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Hamburg – Skagen – Greena - Kristiansand

1 Donnerstag, 18.7. HH Altona – Brunsbüttel, 113 km

Herausforderungen liegen manchmal vor der Haustür. Obwohl das nicht so ganz stimmt, denn wir leben ja nicht gleich hinter dem Deich. Aber nur gut zwei Bahnstunden davon entfernt. Es handelt sich um die bislang längste ausgeschilderte Radroute der Welt, insgesamt 6000 km lang: die Umrundung der Nordsee. Das ist die erste "von 12 geplanten transeuropäischen Radfernwegen" (EuroVelo) (aus bikeline). Die Route ist erst vor gut einem Jahr eröffnet worden, da gehört man ja glatt noch zu den ersten, wenn man diese Herausforderung annimmt. Bevor die Leute dort Schlange stehen. Wenn es denn dazu kommt...

Als es los gehen soll, steht keiner Schlange, denn wir haben einen Dauerregen. Wie nachher zu lesen ist, die größte Regenmenge in unserer Gegend seit 1881. Zum Glück verzichte ich auf einen Blick in den Keller, morgens um vier Uhr. Nur mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren, das geht nicht, da wäre man ja gleich durch bis auf die Haut? Man kann improvisieren, alles rein ins Auto und dann bin ich weg, mit ein paar geschmierten Broten und einigen Tafeln Schokolade. Der Parkplatz hinter dem Bahnhof ist wegen Überflutung gesperrt. Man kann trotzdem um die Absperrung herum fahren und irgendwo eine Insel suchen, die Packtaschen aufladen und Wasser Marsch zum Bahnhof. Das Auto wird Annika dann später abholen, wenn der Seegang auf dem Parkplatz des Braunschweiger Hauptbahnhofs sich beruhigt hat.

Irgendwie sitze ich im Zug, so ganz wach ist man noch nicht, in Hannover umsteigen.

(Anmerkung: Wie ich später erfahre, ist an diesem Morgen im Hämelerwald ein Baum auf die Oberleitung gefallen und die Strecke war 3 Stunden blockiert. Das hat genau den nächsten Zug nach meinem erwischt, ich habe also bereits ein Riesenglück, ohne es zu wissen...)

Durch die verregneten Fenster im Zug den rauschenden Wassermassen draußen zugucken. In Altona wird ausgestiegen, und erst mal der lange Bahnsteig abgeradelt. Das ist schon mal nicht so gut, denn da kommt schon ein Regiment der Bahnpolizei aufmarschiert. Auf dem Weg nach Skandinavien, den Ländern der Blonden und Hellhäutigen, werde ich nun von dem glatten Gegenteil zurecht gewiesen, dass Radfahren auf dem Bahnsteig strengstens verboten ist. OK, ich gebe mich sehr verständig und gönne dem Freund aus Schwarzafrika diesen ersten Zugriffserfolg am frühen Morgen.

Auf dem Bahnhofsvorplatz kommt einem das Grauen: es regnet in Strippen. Regenumhang angelegt und runter Richtung Elbchaussee. Eine Braunschweiger Straße gibt es hier, komme ich da nicht gerade her? Und einen Platz der Republik! Der Charme des Hamburger Hafens zeigt sich heute nicht, so grau verhangen wie alles ist. Ein paar unverdrossenen Joggern kann der Regen nichts anhaben, um die kurve ich rum und stehe dann aber unversehens so in der Gegend von Teufelsbrück einem Müllwagen gegenüber. Da muss das Fahrrad in einen vornehmen Vordergarten gehievt werden, bis man wieder freie Fahrt hat.


Leidensgenossen im Regen

Da freut man sich auf das berühmte Fährhaus in Schulau, Willkommshöft geheißen, wo die ankommenden Schiffe mit Nationalhymne und –flagge begrüßt werden. Heute hat man da nicht mal ne tote Hose geflaggt. Und dann geht es auf die Schafe los, und den Gegenwind, hinein ins Graue. Ein Gattertor nach dem anderen, alle selbstschließend, und jedes mal rinnt einem beim Absteigen das Regenwasser von der Pellerine in die Schuhe. Und auf der Strecke Schafköttel (außen hart und innen ganz weich – heute wohl eher auch außen ganz weich), Regenwürmer, Nacktschnecken, Sammelwasser auf dem Regenumhang und Gegenwind.

