So stell ich mir den Spreewald vor...

Radtour 15.-22.8.98: Dresden - Sächsische Schweiz - Spreeradweg

An der Spree soll es einen Radwanderweg geben, so steht es in der Zeitschrift RADwelt, 3/97: "Neue Hoffnung an der Spree". Außerdem kann man im Buchhandel aus der Reihe der bikeline-Radtourenbücher das Heftchen "Spree Radweg, Von der Quelle nach Berlin" erwerben und danach Pläne schmieden. So haben wir das jedenfalls gemacht. In den Spreewald wollten wir ja lange schon einmal. Vielleicht klappt es nun auf diese Weise.

Die Spree entspringt in der Oberlausitz. Um dort hin zu gelangen, kann man noch eine andere Fliege mit einer Klappe schlagen: Dresden und die Sächsische Schweiz. Dresden erreicht man von Braunschweig aus ganz bequem, mit einem IC ohne umzusteigen. Dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt, so daß wir gegen 11 Uhr schon dort sind und unsere Tour bei strahlendem Sonnenschein beginnen kann. Wir werden von hier aus nach Bad Schandau fahren, wo wir uns für zwei Übernachtungen in einem Hotel angemeldet haben.

Sonnabend, 15.8. Dresden - Bad Schandau. 50 km

Natürlich sollte man sich in Dresden zunächst mal gründlich umsehen. Dazu rollt man die belebte Prager Straße entlang Richtung Elbe. Die Altstadt Dresdens existiert in dem Sinne nicht mehr, zunächst beherrschen riesige Hotelblocks die Szene, das ist eher enttäuschend. Erst in der Nähe der Elbe findet man die "Traditionsinseln", die nach den Bombennächten übrig geblieben, wieder aufgebaut sind oder gerade wieder aufgebaut werden.

Wiederaufbau am Dresdener Schloß

Man kann nun auf eigene Faust herumstöbern oder einer der vielen Reisegruppen folgen, an deren Spitze ein kundiger Stadtführer mit einem fransenbesetzten Stock den Ton angibt. Wir haben etwas Mühe, uns mit unseren bepackten Rädern durch diesen Ameisenhaufen zu bewegen.

Dresdener Zwinger
Aber ich denke, wir haben unsere Pflicht getan mit Schloß, Semperoper und Zwinger. Im Innenhof des Zwingers verschlägt es Heidi die Sprache, so etwas habe sie ja noch nie gesehen. Sie war ja auch noch nie in Dresden, ich dagegen schon (1995). Damals hatte man gerade mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche begonnen. Dieses Riesenpuzzle muß man sich natürlich auch anschauen. Mittlerweile ist ein Teil des Kirchengebäudes aufgebaut. Viel kann man davon nicht erkennen, weil sich alles unter einem würfelförmigen riesigen Baugerüst verbirgt. Wie viele km Gerüstrohre man hier wohl zusammen gebaut hat? Da die Restaurationsarbeiten des Schlosses auch noch im Gange sind, wird auch ein späterer Besuch dieser Stadt vielversprechend sein. Heidi quittiert das mit einem Seitenblick auf die Semperoper.


Elbflorenz
Wir sind bei diesem Wetter begierig aufs Radfahren und kehren dem Elbflorenz, vorbei an einem Raddampfer und einem schwimmenden Hotel den Rücken zu. Wir wählen das aus unserer Sicht rechte Elbufer aus (flußabwärts links). Vor drei Jahren bin ich auf der anderen Seite in ziemliche Schwierigkeiten gekommen. Erst passieren wir einen großen Flohmarkt, an dem ich Heidi nur mit Mühe vorbei lotsen kann. Was sollen wir auch mit einer antiken Truhe oder einer Stehlampe auf dem Gepäckträger.


Elbschlösser
Nun geht es herrlich durch die Elbauen, gegenüber liegen prächtige Villen, vielleicht sind es auch Schlösser. Wir müssen uns angesichts der Temperaturen anders kleiden. Das ist nicht ganz einfach, weil ein ständiger Strom von mehr oder weniger hektisch dahin bretternden Radfahrern den Weg bevölkert. Die Mountainbiker hört man schon von weitem am Sausen der Stollenreifen, ehe sie dann helmbewehrt und im bunten Renndress vorbei rauschen. "Full Suspension" ist angesagt - das sind Räder mit Federgabel und Rahmenschwinge - wer da was mit anfangen kann.


