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Der Harzrandweg

Hahausen (Seesen) - Appenrode (Ellrich), 9.8., 100 km

Es ist Anfang August und schönstes Sommerwetter, da steht mir plötzlich ein Samstag ins Haus, den ich allein zu Hause verbringen muß, nach dem Motto: "ich bin allein zu Haus und weiß kein Bescheid..." (Kempowski). Heidi muß nämlich arbeiten und Stefanie hat ihre Buchhändlerausbildung bei Pfannkuch angetreten.

Da der Rasen gemäht und auch sonst alles weg geschreddert ist, kann ich ja mal überlegen, was man mit so einem Tag machen könnte. Auf dem Weg zur Arbeit fällt es mir ein: der Radwanderweg rund um den Harz! Es fällt mir nicht nur ein, sondern packt mich regelrecht, so daß ich schon wenig später in diverse Buchhandlungen eile, bis ich den Radwanderführer "Harzrundweg" von der BVA erwerben kann. Der Harzrundweg ist insgesamt über 400 km lang, das gibt Arbeit für einige Tourentage.

Das Vorabstudium der ersten Tour besteht darin, die Eisenbahnverbindungen am südlichen Harzrand zu prüfen. Leider besteht auf der Strecke Herzberg - Seesen nur in der Woche eine Verbindung. Ansonsten kann man zwischen Sangerhausen und Herzberg nach Belieben hin und her reisen.

Als Startpunkt nehme ich mir aber die Bank vor, auf der Heidi und ich im vergangenen Jahr rasteten, als wir auf dem R1 auf dem Weg nach Pyritz/Pommern waren. Da haben wir uns am nördlichen Harzrand entlang gequält und festgestellt, daß der R1, hier zusammenfallend mit dem Harzrundweg, für bergscheue Gepäckreisende ungeeignet ist.

Heute ist die Lage anders, ich habe weder Gepäck mit zu führen noch bin ich bergscheu. Außerdem mache ich gerne mal wieder eine Tour allein, da kann ich mich nach Herzenslust verfransen usw. So bin ich entschieden übermotiviert, denn ich wache schon nachts um drei auf. Als ich um halb vier immer noch nicht wieder eingeschlafen bin (der Wecker ist auf fünf programmiert), stehe ich auf - fühle ich mich doch topfit und kann den Aufbruch kaum erwarten.

So kommt es daß ich schon um fünf Uhr morgens mein Auto in Neuekrug bei Seesen abstelle. Es ist noch so gut wie dunkel, im Nordosten wird der Himmel schon ein wenig hell. Mit surrendem Dynamo fahre ich los. Erst geht es über freies Feld, doch dann fährt man auf einem Waldweg, da ist es fast stockdunkel. Lautlos streicht ein größerer Vogel durch die Baumwipfel, das ist sicher eine Eule, wie es sich um diese Zeit gehört.

Morgengrauen am Harzrand

Laut Karte müßte ich nun bald eine Bahnlinie queren, aber es geht immer weiter rauf und rauf, links liegt eine finstere Bachschlucht. Einmal lichtet sich der Wald etwas und ich kann in der Dämmerung gerade so die Karte erkennen. Da bin ich natürlich völlig falsch unterwegs und würde genau wieder am Abfahrtsort raus kommen. Also zurück und alles wieder hinunter, dort ist die Abzweigung, die man eben auch leicht übersehen kann. Der Harzrundweg ist durch ein kleines – eher unscheinbares – Schildchen mit einer radelnden Hexe gekennzeichnet. An die muß man sich erst gewöhnen. Und an der nächsten Wegbiegung verpasse ich sie schon wieder, vielleicht bin ich doch noch nicht richtig wach.

Denn der Wanderweg führt nicht über Bornhausen, wohin es mich jetzt verschlagen hat. Wieder heißt es: zurück fahren, diesmal auf einer wegen einer Baustelle gesperrten, daher autofreien Straße. Der Karte ist zu entnehmen, daß mit dieser Aktion ein "ehemaliger Braunkohlentagebau" umrundet wird. Dann findet sich die Hexe wieder und durch ein Gebiet mit Fischteichen – hier hängen die Morgennebel besonders dick herum, erreicht man die Unterquerung der B248. Dann geht es stramm hinauf, wonach man nach Erreichen des Ortsrandes von Seesen nur energisch bremsend das vorgeschriebene "Tempo 30" einhalten kann.

Entlang an einem Bach namens Schildau auf der Straße nach Lauthental kann man sich wieder die Augen nach der Radelhexe ausgucken. An dieser Straße nach Lautenthal hat man übrigens im vergangenen Jahr zwei junge Bären aufgegriffen, leider konten sie nichts über ihre eigene Herkunft verraten. Hübsche Anwesen gibt es hier, da läßt es sich wohl gut wohnen. Schließlich habe ich die Schlüsselstelle gefunden, von wo es sich wieder steil hinauf in den Wald zieht.

Als es endlich eben dahin geht, ereignet sich die Begegnung der dritten Art – oder so. Voraus schicken muß ich eine kleine Gruselgeschichte. Da haben sich in den vergangenen Jahren ein paar unaufgeklärte Morde im Südharzbereich ereignet. Jedesmal wurden Wanderer oder Spaziergänger die Opfer, das letzte mal wurde ein Besucher der Himmelreichhöhle bei Walkenried auf dem Parkplatz erschossen. Der Täter muß ein Verrückter sein, der sich wahllos ein Zufallsopfer sucht. Von alledem habe ich zuvor zu Hause nichts erzählt.

Nun aber habe ich eine Gänsehaut. Voraus in einer Kurve steht eine Gestalt, es ist 6.30, die Sonne noch nicht aufgegangen. Das Fahrtempo wird erhöht, das geschieht ganz instinktiv. Umkehren kann man auch nicht, da würde man sich ja blamieren. Vielleicht ist es ja auch nur ein Forstarbeiter oder Pilzsucher. Aber nichts von beidem, ein langhaariges Individuum mit Rauschebart und Plastiktüten um sich herum. Wie ich näherkomme macht er die fragende Geste auf das Handgelenk: "Halb sieben!" rufe ich aus. Dann ruft er noch, ich bin fast schon wieder weg: "Wo geht’s n‘ nach Leege?" "Seesen?" "Nee, Leege" Ich kann nur noch mit den Achseln zucken und fahre mit unvermindertem Tempo weiter. Als ich außer Sicht- und Schußweite bin, atme ich tief durch. Wenig später kommen mir zwei Pilzsucher entgegen. Die kann ich nun ganz lässig mit "Guten Morgen" begrüßen.

Flott geht es wieder hinunter. Als ich den Waldrand erreiche liegt die Ortschaft Herrhausen schon im Sonnenschein. Während ich weiter hinuntersause, sehe ich in den Augenwinkeln das Hexenschild im Gebüsch mit einem Pfeil nach links vorbei huschen. Vollbremsung, das wäre doch beinahe wieder schief gegangen. Man muß nämlich über eine Knüppelbrücke und durch die Wiesen nach Münchehof, und dann geht es auf einer Nebenstraße weiter zur Domäne Stauffenburg. Damit man nicht auf der Landstraße bleibt, ist in der Wegbroschüre "Schlechte Wegstrecke" angegeben. Daran halte ich mich, wähle den am schlechtesten ausgebauten Weg mit Gras und Pfützen, und siehe da : es stimmt.

Im folgenden muß man den Blick möglichst auf den Weg gerichtet halten, hier ist eine Rennstrecke für Weinbergschnecken. Diese habe ich mit Erfolg in unserem eigenen Garten heimisch gemacht, da empfindet man schon so eine Art Artverwandtschaft. In Gittelde kommt man direkt an der Kirche heraus - und dann verließen sie ihn. Hübsche Häuser säumen die Straßen, aber trotz allen Herumirrens finde ich den weiteren Weg nicht. Noch viel weniger das Mundloch des berühmten Ernst-August-Stollens, mit 32 km der längste Europas. Irgendwie gelange ich dann doch über Teichhütte nach Badenhausen, wo ich schon wieder von allen Geistern, sprich der Hexe, verlassen bin.

Gärten und Kirche in Gittelde

Als ich endlich festlegen kann, wo ich mich auf der Karte befinde, finde ich auch Weg und Hexe wieder. Man überquert die Söse, nach der ist auch eine Talsperre oberhalb von Osterode benannt.

Nun folgt eine wunderschöne Strecke durch die Felder. Die Sonne meint es inzwischen schon gut, aber noch ist es total windstill. Das vermelden auch sämtliche im Umkreis sichtbaren Windräder, die sich beharrlich weigern, heute Strom zu produzieren. Ich produziere alsbald wieder Schweiß, denn man muß hinter dem Ort Förste wieder ziemlich hinauf. Dort oben liegt dann die Pipinsburg (vorchristlich - keltisch) in strategisch günstiger Lage. Nur ein paar Wallreste sind noch erkennbar.

Die folgende Strecke bis hinter Ührde ist nicht nur landschaftlich wunderschön, sondern es geht die ganze Zeit auch noch bergab. Um nach Schwiegershausen zu kommen, muß man dann doch wieder über einen Berg. Neben der Landstraße fährt man an einem Bach entlang, der von irgendwoher kommt und irgendwo endet. Man befindet sich nämlich schon im Karstgebiet von Beierstein und Hainholz, wo wir vor vielen Jahren unsere ersten und schönsten Höhlentouren gemacht haben.
Jettenhöhle, Klinkerbrunnen, Marthahöhle, Polenloch... das klingt wie Musik in den Ohren.

