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Montag, 8.10. Fahrt nach Eisenach

Heute soll es losgehen, so stehen wir zwar nicht mit den Hühnern, aber mit den Kindern auf. Als die unter mehr oder weniger feierlichen Abschiedszeremonien in die Schule abgedampft sind, packen wir unsere Sachen. Die Fahrräder kommen auf das Dach vom Auto, 9.15 Uhr fahren wir los. Das Wetter ist warm und trocken, es ist etwas dunstig, aber die Sonne läßt sich ab und zu blicken. Auf der Autobahn geht es bis hinter Göttingen, dann zweigen wir bei Friedland ab auf die B 524 durch das Werratal. Vorbei an Wahlhausen auf der anderen Seite der Werra, früher ein Ort abgeschottet durch Zäune, heute "mitten in Deutschland", wie es so schön heißt. Rechts oben Burg Ludwigstein, von ihrer Klassenfahrt dorthin schwärmt Stefanie heute noch. Aber sie ist ja nun nicht mit von der Partie, so fahren wir vorbei und machen in Allendorf die erste Pause. Einen "Tchibo" oder "Eduscho" suchen wir vergeblich, aber die schönen Fachwerkhäuser, die dem Ort ein ganz einheitliches Bild geben, entschädigen uns für die entgangene Kaffeepause. Auch die Häuser an der alten Hafengasse sind vorbildlich restauriert.

Es ist nicht weit bis Eschwege, da machen wir die zweite Rast. Schnell ist ein Kaffeegeschäft gefunden, natürlich bedient Heidi den Automat nicht richtig, sodaß die Verkäuferin erst helfend einschreiten muß. Das fängt ja mal wieder gut an. Dafür finde ich beim Rausgehen einen Pfennig auf der Erde. Der Kaffee drängt nun. Da wir zufällig vor dem Rathaus stehen, nehmen wir die Gelegenheit wahr, eine Einrichtung desselben auch zu benutzen. Erleichtert entnehmen wir einer Schautafel, daß es sich um ein klassizistisches Gebäude usw. handelt, was ja auch nicht schlecht ist. Unser Auto steht notdürftig geparkt zu Füßen des Nikolaiturmes, den ich schnell noch erklimme, denn es kostet nichts. Oben hat man einen schönen Blick über die roten Ziegeldächer von Eschwege. Heidi studiert inzwischen die Schautafeln, weil es sie vor den durchsichtigen Gittern der Treppenstufen graust.

Es geht weiter an der Werra entlang über Wanfried. Nun sind wir ja gerade einige Tage wiedervereinigt, aber meine "Befürchtung", die alte Grenze gar nicht mehr zu bemerken, ist unbegründet. Der Zaun zieht sich nach wie vor über Wiesen und Äcker, an den Berghängen sind breite Schneisen, die erst in vielen Jahren zwachsen werden. Bald erreichen wir den Ort Treffurt, da sieht es auch schon anders aus als in Allendorf oder Eschwege. Auf einer schönen Strecke über Schnellmannshausen sind wir schließlich gegen Mittag in Eisenach. Erstaunt stellen wir fest, daß wir gerade 200 km zurückgelegt haben. In Eisenach fühlen wir uns erstmal nicht so wohl, der Schock über die vielen baufälligen und heruntergekommenen Bauten muß erstmal überwunden werden. Auch ist der Verkehr sehr lebhaft, nach dem Umrunden von einigen Plätzen und Straßenkomplexen finden wir schließlich doch einen günstigen Parkplatz am "Frauenplan" vor dem Bachdenkmal. Das Bachhaus ist gleich daneben, da drängeln sich die den Bussen entströmenden Menschen, auch ein "Mundstock"-Bus ist schon da.

Wir machen uns erstmal auf zur Touristen-Information, die liegt hinter dem Nikolaitor. Wir müssen eine halbe Stunde später noch einmal wiederkommen, da die für die Zimmervermittlung zuständige Kollegin erst ab 14 Uhr anwesend ist. Inzwischen besichtigen wir den Marktplatz, wo das schöne Rathaus von vielen Buden verstellt ist. Vietnamesen handeln mit Musikkassetten und nicht gerade modischen Textilien. Auch viele "Wessis" haben ihre Verkaufsstände aufgebaut und sichern die Versorgung mit Messern, Küchengeräten usw. Wir essen eine Thüringer Bratwurst.

Dann wieder zur Zimmervermittlung, wir bekommen sofort unser Quartier: Hillmer, Amalienstraße 8. Da können wir zu Fuß hinlaufen, es geht etwas den Berg hinauf. Hier stehen ehemals hochherrschaftliche Häuser, ob man die alle renovieren wird? Schließlich finden wir auch die uns genannte Adresse und werden herzlich aufgenommen und bekommen ein schönes Zimmer. Die Familie Hillmer hat einen Malerbetrieb, da ist jetzt und in Zukunft an Arbeit und Aufträgen kein Mangel.