Das blaue Wunder

Bei Zschachwitz
Ohne Full Suspension kommen wir aber auch zum "Blauen Wunder", der Brücke zwischen Loschwitz und Blasewitz. Es handelt sich bekanntlich um eine der ältesten Brücken, die als Stahlkonstruktion errichtet wurden. Es geht weiter immer schön an der Elbe lang, bis Klein Zschachwitz. Da wird es etwas schwieriger, indem man an einer Baustelle vorbei über eine abenteuerliche Brettertrasse geführt wird. Dann ist man schon an der Fähre hinüber nach Schloß Pillnitz. Wir fahren direkt auf die Fähre, die auch sogleich ablegt. Zwei Damen, die wir gerade überholt hatten, haben das Nachsehen und wir zeigen ihnen die Nase (im Geiste).


Schloß Pillnitz
Am anderen Ufer schieben wir die Rampe hinauf, neben uns tritt einer energisch in die Pedalen. "Huch!?" erklingt es da nebst einem knirschenden Geräusch, und der energische Pedaleur steht verdutzt mit dem Rad zwischen den Beinen und schaut auf den Boden. Da ringelt sich seine Kette wie eine Schlange auf dem Kopfsteinpflaster. Ehe Heidi zu sehr das Prusten kriegt, stehen wir bereits vor dem Schloß Pillnitz, das auch gerade eingerüstet ist.

Da kann man vom Wasser aus direkt an einer steinernen Treppe anlegen. Womöglich sogar ganz unauffällig, denn dieses Schloß wurde von August dem Starken der Gräfin Cosel zum Geschenk gemacht. Sicher nicht ohne Gegenleistung. Der Innenhof des Schlosses ist bereits restauriert, eine Reisegruppe steht dort, den Kopf im Nacken.

Wir wollen direkt an der Elbe weiter fahren und geraten auf einen schmalen sandigen Weg, der bald in den Wiesen endet. Zum Glück kann man links wieder auf die Straße schieben. In Birkwitz fragen wir lieber ein Ehepaar nach dem weiteren Weg nach Pirna. "Da hinten ist ein Geheimweg, für Mutter und Kind". Das klingt etwas rätselhaft - sehen wir aus wie Mutter und Kind? Nein - sie meinten das Verkehrsschild für Fußgänger, das wir radfahrend ignorieren. Aber der Weg wird immer schmaler und das Elbufer zur rechten immer steiler. Heidi fängt immer mehr an zu schlingern und springt schließlich in Panik vom Rad, so groß ist der Sog von unten. Also doch lieber zu Fuß erreichen wir bald wieder die Straße nach Pirna, die nun nicht so schön ist. Dafür ist dort ein großer Badesee, wo es den Badenden - im Adamskostüm übrigens - besser geht, als uns schwitzenden - allerdings unfreiwilligen - "Spannern". Pirna könnte man sich natürlich auch ansehen, aber ich bin schon wieder am Rechnen, bis Bad Schandau, wo wir das Hotel vorbestellt haben, ist es noch ein ganzes Stück.


Stadt Wehlen
Aber wenig später geht schon wieder etwas schief. Ich habe hier eine alte DDR-Karte der Sächsischen Schweiz , vor Jahren erworben auf dem Flohmarkt, da kann man das genau nachlesen. Es handelt sich um den Mackethaler Grund, wo trotz des schönen Namens die Straße steil bergauf führt. Wenn man da weiter fährt, kommt man in dem Ort Zatzschke raus. Das hatten wir eigentlich nicht vor. Zum Glück kommt uns ein Radfahrer entgegen, der bestätigt, daß die richtige Abzweigung wie eine Hofeinfahrt aussehe. Und die haben wir natürlich verpaßt. Macht aber nichts, denn die Strecke wird wieder schön zwischen Häusern und Gärten. Wir finden auch eine schattige Bank, die sicher "privat" ist. Man äugt dann auch ein wenig, wie wir unsere Käsebrote verzehren. Soviel Gastfreundschaft muß sein, denke ich so vor mich hin.



Basteiblick
Wir erreichen den nächsten Ort, der so klein ist, daß er sich "Stadt Wehlen" nennt. Hier sollte man wieder die Elbseite wechseln, was durch eine Fähre ermöglicht wird. Es geht danach immer an der Bahn entlang, zum anderen Ufer hinüber hat man nun den entscheidenden Ausblick. Wir finden auch wieder eine schattige Bank - diesmal wohl öffentlich. An der Straße liegt eine Pension, da hat man sich wohl lange Gedanken über die Namensgebung gemacht. Schließlich muß es einem eingefallen sein: "Basteiblick". Und man kann sich zurücklehnen, da liegt sie, die Loreley von Sachsen, also die Bastei. Man erkennt sie erstens an dem Dach eines großen Ausfluglokals, das über die Baumwipfel ragt und zweitens an der Basteibrücke, einem Geländersteg, der zwischen den Felsnadeln luftig dahin führt. Die Besucher der Bastei krabbeln als kleine Punkte in der Gegend herum. Als wir aus unserer Andacht erwachen, stehen schon die nächsten hinter uns und warten auf den frei werdenden Platz.