Blick zum Baierstein

Angesichts des Beiersteins lasse ich mir dann auch ein Käsebrot schmecken. Jahrelang hat man darum gekämpft, dieses einzigartige Gipskarstgebiet ringsumher vor dem Abbau zu retten. Man hat es geschafft, aber ein anderer Geselle hat sich nicht an die Vorschriften in einem Naturschutzgebiet gehalten. Das war der Sturm vor einigen Wochen. Der hat hier gründlich gehaust und im Hainholz, Schmuckstück mit seinem Buchenwald, dem Hirschzungenfarn und dem Bärlauch im Frühjahr, nun sieht es da aus wie Kraut und Rüben. Ein Trost bleibt: Wälder wachsen nach, Gips nicht. Jedenfalls nicht so schnell, daß man darauf warten könnte. (S. Artikel F. Vladi: Hainholz zu Kleinholz).

Hainholz und Kleinholz

Man schiebt nun hinauf nach Düna, ein Foto vom demolierten Hainholz, und weiter geht es in - zunächst noch - unbekannte Gefilde. Wenig später quert man die B243 und die Eisenbahn. Danach kann man die durch den Sturm angerichteten Schäden von nahem sehen. Es sieht grausig aus, man hat bei weitem noch nicht alles aufräumen können.

Das Fachwerkschloß in Herzberg

Nun wird die Stadt Herzberg erreicht. Ein Schlenker durch die Fußgängerzone bringt nicht viel, die ist wie überall "Schleckergeschädigt". Lohnender ist die Umrundung des Juessee, dem größten Erdfallsee in Niedersachsen. Die Seerosen wachsen üppig. Vor der Badeanstalt warten ein paar Jugendliche darauf, daß diese geöffnet wird. Es ist ja erst 10 Uhr, ich habe ein gestörtes Zeitgefühl, nachdem ich bereits 5 Stunden unterwegs bin.

Der Juessee in Herzberg

Von Herzberg bis Bad Lauterberg geht es nun durchweg auf der Landstraße weiter, das ist weniger schön. Besonders in Scharzfeld hat man unterhalb der berühmten Steinkirche die vierspurige Trasse der B243 durch den Südhang mit Klippen und Trockenrasen gefräst. Befassen wir uns besser nicht näher mit diesem Teilstück des Harzrundweges, auch die Ortsdurchfahrt in Bad Lauterberg kann man getrost vergessen.

Nun steht man vor einer Weggabelung, da geht es zum Wiesenbeker Teich. Am oberen Weg turnen gerade zwei Mountainbiker voll in Schale herum. Einer kriegt anscheinend den Berggang nicht richtig in Gang, deswegen fahre ich vorbei, um mit einem Blick auf die Karte festzustellen, daß ich den unteren Weg hätte nehmen sollen. Nun kann ich wieder nicht umkehren, den heißen Atem der Mountainbiker im Nacken. Aber die kommen mit ihren Gängen anscheinend doch nicht in die Gänge, und so bin ich bald allein zum Wiesenbeker Teich hochgeklettert. Der untere Weg kommt natürlich auch hier unterhalb der Staumauer raus, aber das kommt aufs selbe raus, weil es ohnehin weiter bergauf geht. In reizvoller Lage liegt wie die Faust aufs Auge oberhalb des Teiches (Tretbootvermietung) ein Campingplatz. Die Wohnmobile haben abmontierte Räder, einen Vordergarten und einen Zaun drum rum. Das ist sicher nicht nur für ein Wochenende gedacht, schon gar nicht für nur eine Saison. Aber schön ist es hier schon, soll man denn das verkommen lassen?

Wiesenbeker Teich

Es geht im Zickzack weiter, immer bergauf, man umrundet ein Tälchen mit seinem Quellgebiet. Auf der Höhe dann ein Markstein: "Wasserscheide Weser Elbe". Ab hier findet also jeder Wassertropfen seinen Weg - je nach dem, wenn er denn so weit kommt.

Steina

Bis zum Ort Steina saust man durch ein schattiges Wald- und Wiesental (Einzugsgebiet Elbe), das Pedalieren sollte man unterlassen und sich statt dessen der Natur erfreuen. Steina ist ein hübscher Ort, man hat eine schöne Aussicht zu den Römersteinen hinüber. Nur das Foto der Ortskulisse mit Kirche wird wohl durch den Anblick eines aufdringlichen Partyzeltes verschandelt sein. (Ganz so schlimm ist es dann doch nicht, wie man sieht).

Bad Sachsa

Gehörig schwitzt man noch, um über den Berg nach Bad Sachsa zu kommen. Dort ist es gleich 12 Uhr, gerade noch kann ich eine Flasche Sinalco (Zitrone, 1.5 l) erstehen, dann machen die Geschäfte zu. Über die Landstraße geht es weiter nach Walkenried, wo erst einmal die Klosterruinen entsprechend zu würdigen sind. Vor einem Brunnen mit der sich drehenden Nachbildung eines Gipskristalls pelle ich mir ein Ei und verzehre ein Wurstbrot. Es ist an der Zeit, sich über den weiteren Tagesverlauf Gedanken zu machen. Da der Wind auffrischt und ich auf der Rückfahrt mit ihm die gleiche Richtung haben werde, beschließe ich, mich bei diesem herrlichen Wetter nicht in einen Zug zu setzen. Da ich allein fahre, wollte ich ja auch mal wieder ein wenig am Limit schnuppern, die erforderlichen Kilometer kommen dann genau richtig.

Klosterruine Walkenried
Klosterruine Walkenried

Es wird beschlossen - keiner widerspricht - noch über Ellrich bis zum "Naturdenkmal Kelle" zu fahren. Zwischen Walkenried und Ellrich der verwachsene Streifen der ehemaligen Grenze. Vor Ellrich bemüht man sich, Industriegebiet anzubieten. Weiterhin ist der Solidaritätszuschlag wohl in die Pflasterung des Ortes eingebracht worden. Das wirkt steril im Gegensatz zu einigen Häusern, die eine Renovierung dringend nötig und verdient hätten. Ein eingefaßter Bach fließt durch den Ort, das ist die Zorge.

Ellrich

Dann wird der Wanderweg wieder, wie man sich ihn wünscht. Auf Schotter ohne Autos und durch herrliche Landschaft. Rechts eine weiße Steilwand aus Gips. Diese entstehen dadurch, daß ein Bach den Fuß der Steilwand beständig ablöst, auflöst und abtransportiert. Der Wand bleibt nichts anderes übrig, als gelegentlich nach zu brechen, um auf festen Füßen stehen zu bleiben. Sowas lernt man, wenn man seit vielen Jahren den Höhlen- und Karstforschern gelauscht hat. Wem dieses Gkück nicht zuteil wird, der kann sich vor Ort an Schautafeln informieren, die entlang des liebevoll gestalteten Karstwanderweges aufgestellt sind.

Die Furt durch die Sülze

Vorletzte Attraktion für diesen Abschnitt ist eine Furt durch das Flüßchen Sülze nahe der Untermühle. Da kann man sich doch tatsächlich nasse Füße holen, heute eine Wohltat! Letzte Attraktion ist aber das Naturdenkmal Kelle. Hier war ich einmal im Jahre 1990 im Rahmen einer Karstexkursion.

In dem Bericht über jene Unternehmung ist das geologische Umfeld dieser Höhlenruine und anderes mehr aus dieser Gegend beschrieben. Inzwischen hat man etwas getan, Wege und Treppe mit Geländer angelegt, so daß man bequem alles ansehen kann, ohne in der Gegend herum zu trampeln.

An diesem heißen Tag ist es besonders beeindruckend, wie sich beim Hinabsteigen in den Erdfall schlagartig die Temperatur ändert. Offenbar liegt die kalte und schwere Luft hier unten wie in einem Keller. Wenn man sich dem Höhlenrest mit dem 7m tiefen See weiter nähert, wird es noch kühler. 8 Grad C beträgt in unseren Breiten die Durchschnittstemperatur untertage. Wenn man dann wieder oben ist, kommt man sich wie in der Sauna vor.

Die Höhlenruine der Kelle

Nun zeigt der Tacho 110 km an, wobei die Umwege und Irrfahrten eingerechnet sind. Aber der Rückweg wird 75 km betragen. Der Ostwind hat aufgefrischt, so daß man gut vorankommen wird. Andererseits fehlt der Fahrtwind von vorn, das ist bei der Hitze ein Problem.

Zunächst geht es auf einer Art Abkürzung nach Woffleben, auf schöner Strecke immer schön parallel zum Harzrand bis Branderode, wonach man mit Neuhof wieder auf bekannte Gefilde stößt. Zwischen 14 und 15 Uhr wird die Hitze nun doch fast unerträglich. Das löst sich allerdings von allein, denn zwischen Bartolfelde und Barbis geht ein ziemlicher Regenschauer nieder. Es zeigt sich einmal wieder, das Regenzeug auch bei der besten Wetterlage brauchbar ist. Hinter Scharzfeld ist dann wieder alles trocken und keine Wolke am Himmel.

Das Mundloch des Ernst-August Stollens

Jetzt auf der Rückfahrt komme ich in Gittelde auf der Hauptstraße direkt am Ernst-August Stollen vorbei. Diesem entströmt regelrecht ein kalter Wind. Was ist hier wohl im Winter los? Kommt dann warme Luft raus, oder wird kalte Luft eingesaugt? Wieder auf dem Rad, habe ich damit zu tun, darüber nach zu denken. Vor Jahren waren wir bei Braunlage mal an einem kalten Wintertag im Oderstollen, der wenige 100 m lang ist und blind endet. Zur Sicherheit hatten wir eine Kerze mit. Die ging prompt aus, als wir einigermaßen tief im Stollen drin steckten. Und ein Streichholz ließ sich nicht anzünden. "Nichts wie raus" war die Devise. In Sichtweite des Mundlochs brannte dann sowohl Streichholz als auch Kerze wieder.

