Usedom 5.9. - 26.9. 2005
oder: Über die Widrigkeiten der Technik...

In unserem - hier noch einmal zitierten "Dritten Leben" - sind wir als Mitglieder der nicht arbeitenden Bevölkerung nun in der glücklichen Lage, Beginn und Ende einer Reise frei zu bestimmen. Das Ziel steht seit längerer Zeit schon fest, und das sind natürlich Anke und Fischer Achim in Stubbenfelde/Kölpinsee am Teufelsberg (Was es mit diesem auf sich hat, kann man einer dortigen Schautafel entnehmen). Und wir werden mit "großem Bahnhof" anreisen, d.h. Tochter Annika, Schwiegersohn Sven und die frischgebackene (6 Mon.) Enkelin Pauline werden für eine Woche mit von der Partie sein (das wird dann nicht so ganz klappen wegen technischer Probleme - wie man sehen wird).


Otto unter dem Tisch...

...und Paul passt auf, dass er da bleibt!

Der geplante Termin ist vom 9.9. bis 19.9. angesetzt. Nun herrscht Anfang September ein solches Bilderbuchwetter, das hält man ja gar nicht aus. Ein Anruf genügt, und wir Großeltern dürfen bereits am Montag, 5.9. anreisen. Und Hund Otto ist natürlich auch mit von der Partie, er freut sich schon auf Paul, der uneingeschränkter Herrscher auf seinem Grundstück ist. Um es kurz zu machen, was die Anreise betrifft, wir fahren von 8.45 bis 14.15 die 495 km. Otto sitzt hinten im Auto, die Fahrräder schwanken auf dem Autodach. Otto hat dann auch in die Kosmetiktasche gekotzt, dem war es auf dem Abstecher zum Hafen Usedom auf Usedom dann wohl zu holperig. Ähnlich schlecht bekommt die Angelegenheit dem Auspuff, der hängt anscheinend nur noch an ein paar Rostlappen, das Fahrgeräusch ist entsprechend. Aber schließlich sind wir bis zum Ziel geklötert und Anke empfängt uns herzlich. Paul auch!

Nach Gassi gehen, Auspacken und Einrichten machen wir eine kleine Runde mit dem Fahrrad, damit man alles in den Griff bekommt. An der See herrscht ein frischer Wind, aber der Badebetrieb ist in vollem Gange. Der Strand wird "bewacht" von einem Automaten, an dem man die Kurtaxe entrichten kann (1.30 EUR p.P.). Zu so etwas wie dem "Zaun von Timmendorf" hat man sich hier glücklicherweise noch nicht entschlossen. Währen unserem Aufenthalt hat uns einmal am Strand eine Dame beehrt und uns um die fällige Gebühr erleichtert.

Abschließend findet man uns im "Imbiss am See" schräg gegenüber wieder, wo man die Nachmittagssonne genießt, einen herrlichen Blick über den Kölpinsee hat (hin und wieder fliegt eine Meute Kormorane da längs) und man es sich bei Zander, Matjes und zwei Köstritzer (Schwarzbier) gut gehen lassen kann. Das ganze liegt direkt am Ostsee-Radweg und so mancher Radtourist findet hier seine Pommes mit Majo. "Futtern wie bei Muttern" sagt einer.

Am Abend sitzen wir auf unserer Terrasse, Otto darf unter den Tischen stöbern, aber zur Sicherheit halte ich die Laufleine, die bis zu 8m ausläuft, in der Hand. Und da passiert es auch schon: Paul hat wohl mal kurz um die Ecke geschaut, wir haben das gar nicht bemerkt - aber Otto! So geht es mir wie einem Bergsteiger, der einen Kameraden sichert und plötzlich den Ruck im Seil zu parieren hat. Otto stürzt nämlich wutschnaubend um besagte Ecke - die Leine rast die 8m aus dem Gehäuse, und als der Ruck kommt, haut es mich mitsamt dem gemütlichen Gartenstuhl um. Resultat: Abschürfungen an drei Handknöcheln.