Sagen wir mal in Eckhorst Hetlingen, oder war es in Haseldorf Roßsteert, da sind die Feuerwehr, Malteser und Technisches Hilfswerk schwer beschäftigt. „Die Kanalisation ist abgesoffen“ kann man erfahren. Der Regen lässt nach, hört sogar auf und die triefenden Sachen, vor allem die Hosenbeine lassen sich mit dem Fahrtwind trocken fahren. Drehbrücke Pinnau habe ich noch notiert, dann fahre ich auf der Landstraße nach Elmshorn. (Das wäre vielleicht nicht nötig gewesen, über das Absperrwerk Krückau hätte man abkürzen können). Die alternative Fähre Kroonsnest wird nur am Wochenende betrieben, aber das haben wir gerade nicht.

So finde ich mich mit quietschenden Schuhen in der Fußgängerzone von Elmshorn wieder, vorbei an Holzlöffel und anderen einladenden Imbisseinrichtungen. Später gibt es einen Ort, der heißt Kuhle, und das passt zu der heutigen Situation. Überall stehen die Gärten unter Wasser, ein Gartentor: Einfahrt freihalten, dahinter ein See (leider nicht fotografiert). Eine Frau schöpft mit einem Eimer das Wasser aus ihrem Hauseingang, ohne zu merken, dass die Wasseransammlung noch zwei Grundstücke weiter reicht. Wie lange die wohl geeimert hat?


Marktplatz in Glückstadt


Häuserzeile am Hafen
Dann ist man endlich in Glückstadt. Auf dem Marktplatz erst mal die Kamera rausgekramt und ein erstes Panoramafoto gemacht. Dazu ist zu sagen, dass ich eine kleine Digitalkamera mit führe, die in der Lenkertasche Platz findet, über 600 Bilder speichern kann, und das alles kostenfrei (weil man keinen Film braucht). Natürlich habe ich auch noch meine schwergewichtige altgediente Canon Spiegelreflexkamera dabei. Das ärgert mich nun mehr und mehr, bis man die jedes mal rausgekramt hat, und ob das Bild überhaupt was wird? Bei der DigCam kann man sofort nachgucken, oder abends am Kamin.

Wir sind immer noch in Glückstadt. Am Hafen: eine Gruppe älterer Damen wird von einem kundigen Kenner der Stadt ins rechte Bild gesetzt: Die Häuserzeile an der Hafenzeile sind denkmalgeschützt. Da finde ich mich wieder mit offenem Mund und mit dem Vorderrad in den Schienen der Hafenbahn. Gerade noch gemerkt, sonst hätte ich wohl alt ausgesehen.

Am Deich entlang geht es weiter. Dieser Satz wird sich noch wiederholen. Schafgatter, faustgroße Köttel. Dann kommt die Störbrücke, windig, aber gute Aussicht, Wasser links unten, Wasser rechts unten. Gleich danach die sog. Fahrradscheune, ein Museum mit wohl alten Fahrradprodukten, nun gerade wegen Sturmschaden geschlossen. Dann Brokdorf AKW, alles mit Stacheldraht gesichert. Aber ein schickes Schwimmbad mit Riesenrutsche gibt es hier (wer das wohl gesponsert hat?), gut für eine Rast unter einem Vordach, denn der Regen setzt wieder ein.


Trockenzeit
Es geht sozusagen von Bushäuschen zu Bushäuschen , wo man immerhin geschützt dem Prasseln des Regens lauschen kann. Der Tag endet wie er begann: mit strömendem Regen. Immerhin bin ich dann doch noch in Brunsbüttel angekommen, mit der Fähre über den Kaiser Wilhelm Kanal, am erstbesten Hotel gestoppt. Haben sie ein Zimmer frei? Aber sicher! Erlösung! Es funktioniert sogar die Heizung und so können die Sachen getrocknet werden, vor allem die Turnschuhe haben es nötig.

Essen kann man gleich im Haus: Rotbarschfilet (geht so). Jedenfalls muss man nicht mehr vor die Tür, das graust einen ja. Anruf zu Hause (Handy): die ganze Schadenfreude über irgendwelche Überschwemmungen unterwegs war wohl fehl am Platz – wir haben selbst Wasser im Keller und ich bin weit vom Schuss. Aber es gibt hilfreiche Nachbarn und die Pumpe läuft.