Wir hatten uns das so erklärt, daß im Winter bei leichtem Stollenanstieg die wärmere und leichtere Luft im Berg gefangen bleibt. Der Sauerstoff dieser stehenden Luft ist schnell aufgebraucht, zum Glück hatten wir es gleich gemerkt. Der Oderstollen ist inzwischen verschlossen worden, damit nicht andere auf den gleichen Unsinn verfallen.

Im Sieberstollen gab es vor einigen 100 Jahren in der Neujahrsnacht mal einen schlimmen Unfall mit mehreren Toten, als ein Wasserstrahl aus einem abgesoffenen Schacht in den Stollen strömte und durch die Entspannung des Wassers giftige aber nicht zu bemerkende Gase freigesetzt wurden.

Soviel zu den Geschichten, die sich um die Bergwerksstollen ranken. Inzwischen irre ich in Osterode herum, um die Nebenstraße parallel zur B243 zu finden. Das ist ziemlich nervig, weil nichts ausgeschildert ist. In Seesen bin ich dann schneller als erwartet, aber die letzten paar Kilometer bis zum Auto geraten besonders lang. 4 Stunden hat der Rückweg gedauert, vielleicht hätte man doch besser von Nordhausen bis Herzberg die Bahn benutzt.

Über die körperliche Leistung des heutigen Tages kann ich sehr zufrieden sein, jedenfalls fühle ich mich gründlich ausgetobt.

Appenrode(Ilfeld) - Wippra, 16.8., 80 km

Die Fortsetzung der Harzrand - Rundreise läßt nicht lange auf sich warten. Schon einen Samstag später das gleiche Theater: der arbeitende Teil der Bevölkerung unserer Familie grenzt mich erneut aus. Ausgrenzen heißt nicht ausbremsen, heute kräht der Wecker um halb fünf. Eigentlich wollte ich nun heute morgen nach Ellrich fahren, anscheinend aber bin ich wieder nicht richtig wach und lande kurz vor sieben Uhr in dem Ort Ilfeld bei Nordhausen. Das liegt daran, daß es die Straße von Rothesütte im Harz nach Ellrich anscheinend nicht gibt – jedenfalls nicht für mich.

Ich stelle das Auto in also in Ilfeld ab und grüble nun darüber nach, wie die Tour zu starten ist. Nach Appenrode, dem Endpunkt der letzten Tour sind es von hier aus gerade 5 km. Der Harzrundweg verläuft aber genau auf der Straße, da kann man nur hin und zurück auf der gleichen Strecke fahren. Um nichts zu verpassen und in meiner Chronistenpflicht nichts zu unterschlagen, fasse ich das also als morgendliche Trainingseinheit auf und mache mich auf den Weg. Rings umher ist noch alles grau verhangen, erst kommt ein Teich, dann geht es steil hoch durch einen Wald, dann noch steiler hoch an einer blöd glotzenden Rinderherde vorbei. Am Ortseingang von Appenrode geht es steil hinunter. Das gönne ich mir dann nun doch nicht, denn das müßte man ja nachher wieder hoch.

Wird es schon Herbst bei den Schwalben von Ilfeld ?

Also zurück in sausender Fahrt vorbei an der Rinderherde, die glotzen nun eher anerkennend. Nach diesem Intermezzo geht es nun ab Ilfeld auf die eigentliche Strecke. Erst auf der Straße, dann auf Nebenwegen vorbei an einem Waldschwimmbad nach Neustadt. Oberhalb liegt die Burgruine Hohnstein, sicher sehenswert, aber mit dem Fahrrad schwer zu erreichen. Neustadt ist touristisch voll auf der Höhe, das sieht man an den zahlreichen Gaststätten und Hotels.

Weiter geht es an einem Waldrand sacht bergauf, dann krebst man entlang des Krebsbaches ein paar geschotterte Serpentinen hoch. Der Weg ist weiterhin etwas abenteuerlich mit seinen Schlaglöchern, in Hermannsacker erreicht man kurz die Zivilisation, noch ist alles verschlafen. Ein Bachtal hinunter, dann stößt man auf die L27, die hier einen aufgestauten Teich umkurvt. Man selbst findet sich aber – der radelnden Hexe folgend - auf einer grob geschotterten Straße im Anstieg begriffen wieder. So geht das bis Rödishain, da wird kräftig an netten Häuschen in landschaftlich reizvoller Lage gebaut. Alles was man bisher aufgestiegen ist, muß man nun wieder hinunter, wobei der Radfahrer nicht auf die frisch geteerte, sondern auf die Schlaglochstrecke geschickt wird.

Dieser Teil der Strecke dient denn wohl auch eher der Selbstkasteiung, aber wer es gern holperig und bergig hat, der mag seine Freude daran haben. Es macht auf jeden Fall mehr Spaß, als bequem auf der L27 dahin zu rollen, die einen schließlich nach Rottleberode bringt. Rechterhand liegt ein frisch erbautes Stadion mit englischem Rasen, Tartanbahn und Flutlicht – alles vom Feinsten. Der Ort wird längs durchfahren, hinter’m Bahnhof geht’s rechts ab Richtung Alter Stolberg, so heißt dieses kleine Gebirge hier. An einer Seite wird tüchtig genagt, da bauen die Knauf-Werke Gips ab.

Eine Ranch am Harz

Nun geht es auf einem sehr gepflegten Weg zwischen blühenden Wegrändern dahin, bis man die Attraktion der Gegend, die Schauhöhle Heimkehle erreicht. Wir waren 1990 schon einmal hier, als uns Christel und Reinhard Völker auf eindrucksvolle Weise in diese uns seinerzeit völlig unbekannte neue Welt eingeführt haben. Einer Schautafel ist zu entnehmen, wie die Höhle entstanden ist: im wasserführenden Teil der Gipsformationen wird durch beständige Lösungstätigkeit Material abgeführt, die entstehenden Hohlräume brechen nach und nach ein, und so hat sich hier allmählich eine der größten Gipshöhlen überhaupt gebildet.

Während die dienstbaren Geister sich auf den Tagesansturm der Gäste vorbereiten, fahre ich über die Brücke der Thyra, vorbei an der Pulvermühle. Pyrotechnik steht da auf einem Schild. Muß was mit Sylvester und Feuerwerkszauber zu tun haben. Unser Hund Ajax steht da besonders drauf, der würde sich bei solchen Anlässen am liebsten noch unter den Teppich verkriechen.

Hinter Uftrungen kommt nun eine besonders schöne Strecke. Sie ist zwar auch nicht befestigt, aber gut zu fahren. Dafür hat man es kaum mit Autos zu tun. Es geht durch ein herrliches Wald- und Wiesental, ein Rastplatz liegt so idyllisch, daß ich mich doch glatt zu einem Käsebrot hinreißen lasse. Hinter Breitungen dann heißt es aufpassen, hier gibt es eine weitere Sensation: den periodischen See Bauerngraben. Als rechts eine Gipssteilwand auftaucht ist schon klar, da muß es sein. Ein undurchdringlich zugewuchertes Bachbett führt schnurstracks dorthin. Nur einen Weg gibt es nicht. Laut Karte kann man aber am Waldrand dorthin gelangen, in der Ferne sehe ich auch Leute und einen Hund.

Ich fahre eine Weile den Weg am Waldrand entlang und treffe dann auf das Ehepaar mit Hund. Laica heißt er, hat ein Glöckchen und eine Rot Kreuz Weste an. Ich frage mal vorsichtig, ob man hier zum Bauerngraben käme. "Das ist er, da genau vor Ihnen". Verdutzt schaue ich durch die Bäume auf eine grüne Senke. Natürlich – um die Jahreszeit ist da natürlich kein Wasser drin. "Wir gehen da jetzt runter – wenn sie wollen, kommen Sie gleich mit". Da lasse ich mich nicht lange bitten. Wir diskutieren ein wenig über die Besonderheiten dieser Gipskarsterscheinung, ein bißchen Ahnung habe ich ja auch selbst.

Der Bauerngraben

Es wird mir also noch folgende Geschichte erzählt, wie sie in den Chroniken verzeichnet sein soll. Wenn die Abflüsse dieses periodischen Sees verstürzt und damit verstopft sind, bleibt das Wasser in dieser Senke, gespeist durch den hinein fließenden Bach, viele Meter hoch stehen. Wenn das Wasser die Gipsmassen in den Abflüssen aufgelöst hat, kann das Wasser in den Berg versickern, und das könne sehr schnell gehen. Einstmals also habe der See einige Jahre lang bestanden, da habe man hier Karpfen gehalten. Eines Tages aber habe man sich die Augen gerieben, See und Karpfen waren spurlos verschwunden. Ein paar Monate später sei das Wasser aus dem Berg zurückgekommen, mit ihm die Karpfen, die allerdings diesen Ausflug in das Bergesinnere nicht überlebt hätten.

Daß das Wasser verschwindet, ist plausibel, daß es zurückkehrt, weniger, es sei denn, die Zugänge bilden einen Überlauf der unterirdischen Hohlräume. Wir kennen so was in unserer Gegend in der Nähe des Ortes Alt Wallmodem, dort heißt die Angelegenheit Kirschensoog. So gibt es unter der Erde noch manches zu entdecken, denn es ist wenig über die hydrologischen Verhältnisse des Untergrundes bekannt.

Anwesen in Agnesdorf

Ich bedanke mich bei dem netten Ehepaar und mache mich wieder auf den Weg. Zeit zum Ausrechnen der verlorenen Zeit bei dieser Besichtigung bleibt nicht, erreicht man doch auf der Abfahrt nach Questenberg eine neue Rekordgeschwindigkeit: 55 km/h. So geht es in sausender Fahrt an der hübschen Fachwerkkirche und der Abzweigung des Rundweges vorbei. Spätestens am Ortsausgang aber merkt man den Irrtum, kehrt reumütig um, macht dann auch das Foto von der Kirche, wie es sich gehört und folgt brav der Radlerhexe, die einen nun gründlich ins Schwitzen bringt. Wir befinden uns hier genau auf dem Karstwanderweg, Hinweistafeln klären einen über die geologischen Besonderheiten auf. Hier hat man es mit den Bachschwinden des Hasel- und Dinsterbaches zu tun, wenig weiter mit einem Aufschluß des Kupferschiefers. Hinter Hainrode bedarf es keines Hinweisschildes, da liegen eine Menge ehemaliger Pingen, das sind kleine kegelförmige Abraumhalden, mit Bäumen bewachsen.

