Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3

Planung

Eine Radtour in den Alpen zu machen, erscheint aufs erste abwegig, schliesslich meiden die meisten Radfahrer die Berge, wo es geht. Doch stellt der Alpenraum sicher die grossartigste und abwechslungsreichste Landschaft in Europa dar, da kann man sich schon mal der Herausforderung unterziehen in der Hoffnung auf ein einzigartiges Erlebnis. Die Technik ist auch so weit fortgeschritten, dass man über ein geeignetes Fahrrad verfügt, wegen der Bremsen und den "Bergauf-Gängen" ist das Mountainbike ein zverlässiges Gefährt. Im Nachhinein muss in Übereinstimmung mit anderen Tourenberichten gesagt werden, dass ein leichteres Rad noch besser geeignet ist. Wenn man sich auf die Benutzung normaler Fahrstrassen beschränkt, trifft man in den Alpen kaum mehr unwegsame Strassen an, und man ist nicht auf ein geländegängiges Fahrrad angewiesen. Anders ist es sicher mit Tagestouren ausgehend von einem festen Quartier, wo man dann schon mal auf Wanderwegen auch holperigere Wegstrecken vorkommen. Aber: leider ist das Mountainbiken mittlerweile in Verruf gekommen, weil rücksichtslose Zeitgenossen Wanderer über den Haufen fahren oder ohne Rücksicht auf Fauna und Flora durch's Gelände bürsten.

Der Wunsch, in den Alpen mit dem Rad zu fahren, entstand bei mir automatisch, als wir im vergangenen Jahr auf der Tour Passau - Wien - Plattensee oft genug in Sichtweite der Alpen fuhren. Nach Abwarten eines günstigen Zeitpunktes - aber früh genug -, damit sich alle daran gewöhnen, muss man dann seinen Plan eröffnen, Resturlaub aufheben, sich eine ruhige ausserhalb der Saison liegende Zeit aussuchen, Landkarten besorgen, Fahrtrouten studieren usw.

Einen Reisepartner für diese Unternehmung zu finden, habe ich gar nicht erst versucht, im Bekanntenkreis findet man sowieso keinen, und ein per Inserat oder sonstwie aufzutreibender Partner bringt immer ein Risiko mit sich. Eine Reise allein bringt neben den Nachteilen auch ein ganze Menge Vorteile: totale Unabhängigkeit; an allem, was schief geht, ist man selbst schuld; wenn man nicht mehr kann, hört man auf; wenn es gut läuft, macht man Dampf... usw.

Zum anderen erlebt man alles um sich herum sehr intensiv. Um das mit denen zu teilen, die an derartigen Unternehmungen interessiert sind, und um in späteren Jahren dem eigenen Gedächtnis nachzuhelfen, habe ich täglich unter dem Eindruck der gerade zurückliegenden Erlebnisse Notizen gemacht und in der vorliegenden Form aufgearbeitet.


Freitag 2.6. Wien - Schwarzau 95 km

Endlich ist es soweit, es wird die Fahrkarte zum Sparpreis DM 99.- (Rosarote Zeiten) Hinfahrt Passau, Rückfahrt Basel, Transfer Passau - Wien besorgt, das Fahrrad als Reisegepäck aufgegeben und zum heissersehnten Zeitpunkt dann über Nacht per Liegewagen die Anreise nach Wien angetreten.

Ankunft in Wien Westbahnhof 8.20, aber wegen strömenden Regens ist an ein Losfahren erstmal nicht zu denken. Erst muss auch das Rad von der Gepäckabfertigung abgeholt und montiert werden, zum Glück sind keine schwerwiegenden Beschädigungen festzustellen, ein Bremshebel ist etwas verbogen und die Tachomonturen müssen neu ausgerichtet werden. Dann lässt der Regen etwas nach, Start 9.00, und erstmal eine scheussliche Fahrt entlang der Wiener Ringstrassen (Margaretengürtel usw.). Schliesslich geht es längs der Vösendorfer Strasse, bis diese zuende ist, da beginnt ein ausgeschilderter Radwanderweg in den Wiener Süden. Leider ist der nach dem Regen ziemlich aufgeweicht, ausserdem ist die Beschilderung nicht immer ganz eindeutig, so lande ich irgendwann auf der Strasse nach Traiskirchen (Nachbarort von Gumpoldskirchen). Dann geht es nach Baden, Bad Vöslau und über den ersten Berg nach Pottenstein bei Berndorf. Dass man sich den Alpen nähert, ist nicht zu merken, es ist alles wolkenverhangen.

Nun das erste Tal hinauf nach Pernitz mit einem Sattel von 650 m Höhe. Wieder herrscht starker Regen, sodass es eine sehr kalte Abfahrt wird. In einer Bushaltestelle muss ich mich umziehen und aufwärmen. Nun geht es weiter nach Gutenstein ins Klostertal, es kommt ein zweiter Pass mit 765 m Höhe. Zum Abschluss folgt eine 7 km lange Abfahrt nach Schwarzau im Gebirge, es ist 17 Uhr, und ich finde gleich eine Unterkunft beim Bacherlwirt. Dort ist es sehr urig, genau das richtige nach so einem erstem, nicht nur genussreichen Tag.

