergewaltigt" - wie er sich ausdrückt. Ein Mädchen wäre außerdem am Strand belästigt worden. Peter erzählt gern Geschichten, soweit kennen wir ihn inzwischen, da weiß man nicht so genau, was davon stimmt. Außerdem neigt er dazu, den Inhalt seiner Geschichten durchaus zu variieren...

Freitag

Unser Ehepaar aus Weimar reist heute ab und wir bedauern sie noch einmal beim Abschied. Da tauchen zwei junge Mädchen in der Hotelhalle auf, die wollen gerade nach Palma mit lose über die Schulter hängenden Täschchen. Die kriegen was zu hören, Peter führt das Wort. Da kehren sie zweifelnd noch einmal in ihr Zimmer zurück und stapeln um. Nun sehen sie aus wie fortgeschritten schwanger, sie haben alles vorne unter die Jacken gestopft. Als sie abends zurück sind, erfahren alle zur Erleichterung, dass ihnen nichts passiert ist.

Bei uns passiert auch nicht viel, weil sich das Wetter mal wieder von seiner schönen Seite präsentiert. Aber am Abend gilt es noch einen Pflichtgang zum Friseur zu machen. Ich gehe inzwischen Wein kaufen - Berni hat immer noch nicht geöffnet. Als ich wieder zum Salon zurück kehre, werde ich meinerseits vergewaltigt, wenn auch nicht "sexuell". Ich muss auch unter die Schere. Die nette Dame, auch aus Deutschland, macht das dann allerdings so ausgezeichnet, dass die "Vergewaltigung" schnell vergessen ist. Ausserdem kann sie viel interessantes erzählen, denn sei wohnt mit ihrem Mann (Innenarchitekt) schon seit 28 Jahren hier (in Capdella). Auch der von mir verehrte H.H. mit den vielen Büchern lässt sich hier frisieren. Zum Abschied bekommen wir eine Apfelsine aus dem eigenen Garten geschenkt. Die beste Apfelsine aller Zeiten!

Samstag

Nun gibt es nichts mehr zu erzählen, die zwei Wochen sind sehr angenehm vergangen und waren mal wieder zu kurz. Wir beneiden die Langzeiturlauber , die - wie uns erzählt wird - allem häuslichen und  weihnachtlichem Stress mit Kindern, Enkeln und Christbaumständer aus dem Weg gehen. Wir werden dem - diesmal noch - die Stirn bieten. Am Sonntag Nachmittag kehren wir zurück in das erwartungsgemäß graue und kalte November-Deutschland.

(Ein Kollege, der mit einer Spanierin verheiratet ist, hat einmal eine Zeit in Sevilla gelebt. Und der hat mir erzählt, dass man sich irgendwann unheimlich nach so einem grauen November-Wetter zurück sehnt. Die Erfahrung müssen wir noch machen...)