Questenberg

Nach einer etwas anstrengenden Bergauffahrt durch ein allerdings wieder herrliches Wiesental erreichen wir Morungen mit seinem Schloß. Das scheint aus rotem Bundsandstein erbaut zu sein, dann bin ich schon wieder auf dem Weg nach Wettelrode. Von weitem sieht man schon den Förderturm des Röhrigschachtes, heute ein Schaubergwerk. Aus Solidarität mit diesem Betrieb versammelt man sich in Eintracht mit der radelnden Hexe auf dem Parkplatz desselben. Nun kann auch der Blick hinüber schweifen in Richtung Sangerhausen, das nicht nur durch sein Rosarium, sondern auch noch durch den häßlichsten Berg des Harzes berühmt ist. Dieser Berg ist ein kegelförmiger Abraumberg, unbewachsen und weithin sichtbar.

Ein Wiesental

Auf einer weiteren Schautafel, an denen unser Weg scheinbar reich gesegnet ist, läßt sich einiges über den Sangerhäuser Bergbau in Erfahrung bringen. Da hat man den Röhrigschacht 163 m tief auf den Wasserlösungsstollen "Segen - Gottes" nieder gebracht. Dieser wiederum wurde um 1854 von Sangerhausen vorgetrieben, bis man auf eine mit Wasser gefüllte Höhle stieß. Das brauchte dann Monate bis diese leer gelaufen war. Aber man hat einmal gesehen, wo das ganze Wasser der Bachschwinden, periodischen Seen usw. ab bleibt.

Schautafel

Auf der Grasfläche neben dem Parkplatz steht ein eigenartiges kegelförmiges Gebilde aus Ton oder Schamott. Es dient jetzt als Papierkorb. Kleine seitliche Öffnungen am Boden lassen darauf schließen, daß es sich um eine Nachbildung eines vorgeschichtlichen Schmelzofens handelt. Die seitlichen Öffnungen dienten dazu, durch Luftzufuhr das Feuer ordentlich auf Trab zu bringen.

Förderturm und Schmelzofen

Inzwischen hat das zweite Käsebrot seinen Weg gefunden. Ein Blick auf die Landkarte, man muß den Rückweg im Auge behalten. Zwar kann man mit der Bahn von Sangerhausen zurück fahren, aber dann hat man eigentlich nicht viel geleistet. Da wieder Ostwind herrscht, kann man gut mit Rückenwind zurück. Erst mal geht es wieder hoch und auf einem Höhenweg mit beiderseitigem Ausblick dahin. Nach rauf wieder runter nach Obersdorf, wo man erstaunt feststellt, daß man immer noch auf dem richtigen Weg ist, obwohl die radelnde Hexe sich rar und rarer macht. Man kann aber gut nach der Karte fahren. Der direkte Weg würde einen sogleich nach Wippra führen, der Wanderweg dagegen führt auf zwei großen Schleifen durch den Wald bis auf über 400 m Höhe. Nachdem man die Hohe Äbtissin - so heißt ein Berg - umrundet hat, stößt man auf ein Wirtshaus. Heute steht hier ein Bus und Jugendliche mit Schlafsäcken und Rucksäcken steigen aus. Da hat man wohl eine Schulklasse hierher verbannt.

Bei der Weiterfahrt kommt mir der Weg bekannt vor, frisch bepflanzt sind die Spuren vom Verlegen einer Versorgungsleitung. Das hatten wir doch schon mal bei der Rückfahrt von unserer Wippertour vor ein paar Jahren? Bald erscheint auch ein Schild: Alte Kohlenstraße. Genau da sind wir damals lang gefahren. Inzwischen hat man an einer Stelle Köhlerhütten und einen Kohlenmeiler aufgebaut, um wiederum per Schautafel die Hintergründe des Köhlerhandwerks nahe zu bringen. Damit ist der Name Kohlenstraße wohl hinreichend erklärt. Noch eine Eigentümlichkeit. Im Jahre 1926 hat man eine Versuchsstrecke mit Holzpflaster aus (womit?) getränktem Buchenholz angelegt. Die ist noch heute erstaunlich gut erhalten.

Nach der höchsten Stelle des Weges (428 m) darf man die Abzweigung nicht verpassen, die natürlich genauso wenig wie die nächste ausgeschildert ist. Auf frisch geteertem Waldweg kann man dahin rauschen in der Hoffnung, seine Höchstgeschwindigkeit noch einmal zu verbessern. Doch da heißt es schon in die Eisen zu gehen, Schotter voraus, unvermittelt endet die Teerstrecke. Mit 50 km/h in ein Schlagloch brausen, ob das gut gehen würde?

Schnell wenn auch durchgeschüttelt bin ich nun in Wippra, dem heutigen Endpunkt der Tour auf dem Harzrandweg. Zurück fahre ich am besten über die Landstraßen des Ostharzes, die kennt man noch nicht gerade wie seine Westentasche. Bald läßt sich feststellen, Wippra liegt tief unten im Loch, denn die Straße windet sich hoch hinauf auf die unbewaldete Hochebene. Da erreicht man die B242, die Harzhochstraße. An der Kreuzung zeugen ein paar Erdwälle und eine Schautafel (!) von Auseinandersetzungen zwischen den Häusern Mansfeld und Anhalt, wo es um ein Schloß geht, das um 1546 hier errichtet werden sollte, wozu es – wie man sieht – nicht gekommen ist. Der Platz nennt sich konsequent "Das neue Schloß".

Wippra

Auf der Harzhochstraße zu fahren, ist natürlich nicht so erquickend, denn es ist eine Rasestrecke. Wo die wohl alle so eilig hin wollen? Ab dem Ort Königerode ist man aber schon erlöst und kann auf eine Nebenstrecke ausweichen, die zwar gerade frisch geteert ist, aber steil hinauf führt. Zwei Mountainbiker kommen mir pfeifend entgegen, schräg in eine Kurve gelegt, während ich langsam hinauf kurbele. Und da kommt doch tatsächlich ein Mädchen auf Inlineskates daher, kann man damit auch bremsen? Aufatmend erreiche ich Dankerode und kann mich im Straßengewirr erst mal nicht zurecht finden. Vergeblich frage ich zwei Kinder nach dem Weg Richtung Hayn. Ich solle mal zur Kirche gehen, da seinen die ganzen Leute. Das stimmt, denn man erwartet jeden Moment den Auszug eines Brautpaares. Eine Wäscheleine mit Hemdchen, Höschen und Söckchen ist als Absperrung vorbereitet. "Aber mich lassen sie doch noch durch" versuche ich zaghaft. Und wo der Weg nach Hayn weitergehe. "Da fahren Sie am besten durch den Grund". Damit scheint die Auskunft erschöpfend erteilt zu sein, alle nicken zustimmend. "Und wo ist der?" muß ich nach haken. "Da oben rechts". "Danke, und viel Spaß noch" – die weitere Hochzeit muß ohne mich statt finden. (Auf Kreta wäre man von der Urbevölkerung sicher eingeladen worden, wie zu lesen ist, aber hier sind wir im Harz).

Auf dem Weiterweg frage ich zur Sicherheit noch mal, und man bestätigt mir die Richtigkeit. Es geht allerdings eine abenteuerliche Schotterstrecke hinunter in eine Richtung, die mir nicht behagt. Da ich das Umdrehen inzwischen beherrsche, fahre ich den ganzen Weg wieder zurück. Ich frage nochmal einen Mann, der mir den Weg erklärt. Was da auf der Karte so glatt aussieht, ist ein Wanderweg, der das Tal der Wipper quert. Das bedeutet, steil hinunter, über eine Knüppelbrücke, und dann wieder steil hinauf.

Nachdem ich das alles bewältigt habe, habe ich ganz schön Zeit liegen gelassen. Aber Zeit ist nicht Geld, sondern der Weg ist das Ziel. Die Hochebene um den Ort Hayn herum ist wunderschön und bietet einen weiten Blick. Der Ort liegt auch hübsch anzusehen auf einer Kuppe.

Der Ort Hayn

Ich habe mir noch den Umweg über die Europastadt Stolberg vorgenommen, der besteht in erster Linie aus 6 km bergab ohne Treten und Bremsen. Ich rausche dann in dem sorgsam restaurierten Fachwerkstädtchen bis zum Marktplatz, wo gegenüber vom Rathaus ein drittes Käsebrot dran glauben muß. Das mehrstöckige Rathaus ist in soweit kurios, als es nicht über Innentreppen verfügt, sondern man außen herum über die Treppen den Schloßberg hinauf in die oberen Geschosse gelangen kann. So viel zu Stolberg, hier gibt es so viel zu sehen, daß man in Ruhe herum wandern sollte, aber das haben wir ein andermal schon erledigt und werden es ein anderes Mal wieder tun.

Rathaus in Stolberg

Im Vorbeifahrenan dem hübschen Ort Neustadt fällt noch ein bemerkenswertes Stadttor ins Auge, das auch ein Foto wert ist. Da sieht man wieder, daß ein schnelles Durchfahren eines Ortes noch lange nicht all seine Geheimnisse offenbart.