Abends besuche ich noch den Naturpark, auf den die Einwohner sehr stolz sind. Für Übernachtung, Frühstück, Abendessen und 2 Bier zahle ich am nächsten Morgen DM 20.-.


Sägewerk im Klostertal


Beim Bacherlwirt

Samstag 3.6. Schwarzau - Hieflau 125 km

Heute scheint die Sonne, Start um 8 Uhr. Von der Haustür weg beginnt die starke Steigung mit wohl 15% Neigung. Um kein Gesicht zu verlieren, fahre ich soweit, bis ich ausser Sichtweite von eventuellen Beobachtern bin, und steige dann keuchend und ausser Atem ab. Schritt um Schritt wird nun langsam bergauf geschoben. Die Blumenflora auf den Wiesen ist herrlich, und ich sehe die ersten Orchideen (Knabenkraut). Es liegt die ungewisse Strecke unterhalb eines Berges namens "Gippel" vor mir, die ich mir nach der Karte ausgesucht habe, und die mir 30 km Umweg in Richtung Mariazell erspart. Im Gasthaus hatte man mir gesagt, dass man da zwar rauf käme, oben aber das Rad tragen müsste, aber ein paar Verrückte hätten das auch schon mit Mountainbikes gemacht.

Erstmal geht es aber auf asphaltiertem Weg gut voran, dann aber leider wieder ordentlich runter in ein Tal, da ist wieder ein Teil der gewonnenen Höhe verloren. Nach Erreichen der letzten Häuser (Gasthof Triebel) beginnt ein steiler Anstieg auf einem geschotterten Forstweg. Das lässt sich noch alles machen - schiebenderweise -, doch dann kommt eine Abzweigung mit Schild: Mariazell, Wallfahrerweg, der scheint ungeniessbar zu sein. Eine andere Möglichkeit aber bietet sich nicht an, so quäle ich mich einen steilen Fusssteig durch den Wald hinauf. Überall sind Gedenktafeln von Wallfahrern angebracht, die hier auch geschwitzt haben, aber keiner hat wohl ein Fahrrad samt Gepäck für hinter sich hergezerrt. So eine Stunde lang dauert diese Quälerei, alle 50 m muss ich verschnaufen. Endlich wird es heller zwischen den Bäumen, ein sanfter Wiesenweg führt über den Sattel und es folgt eine stilgerechte MTB-Abfahrt über einen Almwiesenweg. Die Almhütten sind hier verlassen, einige verfallen. Die Höhe ist 1134 m, ich bin schon stolz, das erste Mal die 1000 m Grenze überwunden zu haben.


Gedenktafeln der Wallfahrer


Kanalröhrenmarterl
Nun geht es herrlich komfortabel hinunter auf einem schönen Forstweg Richtung Lahnsattel, ein paar Wallfahrer werden überholt, jetzt merke ich, dass die Klingel auch kaputt ist. Zum Lahnsattel mit ca. 1000 m geht es auf einer Strasse wieder hinauf, das ist nun kein Problem mehr. Während ich dort eine Gedenktafel über eine Katastrophe im letzten Jahrhundert - die grosse Lahn (Erdrutsch) - studiere, bei der an die zehn Menschen ihr Leben verloren haben, sausen ein paar Radrennspezies vorbei, grüssen aber immerhin.

Weiter geht es 15 km bergab durch das Halltal. Da freut man sich, dass die Strapaze des Morgens überstanden ist, und überlegt, ob man in diesem Stil in den Alpen sehr weit kommen würde. Nun bin ich aber auf einer schönen Strasse und nähere mich flott Mariazell.

Da aber zeigt sich wieder ein Anstieg, weil der Talausgang durch die Salzaklamm unpassierbar ist. Durch die Klamm aber führt laut Hinweisschild der mir schon vertraute Wallfahrerweg - Begehen auf eigene Gefahr -. Sicher kann man da wenigstens durchschieben, es ist doch zu verlockend. Erst gehts gar nicht schlecht, über eine Brücke, dann über Stock und Stein, dann über eine Naturtreppe hinauf, plötzlich finde ich mich senkrecht 25 m über dem Bach wieder, balancierend und eine Mensch - Fahrrad - Gepäcklawine riskierend. Während mir so allmählich wieder der Schweiss ausbricht, quäle ich mich auf gleiche Weise wieder abwärts und gelange endlich auf einen Forstweg mit einem Wegweiser in drei Richtungen: Klammweg, da bin ich hergekommen, Klammweg, da geht es weiter, und als drittes ein steiler Anstieg über den Berg, den ich ja vermeiden wollte. Da der Weg die Klamm hinunter nun gut ausgebaut ist, fahre ich frohen Mutes weiter geradeaus. Doch schon nach wenigen hundert Metern hat die Freude ein Ende und es geht wieder so wild zu, wie vorher. Dann folgen so enge Serpentinen steil bergauf, dass man das Fahrrad dort kaum noch herumgehievt bekommt. Ein Blick nach oben lässt erkennen, dort geht es wohl in 50 m Höhe über der Schlucht weiter, da bleibt doch wohl nur die Umkehr. Also den Weg zurück bis zu dem Wegweiser und den steilen Weg den Berg hinauf.