Dann brechen wir auf, um der Bildung die Referenz zu erweisen. Das Ziel ist ja wohl nicht weiter zu diskutieren. Mit Freuden stellen wir fest, daß es ganz nah zum Auto ist, das wir erst am Abend "überführen" werden. Wir steigen hinter dem Bachhaus den Berg hinauf, "Burgweg" oder so, das ist ja wohl richtig. Bald kommen wir auf einen anderen Weg, mein unfehlbarer Richtungssinn läßt uns erstmal in die Richtung laufen, in die wir nicht wollen. Das stellt sich heraus, als wir die schönen Umrisse der Wartburg hinter uns durch den Wald schimmern sehen. Also umgedreht, mit einer Gruppe von vier Personen, zwei davon englisch sprechend, diskutieren wir an der nächsten Kreuzung über den Weiterverlauf des Aufstiegs zur Burg. Während ich meinem Richtungssinn folgend für einen Trampelpfad im Wald plädiere - vielleicht eine Abkürzung - besteht Heidi darauf, auf dem befestigten Weg zu bleiben. Ihre Erfahrungen mit meinen "Abkürzungen" werden nun sogar in das Englische übersetzt und ruft Heiterkeit hervor. Eine weitere Frau wird gefragt, die bestätigt, daß meine Abkürzung einen größeren Umweg bedeutet hätte, es wird schließlich so gegen 18 Uhr dunkel. Heidi ist ganz stolz, daß sie den Orientierungswettkampf gewonnen hat. So landen wir naturgemäß auf dem Eselsplatz, von wo aus heute aber keine Esel die neugierige Fracht auf die Wartburg transportieren. So steigen wir nunmehr abgesichert durch vor und hinter uns laufende Busladungen die Treppen zu der berühmtesten Burg Deutschlands empor.


Die Wartburg

Rechts liegt das Wartburghotel, man kann einen Innenhof betreten und hat auch einen hübschen Blick auf die westliche Seite der Burg. Danach geht es über die Zugbrücke, die Heidi komischerweise ohne Abflug überwindet. Dann betreten wir das Allerheiligste, es kostet eine Mark "Torgeld". Nun folgen "Erster Burghof" und "Zweiter Burghof". Wir können die Vogtei mit Lutherstube besichtigen. Die Lutherstube, in der die Bibel übersetzt worden sein soll, ist ein schlichtes mit grobem Holz ausgeschlagenes Zimmer. Die Fenster sind aus trübem Butzenglas. Das ist auch nötig, denn sonst hätte Luther, anstatt zu übersetzen, den ganzen Tag aus dem Fenster geguckt. Denn draußen liegen die herbstbunten Wälder des Thüringer Waldes auf der einen Seite, auf der anderen tief unten Eisenach, oben an den Hörselbergen, wo es auch Höhlen geben soll, zieht sich die Autobahn entlang - das wäre was für Luther gewesen. Der wäre aus dem "Wartburg"zählen gar nicht herausgekommen. Eine Tafel informiert die Besucher, daß so ziemlich jedes Möbel in der Lutherstube nicht mehr dem Original entspricht, an dem Tisch soll er allerdings gelegentlich einmal gesessen haben. Genausowenig ist der berühmte Tintenfleck an der Wand zu orten, wohin Luther einmal sein Tintenfaß geworfen haben soll, als ihn der Teufel zu irgendetwas Unanständigem verleiten wollte.

Am Ende des zweiten Hofes steht der Südturm, den man auch besteigen kann. Heidi hat derweil Gelegenheit, die traurige Geschichte eines hier 18 Jahre eingekerkerten "Wiedertäufers" zu studieren. Da wird auf einer Schautafel beschrieben, wie tief das Verließ ist und wozu das "Angstloch" da ist. Ich gucke mir derweil nochmal alles von oben an, bis zum Großen Inselsberg kann man schon sehen. Unten steht eine Menschenschlange und wartet auf die Führung durch den Rittersaal und das Ritterbad. Es ist dennoch so, daß wir heute am Montag Nachmittag außerhalb der Reisesaison eine geradezu menschenleere Wartburg erleben. "All back to the bus !" vernehmen wir beim Zurückgehen. Während die einen ihrem Bus zustreben, traben wir über den Reuterweg hinunter. Auf das Reuterhaus bin ich gespannt, weil ich in der letzten Zeit einiges von Reuter gelesen habe, so auch über seine letzten Lebensjahre, die er hier in Eisenach verlebt hat. "Montag geschlossen", außerdem ist es nach 17 Uhr, also keine Besichtigung möglich. Man kann aber in den Garten gehen, aber auch da ist nicht sehr viel zu sehen. Eine Gruppe von Leuten wischt mit kleinen Läppchen am Putz des Reuterhauses herum, das sind sicher Restauratoren.

Nun streben wir dem Abendessen zu, ein neues Lokal ist uns von unserer Zimmerwirtin empfohlen worden. Uns gefällt es gar nicht, hypermodern eingerichtet hat es keine Atmosphäre, auch die Speisekarte ist nicht so ganz das, was man sich so erhofft. Wir begnügen uns mit Sahnehering, werden immerhin satt. Schließlich landen wir in unserem Quartier, wo wir noch mit einem laut tickenden Wecker zu kämpfen haben, der landet schließlich im Kühlschrank, wo er auch pünktlich kurz nach dem Einschlafen laut rasselnd Alarm gibt.

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