Stadttor in Neustadt

Der Rest der Rückfahrt geht zügig vonstatten. Bemerkenswert ist noch der große Erdfall in dem Ort Buchholz. Aufmerksam wird man wiederum durch eine Informationstafel, die den geologischen Untergrund erläutert. Man ist mit Renaturierungsarbeiten beschäftigt, Leitung: Ingenieurbüro R. Völker, Heimkehle 2. Da hat ein Karstforscher seine Passion zum Berufsinhalt gemacht, aber das war bei ihm und seiner Frau wohl immer schon so, als sie noch das Museum Heimkehle aufbauten und sich um die Beschilderung des Karstwanderweges kümmerten.

Wieder am Auto zeigt der Tacho 140 km an, 11 Stunden bin ich unterwegs gewesen. War wieder prima, mit diesem Training können wir (jedenfalls ich) guten Gewissens in der nächsten Woche auf unsere Radtour entlang der Romantischen Straße gehen.

NeueKrug - Thale, 100 km, 6.9.

Die Tour "Romantische Straße" ist mittlerweile dokumentiert, bebildert und abgehakt. Leider ist ein Film nicht alle geworden. Zwar ist man für diesen Sommer fast schon des Radfahrens müde, aber um den Film voll zu kriegen, schwinge ich mich noch einmal auf für die dritte Etappe des Harzrandwegs.

Die Strategie ist: wieder ab Hahausen/Neue Krug zu starten, Richtung Osten zu fahren so weit man kommt. Eine Zugverbindung von Aschersleben nach Goslar besteht auch. Wie schon die beiden anderen Male bin ich früh auf den Beinen und kann um 7.00 Uhr in Neue Krug loslegen.

Die gesamte heutige Strecke ist uns ja nicht unbekannt. Wir haben im letzten Jahr auf unserer Tour von der Weser an die Elbe und Oder versucht, dem hier mit dem Harzrundweg identischen R1 zu folgen. Daran sind wir bald gescheitert, weil der R1 in dieser Region für alles andere herhält, als zügig voran zu kommen. Vor einem Jahr sind wir dann ggf. auf Bundes- und Landstraßen ausgewichen. Natürlich bleibt man neugierig, wie der tatsächliche Verlauf des Radweges ist, zumal er gründlich in die Diskussion geraten ist (s.o.).

Das erste Stück sind wir im vergangenen Jahr auch gefahren, das geht gemütlich auf einer autofreien Straße am Waldrand dahin. Das hat dann bald ein Ende. Man kann sich nun für eine von zwei Varianten entscheiden: die weniger sportlichen fahren links ab, queren die B82 und fahren dann auf einer mit 5 einfachen Pfeilen (Steigung) und 4 Doppelpfeilen (starke Steigung) gespickten Strecke nach Goslar. Die gar nicht sportlichen wie wir im letzten Jahr nehmen gleich die B82.

Da ich mich heute morgen eher als sportlich einstufe, nehme ich den Rundkurs um den Ort Wolfshagen in Angriff, 10 einfache und 11 starke Steigungen erwartend. Das hört sich alles schlimmer an, als es ist, nur schnell kommt man natürlich nicht voran. Bei mir sind es wenig mehr als 10 km in der Stunde.

Nachdem man nun die erste Einheit oberhalb von Langelsheim geklettert ist, darf man alles wieder hinunter fahren, um das Tal der Innerste zu queren. Auf der ehemaligen Eisenbahntrasse hat man einen asphaltierten Radweg hinauf nach Lautenthal angelegt. Dessen darf sich der R1-Fahrer aber nicht lange erfreuen, er wird links hinauf auf die Schotterwege geschickt, und muß erstmal zwei Doppelpfeile überwinden. Zwischendurch eine Futterraufe für das Wild mit wunderschön übermoostem Dach – mal sehen, ob das Foto was geworden ist, es ist ja fast stockdunkel hier.

Bemooste Futterraufe

Oben wird es heller, man erreicht eine schöne Bergwiese mit vereinzelten Bäumen. Das war‘s dann schon und es geht in sausender Fahrt wieder hinunter. Man erreicht einen Parkplatz mit einem Lokal, der "Schäder-Baude". Es gibt auch einen Weg "Rund um den Schäder" sowie einen "Schäder Pavillon". Von dem hat man eine schöne Aussicht auf den Ort Wolfshagen.

Wolfshagen am Harz

Noch ein wenig Auf und Ab, dann erreicht man die Rennstrecke um den Granestausee. An schönen Sommerabenden mag hier die Hölle los sein. Ich kenne welche, die fahren extra von Braunschweig mit dem Auto hier her, um ein paar Trainingsrunden zu drehen.

Der von den Bergen Geplagte ist froh, heute einmal auf einer ebenen Strecke dahin zu rollen, das ist mal was anderes. Schnell ist man auf der Staumauer, die nun überquert wird. Leider ist das Wetter nicht so einladend, es weht ein ruppiger Wind, zum Glück von hinten. Der Himmel ist wolkenverhangen und es ist kühl.

Nach Goslar geht es nur bergab, dann landet man irgendwo oberhalb der Kaiserpfalz. Man findet ein Hinweisschild auf die historische Altstadt. "Weltkulturerbe" darf sich das dann nennen. Wer Goslar nicht kennt, muß nun natürlich einen Abstecher machen. Bei mir ist das anders, ich will heute Strecke machen und bin ganz auf die radelnde Hexe fixiert. Und die führt einen wieder hinauf, zur Jugendherberge und zum "Maltermeisterturm" in ca. 400 m Höhe, zu Füßen des Rammelsberges. Dort befindet sich das auf der Welt am längsten in Betrieb gewesene Bergwerk, leider heute auch nur noch Museum.

Der Rammelsberg

Der Ausblick über die Drachenfliegerwiese auf die Türme von Goslar entschädigt für den Aufstieg.

Goslar

In das Okertal geht es dann auch alles wieder runter. Ich fahre die Strecke heute das dritte Mal, deswegen folge ich wohl der Gewohnheit und nehme den Weg weit in das Tal der Oker hinein, wo man das Mineralwasser "Okertaler" gewinnt. Da führt der offizielle Weg aber nicht hin, sondern der zieht sich am Waldrand lang. Er hat aber wohl dafür kein so moderates Gefälle, das man ohne zu bremsen genießen kann. In dem Ort Oker überquert man den Fluß Oker auf der "Messingbrücke" und landet folgerichtig in der "Messingstraße". Messing kann man im Harz ja wohl schwerlich abgebaut haben.

Bald findet man sich auf einer Treppe (!) wieder. Wenn man kein Gepäck hat, ist das gut zu machen, eine Bahnsteigunterführung ist anstrengender. In der Diskussion um den Harzrundweg gibt so etwas natürlich Negativpunkte. Mich stört das heute weniger, auch wenn es nachvollziehbar ist, daß das ewige Auf und Ab einen einigermaßen nerven kann. Als nächstes ein Ausblick auf den "Geologischen Aufschluß Langenberg", den ich bis dato auch nur aus der Ferne kenne. Man sollte sich einmal die Zeit nehmen, und in dem aufgeschlagenen Buch der Geologie seine Bildung erweitern.

Die geologische Bannmeile am Harz

Es folgt Bad Harzburg, das der Harzrundweg weiträumig umgeht. Warum das so ist, weiß ich nicht, vielleicht will man den Aufstieg auf der B6 vermeiden. Harzburg ist auch nicht so sehenswert wie Goslar, es ist alles mehr modern verbaut. Also geht es hinunter quer durch das Gelände der Pferderennbahn. Danach kann einen das Durchfahren der Harzburger Randbezirke durchaus erfreuen, das kennt man ja alles noch nicht. Besonders hübsch ist im Ortsteil Bündheim ein Ausblick auf den Brockengipfel, der genau in einer Lücke neben dem Burgberg hervorlugt. 50 Meter vorher und nachher bietet sich dieser Anblick nicht, man muß also diese Stelle genau suchen. (Für Nachahmer: kurz vor der Unterquerung der Bahnlinien).

Nach Durchfahren des Ortes Westerode bewegt man sich durch ein wunderschönes Wiesengelände am "Butterberg" entlang. Der Butterberg ist auch ein merkwürdiges Gebilde, wohl eine durch den Druck des Harzmassivs hoch gedrückte langgezogene Gesteinsscholle. Kann man sicher irgendwo nachlesen. Oben auf der Kante steht ein Windrad, das war schon eher da, bevor diese Art der Energieerzeugung so in Mode gekommen ist.

Der Harzrundweg verliert sich nun für lange Zeit im Wald. Das kann ganz schön langweilig werden, und man erwartet ungeduldig das Überschreiten der Ecker. Hier verlief die ehemalige Grenze. Im Grenzstreifen eine Schutzhütte, Tisch und Bänke, da kann man heute eine schöne Rast machen. Aber da sitzen schon welche, da fahre ich gleich weiter.

Wenigstens erlebe ich in Ilsenburg eine Überraschung. Erstmal geht es weniger sinnreich an den Gartenanlagen und Datschen am Ortsrand rauf und runter. An der Blochauer Brücke das gleiche Rätselraten wie im vergangenen Jahr: wo geht es weiter? Das Schild mit der Hexe ist so geschickt plaziert, daß von 5 Richtungen jede in Frage kommen kann. Die eine, das weiß ich noch, die führt auf eine Treppe – die wähle ich aus.

Treppe ist zu viel gesagt, es sind allerdings ein paar Wegstufen eingebaut, wo man das Rad drüber heben muß. Man kommt an einem alten Gemäuer raus – das ist die Überraschung. "Schloßhotel Ilsenburg" heißt das ganze. Im Innenhof findet sich neben den Cafe-Tischen und -Stühlen eine sehenswerte alte Kapelle, von der ich ein Foto anfertige.