Eingang in die Salzaklamm

In der Salzaklamm
Mit waagerechtem Oberkörper wird geschoben, was das Zeug hält. Nach einer knappen Stunde erlösen mich Gymnastiktafeln eines Trimmweges, da kann eine Autostrasse nicht weit sein. So ist es auch, ich gelange genau auf den Berg, den ich umfahren wollte, aber Mariazell liegt dort oben, der Weg durch die Klamm hätte mich sowieso viel zu weit unten herausgeführt.

Dann ist man schnell in Mariazell, es ist schon nach 13 Uhr, also einen Vormittag habe ich für 30 km gebraucht. Hier ist ein mächtiger Touristenrummel, wahrscheinlich nicht alles Pilger. Ich versorge mich in einem Geschäft mit dem Nötigen, mache Rast und habe ansonsten nichts mit den fotografierenden und Andenken kaufenden Menschen zu tun.


Friedhofszaun mit Malergerät

Orchidee vor Hochschwab
Nun liegen 50 km Fahrt durch das weitere Salzatal vor mir, das wird wettermässig und landschaftlich ein Hochgenuss. Es wird alle Augenblicke fotografiert, Wasser aus Brunnen nachgetankt oder Wildwasserfahrern zugeschaut. Links oben liegt der Hochschwab mit seinen wilden Brüdern. Jetzt sieht man endlich, dass man in den Alpen ist. Die Vegetation ist phantastisch, viele Orchideen, blühende Strassenränder und Wiesen. Die Bundesstrasse 24 ist schwach befahren, alle 5 Minuten ein Auto oder Motorrad, viele grüssen einen sogar. Der Ort wird passiert, hier ist ein Zentrum für Wildwasserfahrer.

Tunnelausfahrt

Stausee im Salzatal
Vor Palfau zweigt eine romantische Nebenstrasse in das Enntstal ab. Dort erreicht man den Ort Grobreifling, von dort geht es wieder hinauf Richtung Gesäuse. Eine Umleitung ist noch zu passieren, dort geht es über eine Hochbrücke. Eine Baustelle lässt erahnen, wie die ganze Landschaft rücksichtslos den strassenbaulichen Notwendigkeiten unterworfen wird, aber das wird im Verlauf der weiteren Fahrt immer wieder zu sehen sein.

Hieflau
Gegen 19 Uhr bin ich in Hieflau, wo das Gesäuse beginnt. Hier will ich übernachten. Leider ist der Ort nicht besonders hübsch, weil er von Durchgangsstrassen zerteilt ist. Die Gastwirtschaft, die für eine Übernachtung in Frage käme, ist mit Eternit verkleidet, das lasse ich mir nicht gefallen. Anhand der Informationstafel suche ich mir eine Wirtschaft am Ortsrand in Waldrandlage aus. Was hier so Ortsrand heisst, bedeutet nochmal 15 min steil bergauf schieben. Laute Stimmen und Musik künden schliesslich das erhoffte Ziel an, es scheint so eine Art Disco hier zu sein und eine Menge jugendliches Volk wuselt da rum. Ich fühle mich da etwas deplaziert, bekomme aber ein Zimmer und kann abends in der Wirtschaft noch ein Bier trinken und Würstel essen. Die Aussicht vom Zimmerbalkon über Hieflau ist sehr romantisch. Am nächsten Morgen bezahle ich nur 25 DM für alles und bin mit dem Quartier sehr zufrieden.

Sonntag 4.6. Hieflau - Gosau 125 km

Start um 8 Uhr, das Wetter ist mässig, alle Berge sind verhangen. Nun geht es ins Gesäuse, das ist der Ennsdurchbruch zwischen Ennstaler und Eisenerzer Alpen. Stellenweise ist das sehr eindrucksvoll, besonders wo die Enns ihre Wildheit entfalten kann und enorme Wassermassen über gewaltige Felsblöcke tosen. Ab und zu ist sie aber aufgestaut, um die Wasserkraft zur Energiegewinnung zu nutzen. Ausserdem gibt es wieder eine ganze Reihe von Baustellen. In einem Tunnel gerate ich ins Schlingern, es ist stockdunkel da drinnen, und ich stelle fest, dass mein Licht vorne auch nicht geht. Ich fahre dann so schnell ich kann hinter den Autorücklichtern her und bin zum Glück bald wieder am Tageslicht. Am Ende des Gesäuses talauf gesehen weitet sich das Tal zu einer freundlichen Wiesenlandschaft Richtung Liezen. Auf einer schönen Nebenstrasse fahre ich nun wieder verkehrsberuhigt, aber es beginnt zu regnen. Bald hört es wieder auf, ich lasse den Ort Admont links liegen. Der Ausgang des Bosrucktunnels mit zugehöriger Autobahn kommt in Sicht. Obwohl das Wetter schlecht ist, herrscht Ostwind, sodass ich den Wind im Rücken habe. Aber die Bundesstrasse wird nun breiter und verkehrsreicher, bis ich Liezen erreiche. Dort wird erstmal Rast gemacht. Aber Liezen ist ein hässlicher Ort mit viel Industrie und Zweckwohnbauten.

