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Donnerstag, 11.10. Rundfahrt

Nach einem anstrengenden Tag muß man es erstmal wieder ruhig angehen lassen. Heute wollen wir höchstens mit dem Auto herumfahren. Erst geht es zum Einkaufen, zur Post, zur Bank. In der Bank ist der Teufel los, man darf den Leuten nicht über die Schulter schauen, sonst staunt man über die Beträge die da abgehoben werden. Nach dem üblichen Anstellen in der falschen Schlange erhalten wir unser Geld an einem anderen Schalter, DM 3.- sollen die Scheckgebühren betragen. Da sind sie bei Heidi als ehemaliger Bankangestellter an der falschen Adresse, sie beruft sich auf irgendeinen "Deutschen Giroverband" oder sowas, und das eine Woche nach der Wiedervereinigung. Die Einheimischen maulen allerdings auch, die müssen sogar vom eigenen Konto DM 3.- Abbuchungsgebühren bezahlen. Immerhin geht die Schalterangestellte zum Nachfragen und kommt mit der erfreulichen Mitteilung wieder, daß wir nunmehr DM 1.50 zu entrichten hätten. Während ich die 3 Fünfziger zusammensuche, kann Heidi nur mühsam an weiteren Entrüstungsausbrüchen gehindert werden.

Mit dem Ausspruch "Da bauen sie sich Paläste..." geht es hinaus. Eine Kundin auf der Treppe hinter uns ist ganz derselben Meinung. Sie ist Mitarbeiterin in der nahegelegenen Imbißbude und verdient auch nicht die Welt. Ihr Mann war vorübergehend arbeitslos, nun schimpft sie über alles, weil es so teuer geworden ist. Ihre Tochter arbeitet auf einer LPG, die muß nun wohl auch in den Westen "rübermachen", weil alle entlassen werden. So geht das eine ganze Zeit, nur mit Mühe kommen wir endlich weiter. Nun gehen wir schnurstracks in das Kirchenbüro, um bei Pastor Naumann den Kirchenschlüssel zu holen. Aber der ist gerade in einer Besprechung mit Gästen aus Recklinghausen, das ist die Partnerstadt von Schmalkalden.

Die Sonne scheint heute aus ganzer Kraft, da machen wir uns endlich auf unsere geplante Rundtour per Auto. Erstmal geht es in nördliche Richtung zu der Ortschaft "Floh". Von dort nach "Tambach-Dietharz", dann nach "Ohrdruf". Wenn man so Auto fährt, rauschen die meisten Sehenswürdigkeiten vorbei, so sehen wir nördlich von Ohrdruf ein großes schloßartiges Anwesen liegen, fahren aber nun Richtung Oberhof. Hinter Luisental liegt der Ohra-Stausee, da halten wir wenigstens an. Von dem (gebührenpflichtigen) Parkplatz kann man einen Rundgang über die Staumauer machen, viel ist nicht zu sehen. Es erinnert vieles unmittelbar an den Harz. Dann geht es schnell hinauf nach Oberhof, schon im Vorbeifahren erkennt man die riesigen Hotels.

Wir wollen erstmal zum Rennsteiggarten, der ganz oben liegt. Zum Glück ist wieder wenig Betrieb, so können wir geruhsam unseren Kaffee an der dort befindlichen Imbißbude genießen. Anschließend zahlen wir unseren Eintritt, die DM -.50 "Fotografiererlaubnis" schenke ich mir allerdings. Ich mache dann auch nur ein (unerlaubtes) Foto.


Rennsteiggarten

Der Garten ist jetzt im Herbst vielleicht nicht so spektakulär, es blüht kaum noch etwas, die Farne sind alle schon abgeschnitten. Von der alpinen Flora ist nicht allzuviel zu sehen. Ferner gibt es Hochmoorgebiete, es sind "Kampffichten" zu bewundern, deren verkrüppelte Gestalten von Klima- und nicht Umwelteinflüssen herrühren. Den Eindruck hatte ich ja auch schon am Brocken, aber ob es es stimmt?

Nun fahren wir endlich gespannt nach "Oberhof-City", finden einen (gebührenpflichtigen) Parkplatz gleich neben der Kurverwaltung oder "Rügeninfo", wie ich beharre diese Einrichtungen zu nennen. Heidi fragt die Parkwächterin, wo sich in Oberhof die "historische Altstadt" befände, da wird sie nur verständnislos angeguckt. So machen wir uns wenigstens auf den Weg zum "Rennsteig Hotel", dort gibt es ein Cafe im 12. Stock, da wollen wir uns mal einen genehmigen. Leider hat das Cafe heute geschlossen, wir dürfen aber den Fahrstuhl benutzen und im 12. Stock aus dem Fenster schauen. Heidi fährt sogar mit, "weil alles zu ist".