Schloßkapelle in Ilsenburg

Der Weiterweg ist nun wider Erwarten der richtige. Man passiert einen idyllischen Waldsee, dann geht es wieder durch den Wald. Oberhalb von Darlingerode kurvt man im Zickzack durch Hecken und Gartengelände. Wir passieren nun die nördliche Variante der Wasserscheide Weser – Elbe. Ein Hinweisschild macht einen außerdem noch auf eine Verwerfung des Harzes an dieser Stelle aufmerksam.

Waldsee

Durch ein verträumtes Tal entlang an Fischteichen rollt man hinunter nach Wernigerode. Wenn man was auf sich hält, betritt man die Altstadt von Wernigerode durch eines der Stadttore. Da stürzt eine aufgeregte Gruppe von Ausflüglern heran: "Wo isn hier dor Bohnhof?" klingt es in Ursächsisch. "Da hinten ist eine Schranke" werfe ich ein. Die wollen sicher zum Brocken mit der Harzquerbahn.

Wernigerode hat sich zu einem zweiten Goslar gemausert, wenn auch wohl nicht ganz. Morgen machen wir übrigens unseren Betriebsausflug dorthin. Der Marktplatz vor dem einzigartigen Rathaus ist vollgestellt mit gut besetzten Tischen und Stühlen. Ich stromere durch die Hintergassen, alles Fachwerkhäuser, nicht nur im eigentlichen Zentrum, das ist kaum zu glauben. Neben Stolberg (s.o.) ist das hier die absolute Ausnahme im Ostharz. Auf der Suche nach der radelnden Hexe werde ich bald fündig und es geht hinter dem "Lustgarten" bergwärts. Bis zum Schloß braucht man aber nicht hinauf, es sei denn, man möchte es besichtigen.

Schloß in Wernigerode

Ich muß wieder mal das Kartenblatt auf der Lenkertasche wechseln, da klingt eine Stimme von oben aus den Baumwipfeln: "Es geht immer geradeaus." Die Stimme kommt aber nicht aus einem Baumwipfel, sondern von einer Frau, die oben in einem Gebäude Fenster putzt. "Ich gucke nur, wie weit es noch ist" antworte ich. "Nach Blankenburg?" "Nein, nach Aschersleben" "Oh je..!" Ende des Dialogs.

Auf dem weiteren Weg hat man einen guten Ausblick über das andere Wernigerode. Das sind z.B. unübersehbare Plattenbausiedlungen. Und daneben, ist das ein Rummelplatz? Da wehen Fahnen, helle Gebäude, Firmenreklamen. Nach näherem Hinsehen: das ist das Gewerbegebiet und der allfällige Einkaufspark "auf der grünen Wiese" vor den Toren der Stadt.

Ein paar Kilometer weiter ist schon wieder etwas los. Das merke ich zuerst, als ich hinunter zu einem Bach namens Hellbach um eine Kurve gebrettert komme. Da klettern zwei Mountainbiker von unten hoch, nur etwas unkonzentriert, weil sie immer den Hang hinunter gucken. Da hätte es beinahe einen Frontalzusammenstoß gegeben. Als ich längst vorbei gesaust bin und das Sausen in den Ohren nachläßt, höre ich es nun auch: flotte Blasmusik. Die kommt von einer Wiese, wo ein Fest mit vielen Pferdekutschen stattfindet. Mich beeindruckt das nicht so sehr, ich will ja Strecke machen.

Benzingerode am Struvenberg

Aber es ist mal was anderes, den nun folgenden Anstieg am NSG Struvenberg (Mager- und Trockenrasen) mit dem Wind und den Klängen der Blasmusik im Rücken hinauf zu fahren. In der Gegend gibt es einen geologischen Wanderweg, wo man auf Schautafeln Besonderheiten der Harzgeologie erläutert. Unter dem Motto "400 Millionen Erdgeschichte" werden einem Aufschlüsse, Quellen, Verwerfungen, Schichtungen usw. brand-aktuell vermittelt. An einem Aufschluß erkennt man steil geschichtete Gesteinsplatten, aufgerichtet durch den Gebirgsdruck.

Dann aber wird es wieder kulturell im Sinne der Romanik, denn die danach benannte Straße führt auch hier entlang. Das liegt am Kloster Michaelstein, das wir nun erreichen. Vor einem Jahr habe ich das Torportal fotografiert. Heute empfiehlt sich das weniger, hat man doch einen riesigen Berg Sperrmüll an dieser fotogenen Stelle angehäuft. Manchmal kann man eben nur mit dem Kopf schütteln. Am Kloster vorbei führt auch der Mühlenwanderweg. Eine weitere Kuriosität ist wenig später der riesige Trakt eines Gebäudekomplexes, der niegelnagelneu da liegt, gerade erst fertig geworden. Große verglaste Promenaden verbinden die Gebäudeteile. Ob Reha-Klinik, Hotel oder Kurzentrum, vielleicht bekommt man das irgendwann noch raus (REHA-Klinik Teufelsbad). Der weitere Weg verliert sich in dem Ort Oesig vor Blankenburg.

Ich kann jedenfalls nur auf der Straße nach Blankenburg finden. Oben vor dem Rathaus hat man es geschafft: man ist da, wo man hin gehört. Das in Stein erbaute Rathaus ist besonders imposant. Wenn man Zeit hat, kann man noch weiter hinauf steigen, da liegt dann wohl noch das Schloß. Ich orientiere mich mühsam nach der Karte und mache mich auf die Suche nach der Hexe. Vor einem Wegweiser mache ich meine Studien, bis ich entdecke, einen Pfahl weiter, da ist sie wieder.

Es geht hinauf zu einem hochgelegenen Gutshof. Dann hinunter nach Cattenstedt, wo ich die Wegmarkierung schon wieder verliere. Vielleicht bin ich nicht mehr so in Form heute. In Wienrode hat man den Weg wieder, er führt laut Karte nun auf der Landstraße am Waldrand lang. Die Beschilderung ist aber anders: ab in den dunklen Wald mit Euch Radfahrern. Das mache ich nicht mit, schließlich will man auch mal rollen. Bis Thale fahre ich noch, dann gilt es, mit dem Rechnen anzufangen.

Es ist gegen 15 Uhr, also habe ich bisher 100 km auf dem Radweg in 8 Stunden zurück gelegt. Bis Aschersleben sind es so an die 30 km, dafür müssen (mit Rückenwind) 2 Stunden veranschlagt werden. Der Zug nach Goslar fährt dort um 17.25. Rein rechnerisch ist also alles in Ordnung. Es gibt zwei Wegvarianten, die eine nördlich über Quedlinburg, die andere südlich über Ballenstedt näher am Harzrand.

Ich nehme die südliche Route. Beim Durchfahren der Orte Bad Suderode, Gernrode und Rieder habe ich das Gefühl, schlecht voran zu kommen und rechne und rechne. Ganz nebenbei gerate ich ordentlich ins Schwitzen, denn derlei Zweifel ziehen automatisch ein höheres Fahrtempo nach sich. Ab Ballenstedt sind es dann nur noch 18 km, wenig später nur noch 12 km. Das muß am Rückenwind liegen, der Tacho zeigt manchmal über 30 km/h, wobei ich noch nicht einmal oft treten muß. Das Fahren auf der verkehrsreichen B185 ist allerdings weniger angenehm.

Doch Entwarnung ist angesagt, punkt 17 Uhr bin ich in Aschersleben, Partnerstadt: Peine. Diesen Ort haben wir bisher nur mit dem Auto durchfahren, da war – und ist noch – Grau die vorherrschende Farbe. Als nächstes fällt einem ein verglastes Gebäude auf, das muß einiges gekostet haben, es handelt sich wohl um die Kreisverwaltung. Das Innere des Ortes will ich mir heute genauer ansehen, auch wenn nicht allzu viel Zeit zur Verfügung steht. Als erstes stolpert man in der Altstadt über den Neubaukomplex "Altstadt Center" mit Einkaufspassagen und einem vornehmen Hotel. Das paßt hier alles hin wie die Faust aufs Auge. Wie viele alte Bausubstanz hat dafür Platz machen müssen? Man kennt das von Halberstadt.

Nach einigem Suchen finde ich zwei oder drei ganz schmale Gäßchen an der Stephanikirche. Da könnte man was daraus machen, aber die Häuser sind unbewohnt und verfallen. Wenn ich ab und zu Bemerkungen über luxuriöse Neubauten einstreue, so deswegen, weil es mich besonders ärgert, daß man für den letzten Hauch von Romantik so wenig übrig hat. Aber das ist mal wieder so eine persönliche Meinung. Solange man nicht selbst bezahlt, kann man gut reden. Leider fließt wohl aber doch eine Menge Geld aus Steuermitteln und dem Solidaritätszuschlag in repräsentative Vorzeigeobjekte.

Nun wird es Zeit, einen Anwohner nach dem Bahnhof zu fragen. "Zum Bahnhof ?" fragt der erstbeste ungläubig, als ob ich mich nach einem der Weltwunder erkundigt hätte. Das liegt aber wohl daran, daß der Weg etwas verwinkelt ist, der mir nun wortreich erklärt wird. Da kann ja keiner folgen. Es hätte auch, wie sich zeigt, das bloße Anzeigen der Himmelsrichtung genügt.

Die Rückfahrt mit der Bahn verläuft planmäßig. Ich fahre auch das erste Mal die erst kürzlich wieder eröffnete Bahnstrecke Wernigerode – Vienenburg. Von Goslar aus muß ich noch zurück zum Auto radeln, was mich dann am Schluß auf stolze 150 Gesamtkilometer an diesem Tag bringt. Der Regen, der mich den ganzen Tag verschont hat, holt mich auf dem letzten Kilometer doch noch ein.