Weiter geht es entlang der nun stark befahrenen breit ausgebauten Rasestrecke Richtung Trautenfels. Da steht ein Schild neben der Strasse: "Liezen - Trautenfels, der grösste Friedhof Oesterreichs". Nanu, wo ist der denn zu besichtigen? Wenig später ein weiteres Schild: "100 Tote in 10 Jahren". So war das mit dem Friedhof also zu verstehen. Um die Strasse wann immer es geht zu vermeiden, fahre ich durch die Ortsdurchfahrten.

Endlich gelange ich nach Trautenfels, der Abzweigung Richtung Tauplitz und Bad Aussee. Diese Strasse ist genauso protzig und führt als breite Trasse das Tal hinauf. Ein Stück weit kann ich die alte Strasse benutzen, aber das hat bald ein Ende. Wieder helfen mir die Ortsdurchfahrten, ein wenig Erholung von den vorbeirauschenden Autos und Abwechslung von der monotonen Strasse zu finden. Das Fahren ist nun auch anstrengend, weil es ständig leicht bergauf geht und ein kalter Wind von vorn weht. Über Tauplitz und Bad Mitterndorf gelange ich auf einer Gefällestrecke aber bei Regen dann nach Bad Aussee. Inzwischen habe ich mich warm anziehen müssen: lange Hose und Winterhandschuhe.

Es ist gegen 15 Uhr und ich habe Hunger, nachdem ich den Tag zuvor nicht richtig warm essen konnte. In einem Gasthof bekomme ich noch einen Krautwickel, den ich verschlinge. Jetzt wieder regeneriert geht es an die letzte und schönste Tagesetappe über den Koppenpass, vorbei an der Koppenbrüller Höhle nach Obertraun. Von dort ist es nur ein Katzensprung bis zum Hallstätter See, wo mir der erste Seeblick auf Hallstatt eine Offenbarung ist.

Am Hallstätter See
Zur Belohnung lasse ich mich von einem Wohnmobilehepaar fotografieren. Jetzt geht es nach Hallstatt, das den Eindruck eines Puppendorfes macht. Hier war ich schon einmal vor 30 Jahren. Damals kam mir alles viel enger vor. Die Häuser sind im alten Stil sehr gut gepflegt. Die Autostrasse führt um den Ort herum durch einen Tunnel, mit dem Fahrrad kann man aber durch die Ortsstrasse zwischen den allgegenwärtigen Touristen hindurch fahren oder schieben. In der Hauptsaison bekomt man hier wohl kaum ein Bein auf die Erde.

Hallstatt
Leider ist vom Dachstein wegen der Wolken nichts zu sehen. Auch die berühmete Dachstein Mammuthöhle lasse ich links liegen, dort geht es kurz nach Obertraun mit der Seilbahn hinauf, das würde mich eine Menge Geld und vor allem Zeit kosten.

Es gilt noch, 250 Höhenmeter nach Gosau hinaufzustrampeln, was bei wieder einsetzendem Regen fast ohne Schwitzen abgeht. Hier steige ich komfortabel ab beim Brandlwirt, ein einfaches aber urgemütliches Zimmer kostet wieder nur DM 20. Im Restaurant kann ich gut essen (Schweineleber). Nebenan tagt eine Gesellschaft älterer Herrschaften, ein alter Daddi schwingt eine Rede und beweist - nun wohl erleichtert - gleich anschliessend seine sängerischen Qualitäten, die mir allerdings etwas zweifelhaft erscheinen. Bald aber singt die ganze Korona, Kufsteiner Lied, Jodelversuche usw. Das ist ja ganz lustig, aber doch einigermassen müde suche ich bald mein warmes Quartier auf.

Montag 5.6. Gosau - St. Veit 65 km

Am Morgen hängen wieder alle Berge in den Wolken, also schlafe ich länger und starte erst gegen 9 Uhr. Plötzlich bricht die Sonne durch und einige Schleier lüften sich. Aber Dachstein und Bischofsmütze bekomme ich nur in Andeutungen zu sehen. Erstmal geht es 200 m hoch auf den Pass Gschütt auf 969 m. Danach eine schöne Abfahrt über Russbach, das Tennengebirge muss direkt voraus liegen, aber auch das lässt sich nicht blicken. Dann geht es links ab das Halltal hinauf, zunächst über einen ruhigen Wirtschaftsweg, später wieder auf breiter Strasse. Nun steigt es wieder ganz schön an, bis man nach St. Martin im Tennengebirge gelangt. Hier beginnt es prompt zu regnen, wenig später giesst es. So bleibt es die ganze Abfahrt über 20 km nach Bischofshofen, wo erstmal wieder in einer Bushaltestelle regeneriert werden muss. Nun ist die Strasse im Salzachtal sehr verkehrsreich, über St. Johann im Pongau nähere ich mich Schwarzach/St. Veit.