2 Freitag, 19.7. Brunsbüttel - Husum, 107 km

Heute geht es im Nieselregen los, das ist auch nicht so erbauend. Vorher muss die Kette geschmiert werden, die hat es nötig. Man kann nun einen Abstecher über Friedrichkoog machen oder kürzer Richtung Meldorf fahren. Ich fahre lieber noch kürzer als die ausgeschilderte Route von Eddelak nach St. Michaelisdonn. Dort stehe ich wieder eine Weile in einem Bushäuschen aus Plastik mit interessanten Inschriften, die allerdings besser nicht wieder zu geben sind.

Windmühle und

Markt in Meldorf
Dafür hört der Nieselregen auf und es geht flott weiter nach Meldorf. Dort ist eine schöne Windmühle und gleich dahinter der Markt. Meldorfer Hafen – dann folgt eine 8 km lange Strecke schnurgeradeaus und schräg gegen den Wind. Rechts ist ein breites Gewässer, die Miele, dort rasen die Windsurfer dahin. Gegen die habe ich keine Chance, die sind schneller.

Nach ungeduldiger Fahrt erreicht man schließlich das Sperrwerk an der Meldorfer Bucht. Da liegen immerhin einige Kutter herum, da ist man ja allmählich ganz erpicht drauf. Es befindet sich dort auch ein Infozentrum des Nationalparks Wattenmeer. Ich gehe kurz hinein und man ist erstaunt, dass heute überhaupt ein Besucher kommt. Am Rande des Naturschutzgebietes mache ich eine Rast und schaue den Haubentauchern zu. Wenn man an der Sielanlage eine Treppe hinauf klettert, kann man eine Skulptur bewundern, wie zwei Männer sich gegen einen Haufen Steine stemmen. Soll vielleicht den Kampf gegen die See und Naturgewalten symbolisieren. Ich kann außerdem den ersten Blick auf die Weite der Nordsee werfen.


Sperrwerk Meldorfer Bucht

Kunst am Deich

Nun geht es direkt am Deich weiter, mühsam im Wind, bis man nach 8 km Büsum erreicht. Da geht es reichlich touristisch zu. Vor der Kirche wische ich mir eine Bank trocken und schaue dem Treiben der Feriengäste zu. Die bevölkern allerhand Souvernirgeschäfte, was soll man heute auch anderes tun? Ich mache, dass ich weiter komme, und das geht – ratet mal – weiter immer längs am Deich. 18 km sind angesagt bis zum Eidersperrwerk, der nächsten Abwechslung. Immerhin kann ich eine Familie studieren, die wohl einen Tagesausflug gegen den Wind macht. Die fahren dummerweise nicht hintereinander im Windschatten, sondern der Vater vorneweg, die Tochter 100 m dahinter und die Mutter mit rotem Gesicht krebst ganz hinten hinterher.

An einem Siel mache ich eine Rast, da sind eine Menge Schwalbennester oben an der Dachkante. Auf dem Boden liegen einige tote Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind. Schließlich fahre ich am Eider Sperrwerk oben auf dem asphaltierten Damm. Aber das geht nicht lange gut, ein scharfer Seitenwind vermischt mit Nieselregen und Gischt verklebt einem die Brille. Halb blind die Böschung runter auf die belebte Straße, da ist man wenigstens vor dem Wind geschützt.


Tönning

Ziehbrücke

Die offizielle Route geht nun in einem weiten Bogen über St. Peter Ording und Westhever. In Westhever gibt es den berühmten Leuchtturm, der für so manche Bier- und andere Werbung herhalten muss. Meine Überlegung geht dahin, dass die Landschaft von Nordfriesland zwar schön aber doch nicht so abwechslungsreich ist, wie das, was einen womöglich weiter nördlich erwartet. Und Richtung Tönning hat man Rückenwind. Das ist schön, der Niesel hört wieder auf und schnell bin ich in Tönning. Ein großer Ort mit einer imposanten Kirche, einem malerischen Hafen und einer hübschen Hebebrücke.