Oberhof von oben

Die Aussicht ist sehr schön, trotz der klaren Luft liegt über dem Flachland eine braune Dunstschicht. In der näheren Umgebung erkennt man die anderen großen Hotels. Eines ist wie eine Sprungschanze gebaut (Hotel Panorama), das kennt man sogar aus dem Fernsehen. Von einem alten Ortsteil ist wahrhaftig nichts zu sehen. Ein paar ältere Häuser wirken eher ärmlich zwischen den "Erholungsbunkern".

Wieder unten versuchen wir, ein wenig den Berghang hinauf zu spazieren. Wir landen auf einer Fläche, die wohl im Winter als Eisstadion genutzt wird. Sicher sind hier schon Berühmtheiten herumgeschliddert. Stellvertretend für diese erklettert Heidi ein Siegerpodest und stellt sich in entsprechender Pose einem Foto.


Der Sieger

Dann macht uns ein überquellender Parkplatz neugierig: OKAY, Thüringen GmbH" ist an dem zugehörigen Gebäude zu lesen. Sogleich befinden wir uns im Gedrängel eines Supermarktes, in dem direkt (wie bei ALDI) aus der Verpackung verkauft wird. Bananen, Kiwi-Früchte... alles da.

Schnell sind wir da wieder draußen. Abschließend verirren wir uns noch in das Hotel "Schützenberg", das macht einen ganz vornehmen Eindruck. An der Rezeption kann man mieten: SW- und Color-Fernseher DM 3.-/6.-, Regenschirm DM 1.-, Wecker DM -.50, Föhn DM 1.50 und anderes mehr. Da wir nichts davon benötigen machen wir uns auf die Rückfahrt. Nach kurzer Fahrt eine Ansammlung von Autos und Menschen, da liegen linkerhand die Rennsteig Sprungschanzen. Jetzt im Sommer sind sie mit Matten aus Kunsstoffborsten belegt, die werden auf der kleinen Schanze für trainierende Springer naßgehalten.


Rennsteig Schanzen

Tatsächlich erleben wir etwa vier Springer, die sich da tolltkühn hinunterstürzen. Es sind ganz junge Burschen. Danach fahren wir weiter hinunter, landen dann an dem Gasthof "Kanzlergrund", den ich am Tag zuvor von der anderen Seite bei der Orientierungssuche schon geortet hatte. Hier wird endlich eingekehrt und wir sitzen gemütlich bei Kaffee und Kuchen.

Der Rest des Heimweges ist von der Radtour tags zuvor bekannt, es ist auch mal ganz schön, die Strecke vom Auto aus in bequemer Manier zu erleben. Aber der Verkehr ist jetzt am späten Nachmittag recht lebhaft, in den kurvenreichen Ortsdurchfahrten muß man gut aufpassen. So in Sichtweite von Schmalkalden kommt dann was kommen muß: Stau. Dieser zieht sich ganz durch Schmalkalden hindurch, das ist wohl jeden Tag so, da muß man sich dran gewöhnen. Am Ortseingang kann man aber auf einen großen Parkplatz abbiegen, von dort läßt sich alles weitere besser zu Fuß erledigen. Heute sind wir noch in der Zeit, da kostet die öffentliche Toilette nur 10 Pfennige. Die gleich danebenliegende bedeutende Hallenkirche Thüringens hat nun ihre Tore geöffnet, man kann aber nur in den Vorraum hineingehen. Zum Pastor Naumann möchten wir nun auch nicht mehr, deswegen begnügen wir uns mit einem Blick in das dunkle Kirchenschiff.

Zum Essen ist es noch zu früh, da streunen wir ein wenig herum. Wir klettern den Hang im Süden hinauf, um ein Foto von dieser Seite zu machen. Auf dem Weg zum Essen kehren wir in einer Buchhandlung ein, mit der netten Dame dort führen wir ein längeres Gespräch. Sie erzählt, daß durch die Schließung einer Sportartikel- und einer Wekzeugmaschinenfabrik es 4 Tausend Arbeitslose gegeben hat. Schmalkalden hat 16 Tausend Einwohner. Da ist natürlich einiges am Brodeln. Es könnte einen "blutigen Herbst" geben, meint sie. Heidi kommt wieder mit ihrer DM 1.50 für Kontogebühren. Das wäre ja auch nicht richtig oder was. Ich enthalte mich eines Kommentars, es gibt eben große und kleine Probleme.

Endlich landen wir wieder im Pfalzkeller. Ein anderer Tisch ist noch besetzt. Mit der Bedienung sind wir schon angefreundet. Sie stammt aus Oberhof, da interessiert es sie, daß wir heute da oben waren, auch wenn wir nicht sonderlich begeistert sind. Das nimmt sie auch nicht übel, schließlich hat sie dem Ort auch den Rücken gekehrt. Wir bekommen sogar Plakate von dem Lokal geschenkt, damit wir in Braunschweig Reklame machen können. "Wie bei Dr. Fummelpfennig im Wendland" sage ich zu Heidi.

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