Zwischenbilanz

Mit den bislang geschilderten Tagesetappen ist der Harz, um einmal militärisch zu reden, zangenartig von seiner Westseite her in den Griff genommen worden. Es fehlt noch das Teilstück von Thale bis Wippra, wo es noch einige Höhepunkte gibt: die Klosterruine Konradsburg bei Meisdorf, Burg Falkenstein über dem Tal der Selke und die Rammelburg an der Wipper. Das könnte ich mir guten Gewissens schenken, haben doch die Tagestouren an Selke und Wipper in den vergangenen Jahren diesen Bereich schon einigermaßen abgedeckt.

Dank der günstigen Bahnverbindungen könnte man aber auch eines Tages mal in Halberstadt starten, von da über Quedlinburg die fehlenden Teilstücke von Thale bis Wippra abklappern, und von Sangerhausen mit der Bahn zurück fahren. Das nehmen wir mal in die Planung auf, solange die Realisierung noch aussteht, sei der Bericht über die Harzumrundung an dieser Stelle abgeschlossen.

Betriebsausflug nach Wernigerode, 9.9.

Wenn wir denn schon über Unternehmungen am Harzrand berichten, muß der Vollständigkeit halber das Ereignis mit aufgenommen werden, das schon zwei Tage später statt findet. Der Betriebsausflug spielt sich folgendermaßen ab: wir nutzen die neue Bahnstrecke von Ilsenburg nach Wernigerode. Die Fahrzeit von Braunschweig aus ist 1 1/2 Stunden, während man es mit dem Auto in knapp einer Stunde schafft.

Vom Bahnhof in Wernigerode, der übrigens sein einst schwärzliches Aussehen mit einem schmucken Gelb vertauscht hat, fahren wir mit der Schloßbahn durch einige Straßen von Wernigerode hinhinauf zum Schloß. Dort steht eine Führung durch das Schloß an. Solche Führungen sind sich ja alle sehr ähnlich. Hier ist bemerkenswert, daß zu DDR-Zeiten der ganze Prunk sich "Feudalmuseum" nannte mit dem Hintergrund: was haben doch die Herrschenden den arbeitenden Massen alles aus der Tasche gezogen. Heute heiß es "Schloßmuseum", wie es sich gehört. Über die vormaligen oder auch heutigen Adelsgeschlechter wird inzwischen eher respektvoll berichtet. Wenn da aber ein jagdbesessener Vorfahre der Grafen oder Fürsten zu Stolberg-Wernigerode in einem Jahr 18 Tausend Stück Wild erlegte, dann geht einem jeder Respekt ab.

Als die Führung beendet ist, hat es aufgeklart und man hat einen schönen Blick zum Brocken und in das Harzvorland. Es sind die aus der Nähe häßlichsten Gebäude, die man nun weit in der Ferne im Sonnenlicht aufblinken sieht: Kraftwerk Buschhaus oder die Silotürme der Mühle Rüningen. Die anschließende Wanderung führt uns erst mal an der Theobaldikapelle vorbei, die die meisten links liegen lassen. Noch von der Romantischen Straße barockgeschädigt passiert mir das natürlich nicht, und das ist gut so. Denn im Inneren der Kapelle sind ganz überraschend eine Fülle von alten Malereien an der Empore zu bestaunen, da hat man ja gar nicht mit gerechnet.

Nun geht es aber ab in die Natur und auf dem Aussichtspunkt an der Harburg kann man sich wieder auf die oben erwähnten weißen Gebäude am Horizont einschießen. Noch höher hinauf geht es auf den Aussichtsturm "Kaiserturm" auf dem Armeleuteberg. Nach Besteigen desselben zeigen doch einige Kollegen einen Anflug von Müdigkeit, wahrscheinlich vermissen sie ihren gewohnten täglichen Mittagsschlaf.

Im nahen Lokal "Berggasthaus Armeleuteberg" kann man die Lebensgeister wieder erwecken, auch der Geldbeutel macht das mit, wie der Name des Lokals verheißt. Gesättigt geht es auf einem schönen Waldweg wieder hinunter nach Wernigerode, wo noch Zeit genug ist, durch die Straßen zu schlendern oder sich in einem der Cafes bei Kaffee und Kuchen aufzuwärmen.

Soviel zum Betriebsausflug in das Städtchen Wernigerode.

Halberstadt - Quedlinburg - Sangerhausen, 100 km, 13.9.

Erstens kommt es genau so, und zweitens, wie man gedacht hat,...

Was soll man sagen, wenn man einmal was im Kopf hat, dann wird man das irgendwie nicht los. Mir steht jedenfalls wieder so ein Sonnabend ins Haus, an dem ich mich auf meine eigene Freiheit besinnen kann. Die Wetterprognose ist zwar nicht so gut: vereinzelt Regen, kälter soll es auch werden. Darauf soll man keine Rücksicht nehmen, entweder man hat Pech, dann kann man wieder nach Hause fahren. Ich habe heute Glück - es ist ja auch der 13.

Als ich nach Halberstadt aufbreche, beginnt es zu regnen, bei der Ankunft hat es sich eingeregnet. Ich war nun schon einige Male in Halberstadt, habe aber noch nie die Altstadt gefunden, bzw. das was von ihr übrig ist. Die Stadt ist im Krieg weitgehend zerstört worden, was noch stehen geblieben ist, ist zu DDR-Zeiten verwahrlost geworden. Als ich hinter dem Dom links um eine Ecke biege, bin ich unvermittelt in diesem alten Teil der Stadt. Wenig weiter stelle ich das Auto ab: "Anlieger frei" - denn ich habe ein Anliegen. Rings umher die gruselige Szene von sterbenden Häusern. Viele Baustellen zeugen davon, daß man sich bemüht, zu retten, was zu bezahlen ist.

Erstmal den Regenschutz übergestülpt, Lenkertasche und Rucksack verstaut, dann kann es in den verregneten Morgen los gehen. Leider liegt mir kein Stadtplan von Halberstadt vor, daher muß ich den Richtungssinn einschalten. In der Beschreibung des Harzrundweges ist auch ein Abstecher nach Halberstadt vorgesehen, an diesen muß der Anschluß zuerst einmal hergestellt werden. Der muß sich laut Karte in der Nähe der Spiegelsberge finden lassen. Über die Westerhäuser Straße gelange ich tatsächlich punktgenau an diese Stelle.

Einer Stadt den Rücken kehren ist für den Radler immer schön. So auch hier durch den dampfenden Wald. Als ich den südlichen Waldrand erreiche, herrscht eine eigenartige Beleuchtung. Es tröpfelt zwar noch, aber von Westen leuchtet es heller, da wird das Wetter heute wohl doch noch gut. Am Waldrand passiere ich eine Abzweigung: Gläserner Mönch 0,5 km. Da bin ich zwar schon vorbei gebrettert, aber die Neugierde läßt mich doch umkehren. Das Geheimnis offenbart sich als zerfleddertes Vergnügungslokal mit Tanzterrasse, Sitzterrassen, usw., alles in Trümmern. Das Skelett eines Trabbis im Garten ist von innen her begrünt durch Herkulesstauden. "Hat alles schon mal bessere Zeiten gesehen", - um es mit einem Klischee auszudrücken. Wenig weiter befindet sich die Gedenkstätte Zwieberge, dort hat sich mal ein Konzentrationslager befunden. Dort führt der Radweg aber nicht vorbei. Der Gläserne Mönch ist übrigens ein Aussichtsfelsen, wie ich später nachlese.

Ich fahre nach Langenstein, einem idyllischen Ort, wie es heißt. Schon bald entdecke ich ein Hinweisschild auf die Burganlage und auf die Höhlenwohnungen Altenburg. Das befindet sich alles auf einem Berg, wo ich mit dem Fahrrad nicht so leicht hinkommen kann. Ich philosophiere schon über einen späteren Besuch nach, als ich am Ortsausgang ein weiteres Schild entdecke. Nur wenige Meter weiter sind die ersten Höhlen zu finden, da kann das Fahrrad mal unbewacht zurück gelassen werden.

Und es ist interessant, im Fernsehen wurde vor längerem auch schon mal darüber berichtet. Es gibt eine regelrechte Gasse, das ist eine glatte Rinne im Sandstein. Von da zweigen die Hohlräume ab, oft mehrere hintereinander und miteinander verbunden. Bis 1916 sollen die letzten bewohnt worden sein. Vor einer dieser Behausungen ist sogar noch eine Haustür und eine Hausnummer angebracht. Wie alt diese Etablissements eigentlich sind, weiß man wohl nicht so genau, das läge im Dunkeln, steht auf dem Hinweisschild. Genaueres weiß man über die Burganlage. Die ehemalige Burg wurde im 30-jährigen Krieg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut.

Man darf vermuten, daß die heutigen Häuser, die hier zum Teil geradezu am Berg kleben, auch über Räume verfügen, deren Wände nicht gemauert sind. Man wäre ja dumm, wenn man sich nicht einen gemütlichen Party- oder Weinkeller in den Berg buddeln würde. An einigen Gärten kann man auch Höhlungen beobachten, da stehen dann Gartenmöbel, Sonnenschirm und Gartengrill drin.

Vor lauter Aufregung fahre ich nun auf der Landstraße weiter, und das ist falsch. Man muß am Bach bleiben und durch die Wiesen gondeln, was ja auch viel schöner ist. Über die Felder erreicht man dann den Ort Börnecke, der noch recht unverfälscht urwüchsig wirkt, weil er sozusagen hinter den Bergen liegt. In Westerhausen - links grüßt der Königstein, eine schroffe Felsgruppe - erreicht man die B6, auf der man nun fix nach Quedlinburg rollen kann.

Dort kommt man automatisch auf dem Marktplatz raus. Heute am Sonnabend ist Markttag. Außerdem versammeln sich diverse Gruppen zu Stadtführungen. "Alle hier lang" heißt es dann, und alsbald sieht man die Gruppe einträchtig mit zurück gelegtem Kopf eine Hausfassade betrachten. Ich kaufe mir eine Schinkenkrakauer, und während ich an der herumkaue, kann ich mit dem steinernen Roland an der Ecke des Rathauses Zwiesprache halten. Um zum Bahnhof zu finden, muß ich dann später doch eine Einwohnerin fragen.