Bei Russbach

Kirchplatz in St. Veit
Eigentlich wollte ich über Dienten und Mühlbach zum Hochkönig fahren, aber die Strecke nach Saalfelden scheint gesperrt zu sein. Ausserdem wäre vom Hochkönig ja auch wohl nichts zu sehen gewesen. So zieht es mich nach St. Veit, wo ich vor 30 Jahren meinen ersten Urlaub in den Alpen verlebt habe. Als ich wieder mal eine Ortsdurchfahrt benutze, um dem Verkehr zu entgehen, kommt endlich der ersehnte Wegweiser nach St. Veit. Das ist entweder ein Wirtschaftsweg oder einer für Spaziergänger, wie sich bald herausstellt geht es auf einem matschigen Weg eine steile Wiese hoch. Da verzichte ich nun aber dankend, auch der Regen setzt wieder ein.

Zurück auf die Hauptstrasse, wo wenig später eine neue, erst seit dem letzten Jahr bestehende Schrägtrasse nach St. Veit hinaufführt. Dann weiche ich wieder auf einen diesmal asphaltierten Fussweg aus und muss steil hinaufschieben. Als ich endlich oben bin, herrscht wieder strömender Regen, es ist 14 Uhr. Erstmal ein Foto vom Kirchplatz, er ist wohl nicht mehr so urig wie vor 30 Jahren, aber strahlt immer noch eine einzigartige Atmosphäre aus. Vor dem Regen muss ich mich unterstellen und beschliesse entnervt, für den heutigen Tag die Fahrt abzubrechen. In einem Haus mit Zimmerhinweis frage ich nach Unterkunft, werden aber an die Schwester der Hauswirtin umgeleitet. So lande ich bei Familie Freudenthaler im Haus Mariandl, wo ich sehr gastlich aufgenommen werde. Nun bin ich auch nicht mehr so enttäuscht, einen halben Tag zu verlieren, weil es nun gerade in St. Veit sein muss. Die Wirtstochter Leni vom Grafenhof, wo wir seinerzeit gewohnt haben, ist mit dem Sparkassenleiter verheiratet und Patentante der Kinder meiner Wirtsleute.

Als die Geschäfte am Nachmittag wieder aufmachen, gehe ich gemütlich einkaufen, dann wird das Wetter etwas besser, und ich mache noch eine zünftige Mountainbiketour ohne Gepäck. Nachdem ich mich nach dem Weg erkundigt habe, fahre ich bis 1200 m hinauf, bis es nur noch auf den Schneeberg weitergeht, auf den meine erste Bergtour damals geführt hat. Das Salzachtal mit seinen Wiesen und eingestreuten Gehöften liegt tief unten, wie aus dem Flugzeug betrachtet. Weder von den verschneiten Hohen Tauern noch vom Hochkönig ist irgend etwas zu sehen. Nach einer Stunde Aufstieg fahre ich nun in 10 Minuten wieder ab, dabei muss ich noch einige Kühe überlisten, die mitten auf dem Weg trotten und sich nicht überholen lassen wollen. Nach ein paar freundlichen Worten geht es aber. Unten angekommen bin ich wieder recht durchgefroren und wärme mich mit einer heissen Dusche auf.

Abschliessend suche ich mir ein Lokal am Kirchplatz zum Abendessen, ich nehme Rumpsteak Tiroler Art, kurioserweise mit Tintenfischen garniert. Da wäre interessant zu wissen, wo die Tiroler ihre Calamaris fangen. Das Gericht kostet 100 Schillinge obwohl das Lokal einen recht vornehmen Eindruck macht. Am Nebentisch sitzen lauter Kölner Frühtouristen. Für die Pension bezahle ich 20 DM.

Dienstag 6.6. St. Veit - St. Johann im Walde 115 km

Um 8.30 Uhr fahre ich bei erträglichem Regen los. Über den Glockner kann ich bei bestem Willen nicht fahren, er ist nur mit Schneeketten passierbar, von der umgebenden Bergwelt würde man auch nichts zu sehen bekommen. Da bleibt nur der bequemere Weg durch das Gasteiner Tal und die Unterquerung des Alpenkamms per Eisenbahn durch den Tunnel. Die Nebenstrecke über Goldegg nach Lend ist zu aufgeweicht, also geht es hinunter auf der alten Strasse nach Schwarzach. Ab hier wieder auf der stark befahrenen Bundesstrasse durch die Salzachschlucht, von der die Strasse nicht viel Attraktives übrig gelassen hat. Dann zieht sich eine lange Schrägtrasse zur Abzweigung in das Gasteiner Tal den Hang hinauf. Als ich die Abzweigung erreiche, sehe ich links den Ausgang der schönen Klamm der Gasteiner Ache, die alte Strasse verläuft aber auf der anderen Seite, da kann man nicht hinüber. Stattdessen sind zwei Tunnel zu durchfahren, der zweite ist etwa zwei km lang. Zum Glück gibt es Beleuchtung und einen breiten Seitenstreifen. Am Ausgang der Tunnel ist man - oh Wunder - bereits im Gasteiner Tal, die Klamm sieht man nur von oben. Bei guter Ortskenntnis hätte man wohl unten aus dem Salzachtal von Lend aus durch die Klamm fahren können, aber nun bin ich oben und auch nicht unglücklich.

