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9. Tag, Sonnabend

Der Tag beginnt mit Sonne, da hat Heidi bereits vor dem Frühstück die Liegen am Pool mit Badetüchern belegt, damit wir die besten Plätze bekommen. Meine Haut ist immer noch gerötet, da möchte ich nicht einen ganzen Tag in der Sonne braten. Es ist Zeit für meinen "Berg der Versuchung". Das ist ein harmlos aussehender Hügel oberhalb von Paguera, er heißt Moleta de Son Vic und ist 350 m hoch. Noch weiter dahinter, aber schon zu weit für eine Wanderung von Paguera aus, liegt das Matterhorn von Mallorca, der Galatzo, über 1000 m hoch. Meinen Aufstieg habe ich auf dem ersten Teil ja schon erkundet und bin bald an der Baustelle der Umgehungsstraße. Man hat einen Tunnel unter dem Berghang hindurch gebaut, an den Böschungen wird noch herumplaniert.


Holzweg

Von dieser Stelle zieht sich ein breiter Weg mit konstanter Steigung den Hang hinauf. Wie das hier so üblich ist, endet der Weg aber bald aprupt in der Nähe der Waldgrenze, Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen Holzweg (zum Holztransport). Eine Fortsetzung existiert nicht, nur so Trampelspuren in alle möglichen Richtungen. Solange das Gelände noch übersichtlich ist, kann man ja mal versuchen, weiter hinaufzukommen. Das ist nicht sonderlich schwierig, aber es besteht doch die Gefahr, auf rundem Geröll abzurutschen und sich eine Verletzung zuzuziehen - fatal womöglich, wenn man allein wandert. Außerdem sollte man die Bergsteigerweisheit beherzigen: "Wo man hinauf kommt, kommt man nicht immer wieder herunter!"

Das bremst dann doch den Unternehmungsgeist. Das Gelände wird immer unwegsamer, man muß mitunter schon etwas klettern und die Hände zu Hilfe nehmen. Immer mal wieder ein Blick zurück, daß man den Weg, der keiner ist, bei einer Umkehr auch wiederfindet. Die Felswände ringsumher ragen teilweise über 20 m hoch auf, das ist zu hoch, um auf dem Hosenboden unbeschädigt hinunter zu rutschen. Ich bin noch lange nicht oben und mir wird langsam beklommen. Da flattert ein großer gelber Schmetterling, der setzt sich sogar auf meinen Fuß. Um ihn genau zu sehen, müßte ich mich umdrehen, daß traue ich mich aber nicht, der Standpunkt ist zu luftig. Vielleicht war es ein Schwalbenschwanz. Die Losung von Bergziegen liegt überall herum. Außerdem fallen einem dicke grüne Blätter auf, die aus faustgroßen Knollen zwischen den Felsen treiben. Leider zeigt sich noch keine Blüte, sodaß ich diese Pflanze nicht bestimmen kann.

Ab und zu streicht auch ein größerer Vogel durch die Bäume, der sieht im Flug aus wie ein Eichelhäher. Eines späteren Abends wird es uns gelingen, diesen einmal aus der Nähe zu sehen, er hat eine Haube auf dem Kopf. Vielleicht handelt es sich sogar um den Wiedehopf. Ferner gibt es auf Mallorca noch Seeadler und Schwarze Geier, die sich hier in der Nähe der vielen Hotels wohl seltener aufhalten. Vielleicht trifft man stattdessen den Pleitegeier des öfteren.


Schlucht

Ich stehe aber immer noch auf meinem luftigen Standpunkt, nach oben geht es auf natürliche Weise nicht weiter. Dafür öffnet sich eine kleine Schlucht zwischen steil aufragenden Felsen, darunter liegt schon wieder der Wald. Bis nach Porto Andraitx kann man von hier aus sehen. Ich ergreife erleichtert die Gelegenheit zu einem Abstieg mit Anstand, auf das Gipfelerlebnis verzichtend. Beim Abstieg durch den Wald muß man auf den rutschigen Steinen noch genug aufpassen, aber dann stoße ich wieder auf meinen Holzweg und bin gerettet.

Später entdecken wir die Wanderbücher von Herbert Heinrich, dem Wandermatador (8 Bücher) der Insel. Da ist eine Beschreibung des Aufstiegs gegeben: es findet alles auf der Rückseite des Berges statt! Von der von mir gewählten Route wird dringend abgeraten. Damit deckt sich das immerhin mit meiner Erfahrung.

Den Rest des Tages widmen wir wieder der Sonne. Herr R. hat sich den Magen verdorben und verbringt den ganzen Tag schlafend. Gegen Abend geht es mir auch nicht gut, aber es normalisiert sich dann wieder.

Nächster Tag