Nachdem das alles abgehakt ist, geht es weiter Richtung Husum. In dem Ort Oldensworth finde ich mich vor einem Bäckerladen wieder und lasse meinem Heißhunger nach Kuchen freien Lauf. Der Kuchen wird auf einer Bank mit dem Teelöffel verzehrt, dieser ist mir wohl beim ersten Frühstücksbuffet in die Tasche gefallen. Ein Ort auf der weiteren Strecke heißt Witzwort. Das macht lustig. Man kommt dann an dem roten Haubarg vorbei. Da kann man einen Abstecher machen, dort ist wohl ein Restaurant untergebracht und es findet heute eine Hochzeit statt. Die Szene ist verstellt mit Autos, so gibt es kein Foto. Wenig später gibt es noch einen weiteren der besterhaltensten Haubarge, den sieht man nur von weitem.

Vor Husum dann ein größerer Windpark mit Infostation. Eine Anzahl Windräder hat ganz kurze Flügel, das ist man gar nicht gewohnt. In Husum hat die Info noch geöffnet und ich lande dann im Thomas Hotel, ausgezeichnet. Heute kann ich chinesisch essen gehen, im Mandarin. Da wird man so richtig satt und hinterher muss man noch einen Rundgang machen. Es gibt da das Schloss vor Husum, der Park ist berühmt durch seine Krokusblüte im Frühjahr.


Husum: Am Hafen

3 Samstag, 20.7. Husum - Brøns, 120 km

Ich sagte ja schon, das Thomas Hotel ist ausgezeichnet. Von mir kann man immer ein Lob hören, wenn Lachs, Hering und Forelle zum Frühstücksbuffet gehören. Das ist hier der Fall. Auch die Weiterfahrt verspricht Angenehmes. Windstille, kein Regen zu erwarten. Die Route bietet wieder zwei Möglichkeiten: die Schleife über die fast-Insel Nordstrand, oder auf schnellerem Weg über Wobbenbüll und Arlauschleuse.

Arlauschleuse

Freizeitangebot
Und das ist eine wunderschöne Strecke. Arlauschleuse ist eine Freizeiteinrichtung mit mancherlei Betätigungsmöglichkeiten, wie ein Schild verrät. Das muss gleich fotografiert werden, weil ich leider keines dieser Angebote annehmen kann. Flott geht es weiter, immer an Windrädern entlang, die drehen sich heute nur träge, das sieht man gern. Irgendwann stößt man wieder auf die Route und den Deich und ich habe 20 km gespart.


Am Deich, Seeseitig

Man kann nun seeseitig oder landseitig am Deich entlang fahren. Seeseitig ist man mehr dem Wind ausgesetzt und der Stoffwechsel der Schafe scheint auf dieser Seite mehr angeregt zu sein. Daher ziehe ich die Landseite vor, auch da gibt es alle paar hundert Meter ein Sperrtor nach dem anderen. Man passiert nun die vorgelagerte Hamburger Hallig. Da ist auch schon eine Bude, wo man Fahrräder für einen Ausflug dorthin mieten kann. Die anderen Halligen liegen wie kleine Häufchen am Horizont. Ansonsten muss ich bei der Feststellung bleiben: Wenn man diesen Deich gesehen hat, hat man alle Deiche gesehen...


Bahn- und Fährbahnhof Dagebüll

In Dagebüll kehrt man zurück in die Welt. Zunächst überquert man einen Schienenstrang, wo ein Gefährt einen auf die Insel (oder Hallig?) Oland bringen kann. Vor einem Fußmarsch wird gewarnt. Am Bahnhof und Fähranleger in Dagebüll stauen sich die Autos mit einem Wald von Fahrrädern auf den Dächern. Die fahren wohl alle nach Föhr oder Amrum, wie wir das auch schon einmal vor vielen Jahren gemacht haben.


Deichpanorama

Die Strecke führt nun landeinwärts und es gibt einen schönen Rückenwind. Natürlich kürze ich wieder ab und vermeide (oder verpasse) den größeren Ort Niebüll. So kommt man in Neukirchen, dem letzten Ort vor der Dänischen Grenze raus. Leider sind die Geschäfte schon geschlossen. Ich frage ein paar Kinder nach einem Geschäft, aber die gucken nur blöd und kiechern. Da treffe ich zwei Radfahrer, die kommen aus Norwegen und wollen noch bis Holland weiter. Die frage ich gleich mal nach den Übernachtungsmöglichkeiten in Dänemark. Sie hätten in einem Hotel in Brøns übernachtet, das ist 40 km von hier. Das müsste heute eigentlich noch zu schaffen sein. Wäre noch zu ergänzen, dass der weniger hektische Reisende hier das Nolde Museum besuchen sollte...


Kapitel 2. Nach Skagen
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