Erstmal auf der Hauptstrasse mit wenig Verkehr nach Dorfgastein. Hier habe ich vor 25 Jahren nach dem Abitur mit meinem Klassenkollegen Uli S. den ersten Skiurlaub verbracht. Wir haben beim Schmied am Ortseingang gewohnt. Der Betrieb hat sich herausgemacht, ein Metall- und Kunstgewerbegeschäft ist daraus geworden. Die Familie hiess Gstrein, fällt mir aber erst beim Lesen des Namens wieder ein. Sogar die Frau Gstrein bekomme ich zu Gesicht, die auf einem Balkon irgendeinen Feudel auswedelt. Sicher werden sich die Leute aber nicht mehr an uns erinnern, so fahre ich durch Dorfgastein hindurch und nun auf einer Nebenstrasse bis Bad Hofgastein. Da laufen kurbedingt eine Menge wackeliger Personen herum, einige frage ich nach dem Weg und erkläre Woher und Wohin. Ein Einheimischer interessiert sich für das Fahrrad, er war auch schon einmal bis ins Zillertal.

Richtung Badgastein geht es weiter auf der schönen Nebenstrasse oder über einen Uferweg an der Gasteiner Ache. Angekommen in Bad Bruck unterhalb von Badgastein wird es wieder ernst, es geht steil hinauf in das Zentrum von Badgastein. Hier haben wohl viele hohe Häupter und berühmte Persönlichkeiten gekurt, daran denke ich, als ich den Namen Bismarckstrasse lese. Sicher ist keiner von diesen im Trainingsanzug und mühsam ein Fahrrad mit Gepäck berganschiebend dort aufgekreuzt. Ziemlich verschwitzt komme ich im Ortszentrum an, vor dem berühmten Wasserfall lehne ich das Fahrrad an das dort sehr notwendige Geländer, und lasse mich von freundlichen Leuten fotografieren.

Vor dem Wasserfall
Auf einer Tafel lese ich, dass hier die Luft durch das Wassergestiebe des über 300 m hinabtosenden Baches negativ ionisiert wird und darauf die Heilwirkung des dortigen Klimas beruht. Sicher spielt auch der Komfort der zum Teil klassischen Hotels eine Rolle, aber nicht mehr alle scheinen die besten Tage zu sehen. Das Spielkasino ist natürlich bestens in Schuss, aber da will ich mein Fahrrad nicht versetzen. Auch ein Rollsroyce wuselt herum, überholt mich wenig später beim Anstieg zum Gasteiner Bahnhof. Ärgerlicher ist, dass ein Parkhausneubau die schöne Gasteiner Kulisse gründlich verunziert.

Nun geht es hinauf zum Bahnhof, wo ich gleich eine Fahrkarte mit Fahrradtransfer durch den Tunnel nach Mallnitz erstehen möchte. Es wäre aber über eine Stunde bis zum nächsten Zug zu überbrücken, zwar eine verdiente Ruhepause, aber der Schalterbeamte verrät mir, dass ich schon in 20 Minuten in Böckstein an der Autoverladestelle Anschluss hätte. Ich bezweifle, das in 20 Min. zu schaffen, aber er meint, das seien ja nur 4 km. Also hetze ich los, ein Auge auf dem Kilometerzähler, das andere auf die Uhr, von der Gegend sieht man so nicht viel. Ist aber auch nicht viel zu sehen, dafür ziehen sich die 4 km ganz schön hin und warten am Schluss auch noch mit ein paar ansteigenden Kurven auf. In Böckstein hat man auch schon 1200 Höhenmeter. Fünf Minuten vor Abfahrt des Autozuges, der allerdings halbstündlich fährt, gelange ich auf den Bahnsteig, löse meine Karte und fahre überschnell tretend, weil ich gar nicht zum Runterschalten komme den Bahnsteig entlang und ohne abzusteigen in das Motorradabteil, wo mir der Schaffner schon die Tür aufhält. Am liebsten hätte ich mich an Ort und Stelle hingeschmissen, muss aber noch in das Personenabteil umwechseln, dessen Tür sich nur durch einen Fusstritt öffnen lässt. Sicher wird sie in einem Autozug selten benutzt. Jetzt schnauft man aber. Schon fährt der Zug an, schnell ein Foto links aus dem Fenster, eines rechts bei Einfahrt in den Tunnel, dann 5 Minuten Dunkelheit bei der Durchfahrt des 8 km langen Tunnels. Das ganze kostet ca. 5 DM. Dafür gelangt man nach Mallnitz auf die Sonnenseite der Alpen.

Gespannt auf das Wetter steige ich aus, siehe da, es scheint etwas die Sonne, alles ist knochentrocken, hier hat es überhaupt nicht geregnet. Doch es herrscht ein eisiger Wind und die Berge sind auch hier umwölkt. Das Thermometer zeigt 8 Grad an.