Bei Königstein
Vor uns liegt hoch oben der Lilienstein, eine mächtige Felsbastion. Wir aber stehen vor der geschlossenen Schranke eines Bahnübergangs. Trotz der Mitwartenden überkommt es einen von uns, wie ich in solchen Fall lieber formuliere. Zum Glück findet sich ein nahes Gebüsch. Zeit für den anderen von uns, diskret die Karte zu studieren. Als die Schranke sich öffnet, sind wir wieder vereint - doch nein, es überkommt noch einmal. Das Gebüsch ist noch genauso nahe. Weiteres diskretes Studieren der Karte. Als wir zum zweiten Mal wieder vereint sind, schließt sich die Schranke wieder...

Damit sind wir mit dem Zeitplan ein wenig durcheinander gekommen. Im Ort Königstein zu Füßen der gleichnamigen Festung kann man wieder das Elbufer wechseln. Wir verzichten darauf, um zügig auf der Landstraße unser Ziel zu erreichen. Das ist leider wegen des Verkehrs und einer lang gezogenen Steigung nicht so angenehm. Endlich überqueren wir die Elbbrücke und finden uns bald auf dem Marktplatz von Bad Schandau wieder. Leider geht hier der ganze Verkehr sozusagen zwischen Dresden und Prag und umgekehrt hindurch, das macht gewaltigen Lärm. Eine Gruppe von Trikefahrern trägt besonders dazu bei. Ein Trike ist ein Dreirädriges Motorrad, auf dem man mit ausgestreckten Armen wie auf einem Sessel dahin knattert.

Wir erfragen den Weg zu unserem Hotel, das heißt "Parkhotel Haus Carola", ein Haus der Concorde Gruppe. Das Gebäude wirkt recht vornehm, aber Haus Carola liegt daneben und ist nicht ganz so vornehm. Das beste aber ist, daß unser Zimmer nicht zur Hauptstraße hinaus liegt, sondern mit "Elbblick" ganz ruhig gelegen ist. "Das haben wir uns auch verdient" meint Heidi im Hinblick auf die zurück gelegten 50 km bei der Hitze. Recht hat sie! Was wir morgen den lieben langen Tag in Bad Schandau machen sollen, ist dagegen noch nicht so ganz geklärt.

Nun beginnt "Radlers Abend": Bummeln und begehrliches Studieren aller aushängenden Speisekarten an den Lokalen. Wir landen bei den "Elbterrassen", was ja auch zu erwarten war. Sauerbraten mit Weißbrot - die Knödel sind aus -, Schweinekamm mit Sauerkrautpuffern, einer sächsischen Spezialität. Weil es sich hier so schön sitzt, wird die Bierrechnung etwas höher. Und als an den Nachbartischen serviert wird, ist es auch mit den Wespen nicht mehr so schlimm.

Und was es nicht alles zu sehen gibt. Gegenüber führt die Bahnstrecke entlang. Da bringt man Autos aus Tschechien, wahrscheinlich Skodas. Da bringt man Autos nach Tschechien, wahrscheinlich VWs. Auf der Elbe kreuzt die Fähre zwischen dem Bahnhof Schandau und dem Ort hin und her. Einer der "historischen" Raddampfer erscheint. Da spielt eine Jazzkapelle "Mississippi Riverboat". Vom Ufer aus einem Lokal hält man mit dem "Zillertaler Hochzeitsmarsch" dagegen. Oder "Ole, ole, Gran Canaria". Schön ist es hier in Sachsen!

Am Nebentisch babbeln zwei hessische Ehepaare über Knappschaft, Staus zwischen Alsfeld und Eisenach, Knochen- und Fleischchirurgen und damit verbundenen Zipperlein.

Sonntag, 16.8. Ein Tag in Bad Schandau

Wenn man gestern noch nicht wußte, was man heute unternehmen könnte, so darf man schon verraten: der Tag wird optimal genutzt werden.