Soweit ist es aber noch nicht, ein Blick in die Runde: alles prächtige Fachwerkhäuser. Ein paar Straßen weiter hinter der Kirche sieht es schon ein wenig anders aus. Da wartet noch so manches Haus auf bessere Zeiten. Aber es ist schon eine Menge gemacht worden und überall sind Restaurierungsarbeiten im Gange. Das wird einmal nicht schlecht und man sollte Quedlinburg öfter mal einen Besuch abstatten. Den berühmten Schloßberg und den Quedlinburger Domschatz lasse ich für heute mal aus, sonst komme ich ja zu gar nichts.

Dafür suche ich den Bahnhof und finde ihn auch - wie beschrieben. Hinterm Bahnhof soll der Weg zur Gersdorfer Burg weiter führen. Einmal muß ich noch fragen, dann ist es geschafft. Links liegen die Seweckenberge, ein Naturschutzgebiet mit Magerrasen. Voraus sieht man schon einen verwitterten Burgturm. Mehr ist von der Gersdorfer Burg auch wohl nicht übrig, wenn man die umgebende Domäne nicht hinzu zählt. Ich krieche um den Turm herum, der in einem verwilderten Park steht. Da ist auch eine Eingangstüre, die ist dankenswerterweise aufgebrochen. Dahinter befindet sich aber eine weitere Stahlgittertür, die ist dankenswerterweise verschlossen. Ein finsterer Gang führt dahinter weiter. Da das ganze aber wohl reichlich baufällig ist, sollte man lieber Abstand von der Sache nehmen und sich seinem Wurstbrot zuwenden.

Nun geht es aber wieder auf den Harz zu, die Sonne läßt sich erstmals blicken. Am Wege liegt noch einmal eine geologische Besonderheit. Ein scharf geschnittener Hügelkamm zieht sich wie eine gekippte Scholle ein paar 100 Meter dahin, bestanden wiederum mit Magerrasen und NSG. Auf dem geschotterten und immer mehr ansteigenden Weg gerät man allmählich ins Schwitzen. Dafür wird die Aussicht besser. Man sieht zurück nach Quedlinburg und ganz hinten die Türme von Halberstadt, die ja aus jeder Richtung für ihr Talent bekannt sind, über weite Strecken zu grüßen.

Nun liegt links ein Schießstand, wo vernehmlich geballert wird. Daneben ist eine Motocross-Rennbahn, zur Zeit aber keine Trainingzeit. Schade.

Nun kommt Ballenstedt, da gerät man zuerst in den Schloßgarten. Dann findet man die Auffahrt zum Schloß. Aber da gibt es mehrere, denn ich komme wohl an die Rückseite, die sieht arg verwahrlost aus. Um die Ecke zeigt sich aber, daß die Fassade neu erstrahlt (in Gelb). Von oben hat man einen schönen Blick auf die Straßen von Ballenstedt, in denen man danach vergeblich nach dem Symbol der radelnden Hexe suchen darf. Ich versuche mich vergeblich zwischen Waldrand und Schrebergärten und komme dann doch auf die Landstraße nach Meisdorf, auf der es auch regulär dahin geht.

Nun kommt der frisch angelegte Golfplatz, die Bunker sind schon mit Sand gefüllt, Rasen und die Greens sind schon eingesäht, Bälle sieht man aber noch nicht fliegen. "Golf- und Resortplatz Schloßhotel Meisdorf, 18-Loch-Anlage" ist auf den Bauschildern zu lesen. In Meisdorf wage ich mich mal kurz in den Schloßgarten, der nun zu einem Freizeitpark der sportlichen Art umgewandelt worden ist. Da kann man zwischen Schach, Tennis, Squash, Boccia u.a. hin und her eilen. Auch ein Golfübungsanlage umgeben von einem hohen Maschenzaun ist vorhanden: Vorsicht, hier fliegen Bälle. Als Radfahrer in Trainingshose fühle ich mich etwas deplaziert und nach einer kleinen Runde bin ich wieder draußen in der Freiheit.

Es gilt nun, in Richtung Klosterruine Konradsburg zu fahren. Dazu muß man von der Straße nach Wiesenrode auf einen kleinen Feldweg abbiegen anstatt die Serpentinen auf der Straße durch den Wald hinauf zu keuchen und nach Bemerken des Irrtums bremsend wieder zurück zu fahren. Danach liegt die Anlage Konradsburg auf einem Berg bald vor mir. Für eine genauere Besichtigung nehme ich mir nicht die Zeit. Ich suche eher nach einer Abkürzung. Man kann hier nämlich über den Ort Burggrund, der aus wenigen Häusern besteht, einen Haken des Radweges vermeiden. Man versäumt dafür eine Kirche in Endorf und eine Turmwindmühle.

Ich finde mich jedenfalls in Neuplatendorf wieder, von wo aus es weiter bergauf geht. Hier hat man nun einen herrlichen Blick über die östlichen Ausläufer des Harzes, die hier sanft gewellt sind. Am Horizont ist ein kegelförmiger Abraumberg erkennbar, offenbar mein Tagesziel Sangerhausen. Die nächsten beiden Orte Wiesenrode und Ulzingerode haben niedliche Kirchen. Weiter voraus ist ein merkwürdiges Gebäude erkennbar, das sieht aus wie ein häßlicher Wohnblock auf einem Berg. Es entpuppt sich dann als die Burgruine Arnstein. Leider scheint die Sonne nicht - da gibt es auch kein Foto.

Der weitere Weg führt nun sehr schön im Tal des Flüßchens Eine entlang. Hinter Alterode muß ich quer über einen Festplatz schieben, die Leute gaffen, was das nun wieder soll, ein Radfahrer in dieser Gegend? Bald bin ich um die Ecke und dann biegt auch die Straße in ein Seitental ab. Da ich mal wieder lieber auf der Straße gefahren bin, gerate ich so auf die falsche Seite des Flüßchens, das leider mit Brücken oder Übergängen anscheinend nicht so reich gesegnet ist. So geht es auf einem etwas abenteuerlichen Weg dahin, mal über eine Wiese, mal einen umgestürzten Baum umgehend.

Rechtzeitig zum Aufstieg aus dem Tal findet man aber die Radlerhexe wieder und dann geht es eine ganze Weile recht steil bergauf. Ich habe ausgerechnet, daß ich bei zügiger Fahrt den Nachmittagszug von Sangerhausen nach Halberstadt noch erreichen kann. Dieser Aufstieg kostet jedoch einige Zeit, wenn man nicht gerade ein Hypermotoriker ist, empfiehlt es sich auch, zu schieben. Man erreicht dann den Rastplatz mit Restaurant an der Harzhochstraße B242, das ganze heißt hier "Rammelburg-Blick". Tatsächlich liegt man die Burg unter sich liegen, man befindet sich selbst nun auf 320 m Höhe. Meine Rechnung steht noch, deshalb halte ich mich nicht lange auf.

Schnell geht es dann hinunter, noch das Standardfoto von der Burg, für einen Besuch wie vor einigen Jahren bei der Wipper-Tour ist heute nicht drin. Ich muß meine zügige Fahrt bei behalten, das kostet noch ein wenig Schweiß, weil man aus dem Tal der Wipper wieder heraus klettern muß. Nun herrscht aber der herrlichste Sonnenschein und die Straße führt durch weite Wiesen, das macht Spaß. An der berühmten Kohlenstraße ist erstens der höchste Punkt dieser Reststrecke erreicht und zweitens meine Runde um den Harz geschlossen.

Daher darf ich nun hinabrauschen nach Grillenberg, wo erstmals eine exakte Entfernungsangabe nach Sangerhausen zu lesen ist: 5 km. Dafür habe ich noch 45 Minuten Zeit, und damit ist die Rechnung aufgegangen. Um 16.30 sitze ich im Zug, gegen 18.00 bin ich wieder in Halberstadt.

Damit ist diese Harzrunde endgültig abgeschlossen. Um mich an der am Anfang erwähnten Kritik an diesem Weg zu beteiligen, füge ich ein paar Sätze an, die aus dem Bericht selbst aber auch schon hervor gehen.

Wegbeschaffenheit: Viele Schotterstrecken, geteerte Teilstücke sind die Ausnahme, wenn es nicht gerade auf einer Landstraße dahin geht.
Steigungen: Ein Gebirge ist keine Ebene und seine Ausläufer auch nicht. Schöne Ausblicke hat man nur von oben, den Geschwindigkeitsrausch nur bei einer Abfahrt und den Adrenalinstoß nur bei einem Aufstieg.
Gastronomie: Von der Gastronomie habe ich keinen Gebrauch gemacht, da ich als Tages- und Alleinfahrer mich auf das Vorankommen zu beschränken pflege. Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten finden sich aber an jeder Ecke.
Sehenswürdigkeiten: Davon gibt es reichlich. Besonders am Nordharz, wo man auch die Straße der Romanik berührt. Der Süd- und Ostharz bietet die schönere Landschaft.
Verkehrsanbindung: Damit hatte ich nicht gerechnet, daß man mit der Bahn fast alle Orte so gut erreichen kann. Statt mit dem Auto hätte ich genauso gut mit der Bahn zu den Ausgangspunkten der Tagestouren anreisen können.
Facit: Die Tour ist sehr lehrreich. Ich kenne den Harz seit über 25 Jahren, und bin dennoch fast durchweg in unbekanntem Gelände unterwegs gewesen. Der Zuwachs an geografischem Verständnis für die Gegenden ist enorm.

Für eine gemächliche Familienradtour eignet sich der Harzrundweg nicht. Als sportliche Unternehmung für geübte und trainierte Radler ist er sehr zu empfehlen.