Erstmal Mittagspause, am Bahnhof erstehe ich kostenfrei einen schönen Prospekt über Kärnten mit brauchbaren Stassenkarten. Jetzt folgt die rauschende Abfahrt in das Mölltal, einmal halte ich noch an, weil ein Lastwagen vor mir zu langsam ist und ich den nicht überholen möchte. Manchmal fahre ich über 60 Sachen, aber dann beginnen die Augen zu tränen. Weiter geht es 30 km das Mölltal hinauf bis Winklern, wo die Glocknerstrecke über Heiligenblut hinzukommt. Vor dem Anstieg zum Iselspass empfiehlt sich noch eine Rast. Auch die Kette kann ich an einer freundlichen Tankstelle neu ölen. Dann geht es hinauf auf den 1204 m hohen Pass, der ohne zu schieben gefahren werden kann. Oben ist herrlicher Sonnenschein und das Panorama der Lienzer Dolomiten liegt vor einem. Sie sind zwar auch umwölkt, lassen sich aber stückweise blicken. Bei der Iselsbergkapelle schaue ich mich erstmal satt und geniesse die Sonne.


An der Iselsbergkapelle

Die Isel bei Huben
Dann geht es 500 m hinunter in das breite Tal der Drau und nach Lienz. Wieder starker Verkehr, so hält es einen nicht lange in Lienz. Um meine weitere Route durch das Defereggental zu erreichen, muss ich von Lienz aus ein Stück die Felberntauernstrasse entlangfahren. Obwohl der Verkehr hier sogar erträglich ist, bin ich froh einen Uferwanderweg entlang der Isel zu endecken, den ich nun 10 km weit bis St. Johann im Walde befahren kann.

Wieder muss ich mich mit ein paar Kühen rumplagen, aber alles bleibt friedlich. Ich beschliesse, die Übernachtung ins Auge zu fassen, ziehe mir auf einer Wiese an der Isel die Trainingshose an, um landfein zu sein, ausserdem wird es kalt. In St. Johann im Walde wirkt alles etwas öde, es gibt gerade 4 Häuser. Die erste Pension ist voll mit angwelwütigen Italienern belegt. Man verweist mich auf ein anderes Haus, das ich erst nicht finde, weil ich innerhalb dieser 4 Häuser Orientierungsschwierigkeiten habe. Dort aber werde ich sehr gastfreundlich aufgenommen, bekomme ein Zimmer auf dem Dachboden und werde mit Pasta Chiuta und einer Riesenportion Salat bewirtet. Dazu gibt es ein Bier, da kann ich anschliessend kaum noch gerade gehen. Es gibt sogar eine Telefonzelle, von wo aus ich zu Hause anrufen kann. Ein kleiner Spaziergang mit Besichtigung des etwas zu Denken gebenden Kirchenumbaus und einer stillgelegten Kneipe beenden diesen Tag. Ein Dialog mit der Wirtin ist noch erwähnenswert: als ich mit dem Aufschreiben der Tagesereignisse beginne, sagt sie: "Ah, da san's wohl a Lehrer". Wie ich verneine und meinen Beruf aufsage, sagt sie: "Ah, da san's also koa richtiger Lehrer". Preis mit Abendessen + 1 Bier DM 25.-

Mittwoch 7.6. St. Johann - Sexten 95 km

Bei sonnigem Wetter geht es um 7.45 Uhr los, die Berge sind zunächst frei. Schnell ist man in Huben, der Abzweigung in das Defereggertal. Erstmal gibt es wieder einen ordentlichen Anstieg, um das Tal oberhalb der Klamm der Schwarzach zu erreichen. Der Blick nach unten in die Klamm ist meistens so bemerkenswert, dass ich lieber schiebe, um über die Strassenkante nach unten blicken zu können. Das Deferegger Tal ist wie aus dem Bilderbuch.




Defereggen Tal
Im ersten Ort hebe ich Geld vom Postsparbuch ab und kaufe eine Wanderkarte. Dann folgt der Ort St. Veit im Defereggental, der 200 m über der Talsohle liegt. In der Hoffnung, dass das ein lohnender Abstecher ist, schiebe und fahre ich über eine knappe Stunde dort hinauf. Aber allzuviel gibt es nicht zu sehen, ich mache Rast und kaufe ein. Wieder geht es hinab ins Tal und langsam gen Talschluss bis Erlsbach, wo die Abzweigung zum Staller Sattel mit 2052 m Höhe ist.