Personenaufzug nach Ostrau

Bad Schandau und Lilienstein
Gegenüber von unserem Hotel befindet sich ein eigenartiges Bauwerk. Das ist ein Stahlgerüst mit einem spitzen Turm. Es handelt sich um einen Personenaufzug, mit dem man den oben liegenden Ortsteil Ostrau erreichen kann. Also fahren wir heute zunächst mal Aufzug, genießen die Aussicht aus 50 m Höhe und steigen dann noch eine Viertelstunde bergan. Dort oben befinden sich mehr oder weniger gepflegte Villen ganz aus Holz, einheitlich im Stil. Im Reiseführer steht: "Umgebinde- und Fachwerkhäuser". Auch eine Reha-Klinik gibt es, da hat man seine Ruhe, hier oben.


Kirnitzschtalbahn
Nach Beenden unseres Rundgangs steigen wir auf dem Lutherweg hinab nach Schandau. Durch den Kurpark erreicht man den Bahnhof der Kirnitzschtalbahn. Das ist so eine Art historischer Straßenbahn, die etwa 10 km talaufwärts führt. Da checken wir ein und kriegen gerade noch einen Sitzplatz. Auf einem Täfelchen steht: 22 Sitzplätze, 83 Stehplätze. Wie das funktionieren soll, entzieht sich unserer Vorstellung. Da geht es nun dieses liebliche Tal hinauf, steile Felsen wechseln mit Feuchtwiesen, wo die Balsamine (Sumpfknöterich) üppig blüht.. Die Endstation befindet sich am Lichtenhainer Wasserfall.

Dort gesellt man sich am besten den sogleich zügig bergan strebenden Fahrgästen zu, es geht dort zum Kuhstall, das ist ein Felsentor. 45 Minuten Weges sind angesagt, wir schaffen es in 40. Im Kuhstall drängeln sich die Menschen, genießen die Aussicht und fotografieren. Heidi hält sich vom Geländer der Felsterrasse fern, verzichtet auch auf die Begleitung zur Himmelsleiter, die mich nun besonders interessiert. Da geht es zwischen zwei Felsen auf einer Eisentreppe steil hinauf, es ist fast dunkel da drinnen. Oben erreicht man einen weiteren Aussichtspunkt. Man kann hier zwischen den Felsen auf luftigen Pfaden herumstromern, ich finde gerade so den Abstieg und komme hinter der Gastwirtschaft wieder raus.


Kuhstall

Aussichtspunkt Himmelsleiter

Himmelsleiter

Der Rückweg geht nun ganz flott, weil es bergab geht. Wir suchen noch den Wasserfall, aber der ist wohl trocken gefallen. Und schließlich gondeln wir mit der Bahn wieder hinunter. Etwas müde gehen wir zurück und legen eine Schlummerpause ein, aber dann sind die Lebensgeister wieder erwacht. Es gilt noch, eine Bootsfahrt nach Schmilka zu unternehmen, das dauert gerade eine Stunde und man kann bei einem Kaffee, umgeben von herrlicher Landschaft, in der Sonne dösen. Wir überholen zwei tschechische Lastschiffe, die haben Kiefernholz geladen. Wo das wohl her kommt, an der ganzen Elbe gibt es eigentlich keine Kiefern. Vielleicht von der Havel. Wir beobachten auch einen Güterzug, der seinerseits Holzstämme aus Tschechien nach Deutschland bringt. Import und Export nennt man so was.

Zurück in Schandau finden wir uns heute zur Abwechslung im Garten der Gaststätte Elbgarten ein (Grillteller und Riesenbratwurst). Drei Raddampfern dürfen wir zusehen, die heißen Pirna, Meissen und Gräfin Cosel (das ist die von Pillnitz mit Gegenleistung). Und wieder erklingt das passende Lied in der Nachbarschaft: "Mihischischiiippi, you are on my meiheind..." (Pussy Cat, die mit der Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen).

Was kann man noch berichten: wir diskutieren auf dem Rückweg mit einem Mann über den Preis einer Wohnung in einem Neubau, 306 Tsd. für 80 qm sind da ausgeschildert. "Im richtigen Deutschland vielleicht" formuliert der reichlich intolerant, 7 Jahre nach der Wiedervereinigung. Eine Radlergruppe lagert am Elbufer und grillt bei einem Kasten Bier, am nächsten Morgen werden wir sie in ihren Schlafsäcken ihren Rausch ausschlafend wiedersehen.

Wir schlafen auch gut nach diesem ereignisreichen Tag, einige Mücken lassen sich unter Kontrolle halten.


Kapitel 2