Als die ersten Steigungen beginnen, treffe ich einen Radtourer auf einem Rennrad, nur mit einem kleinen Rucksack, der für ein paar Tage von Heilbronn aus unterwegs ist. Der ist gestern den Grossglockner gefahren, als ich gekniffen habe. Aber wie ich höre, hat sich das gar nicht gelohnt, vereiste Strasse und absolut nichts zu sehen. Der Rennradfahrer mit seinem Minigepäck hat einen anderen Tritt drauf, als ich mit meinem Mountainbiketraktor und entschwindet nach der nächsten Kurve den Blicken. Ich tanke mich so langsam hoch, über eine Menge Kehren durch einen lichten Hochwald mit vielen Bächen. Die Baumgrenze wird erreicht, damit lässt auch die Steigung nach und ein hochalpines Hochtal wird erreicht. Zwei Motorradfahrer aus Düsseldorf, die mich vorher überholt hatten, kommen mir wieder entgegen. Ich befürchte schon, dass der Staller Sattel nicht offen ist, stelle aber später fest, dass die jenseitige Abfahrt für schwere Fahrzeuge und auch Motorräder nicht gestattet und zu gefährlich ist.

Erstmal herrscht in dem Hochtal ein fast winterliches Klima, ein sehr kalter Wind bläst von vorn, die Vegetation ist noch kaum nach der Schneeschmelze in Gang gekommen. Auf den sumpfigen Wiesen blühen üppig die Sumpfdotterblumen. Auf dem Staller Sattel muss eine Viertelstunde auf die Grenzabfertigung der Italiener gewartet werden, weil die Abfahrt vom Pass nur einspurig befahren werden kann. In der Zeit, die natürlich für eine Ruhepause sehr willkommen ist, setzt ein heftiger Schneesturm ein, den ich hinter einen Stein gekauert abwarte. Da hört man auch das Donnern einer Lawine aus der Richtung des Aufstiegs, aber die gehen oben zwischen den Wänden ab und kommen jetzt im Juni nicht mehr bis hinunter. Als die italienischen Grenzer um 14 Uhr die Grenzabfertigung vornehmen, scheint wieder die Sonnen, es ist wie im April. Für mich mit meinem Fahrrad interessiert sich kein Grenzer, pflichtbewusst gehe ich aber extra hin und zeige meinen Pass. Der wird nur unwillig kurz aufgeklappt, per Kopfnicken werde ich Richtung italienischer Seite gewiesen. Bei allen künftigen Grenzübertritten, musste ich kaum die Füsse von den Pedalen nehmen, aber beim ersten Mal ist man noch vorsichtig.

Auf dem Staller Sattel
Winterlich angezogen mache ich mich bei nun bestem Wetter an die Abfahrt, die mit äusserst engen Kehren in steilem Gelände wirklich gefährlich ist. Mit guten Bremsen geht das, aber man darf nichts riskieren und kommt kaum über 20 km/h. Dafür dauert es etwas länger, aber Abfahrten gehen immer schnell vorüber. 600 m geht es direkt hinunter bis an einen See. Verkehr ist hier überhaupt nicht. Weiter geht es über 20 km das Antholzer Tal hinab, wo ich nun bei Rückenwind kaum treten muss. Landschaftlich ist es wieder herrlich, aber ich fühle mich hier in Südtirol und damit Italien noch nicht so heimisch wie vorher in Oesterreich. Irgendwo sollte ich meine Schillinge nun in Lire umtauschen, aber es geht so flott voran, dass ich an allen Orten vorbeisause.

Kurz vor Erreichen des Pustertals Richtung Toblach ziehen von Westen her dunkle Wolken auf. Die Hochstimmung der Passüberquerung verlässt mich jetzt. Immerhin mit Rückenwind fahre ich nun das Pustertal hinab, immer vor dem Regen her. Dann wechsele ich endlich in einer Bank das Geld, der Schalterbeamte ist auch Radfahrer und bedauert mich, dass ich mir so eine schlechte Wetterlage ausgesucht habe. Das bedauere ich auch und fahre weiter gen Toblach. Hier zweigt die Strecke direkt nach Cortina ab, von den Dolomiten sieht man zwischen den Wolken hin und wieder Andeutungen. Hier in Toblach setze ich mich nun lustlos in eine Wiese, die Wetteraussichten sind schlecht, von den Bergen sieht man nichts, was soll das noch Schönes bringen.

Immerhin geht es nach Innichen wohl etwas bergab, ausserdem drängt der Regen im Westen, da fahre ich erstmal weiter und nehme mir Sexten als Tagesziel vor. Es ist noch früher Nachmittag, da lasse ich mir Zeit und mache in Innichen nochmal Pause. Das ist aus meiner Sicht und der herrschenden Stimmung ein hässlicher Ort, so eine Art Grenzbahnhof. Von Innichen trotte ich gen Sexten, das geht wieder bergauf, aber das belebt eher. Dann erreicht mich der Regen doch noch, ich komme aber einigermassen früh gegen 18 Uhr dort an und kann mir im Informationsbüro noch Unterlagen abholen. Ganz geruhsam suche ich mir ein Quartier neben der Kirche aus, und als ich dort auch unterkomme, nehme ich das Zimmer gleich für zwei Tage, weil ich keine Lust mehr habe. Vielleicht ändert sich das Wetter dann inzwischen, man hat immerhin für das Wochenende besseres Wetter angesagt. Erstmal wird gebadet und die Welt sieht wieder anders aus. Abends gehe ich schön essen und überlege, was ich an dem nächsten Tag anstellen könnte.


Kapitel 2