Die nächsten Tage

Wie bereits vor zwei Jahren ist die erste Pflicht am Morgen der Gang zum Kaufladen des Campingplatzes. Otto kann derweil sein Geschäft machen und wird dann an einem Zaun angeleint. Wie ich um die Ecke zum Kaufladen biege, sitzt er auf einmal dort? Aber nein, es ist ein anderer Beagle, der ihm etwas ähnlich sieht. Nun - alter Hase, der man ist: "Zwei Doppelte, zwei Korn", obwohl die natürlich nicht vorbestellt sind. "Also dann für morgen wieder", damit alles seine Ordnung hat. Achim ist inzwischen vom Fang zurück - wieder so ein 1 m Aal dabei - und kommt zu uns zum Frühstück.

Dann muss das Auto versorgt werden, in Loddin ist eine Kfz-Werkstatt, die erledigen das bis zum nächsten Tag. Kosten, man könnte einen Schnaps darauf trinken: 222,22 EUR. Endlich am Strand, wieder die alten Hasen, d.h. alle Kleidungsstücke wandern in den Rucksack und man lagert sich wie Adam und Eva im weichen schneeweißen Sand. Zum Essen gibt es ein Stück Heilbutt von der Räucherbude.

Am Mittwoch besuchen uns Peter und Gerda (Heidis Bruder und Schwägerin), die eine Woche in Ückeritz Quartier in einem Gartenhäuschen gefunden haben. Gerda ist den ganzen Weg (2,7 km) gelaufen, Peter daneben auf dem Fahrrad hat es etwas bequemer gehabt. Mit dem Handy kann man heute jedermann fernsteuern, so können wir sie an unser Strandlager lotsen und rechtzeitig die notwendigen Kleidungsstücke überstreifen. Wir zeigen ihnen unser Quartier, und als wir uns schließlich verabschieden, nutzt Otto das allgemeine Durcheinander aus und büxt ab in den Garten. Das artet auf der Stelle in eine gehörige Keilerei mit Paul aus. Die Hunde in der Nachbarschaft stimmen applaudierend in das Konzert ein. Das ganze spielt sich in Sekunden ab, bis die Kontrahenten sich jeweils auf richtungsmäßig verschiedene Rückzugsstrategien besinnen. Ernstere Schäden sind bei beiden nicht auszumachen. Erst wieder zu Hause entdecken wir an Ottos einem Schlappohr einen kleinen Schorf, der sich gleich löst und darunter den Abdruck eines winzigen spitzen Zähnchens erkennen lässt. Ein nettes Souvernir!

Donnerstag, 8.9.

Heute wird ein denkwürdiger Tag, wie wir sehen werden. Der Himmel ist bewölkt, da muss man etwas unternehmen. Angesagt ist dann immer die Radtour auf dem Ostsee-Radweg über die drei "Perlen" Heringsdorf, Bansin und Ahlbeck. Wir kommen 300 m weit. Dort ist eine Abfahrt mit 18% Steigung. "Radfahrer absteigen" ist zu lesen. Da bin ich anders gestrickt! Sowas fährt man ungebremst hinunter, alter Hase, der man ist! Schnell erreicht man eine gehörige Geschwindigkeit, aber unversehens auch ein paar Sandlöcher und eine hölzerne Querrinne. Das Fahrrad ist nicht mehr zu halten. Ich kann immerhin noch abspringen und komme nicht zu Fall. Das Fahrrad kommt aber zu Fall und rammt mir dabei die rechte Pedale mit ihren Zacken in die Wade knapp unterhalb der Kniekehle. "Ich habe mich wohl verletzt" sage ich zu Heidi, die vorsichtig angerollt kommt. Na ja, ich steige wieder auf, mit dem Taschentuch wird ein wenig getupft. Es blutet kaum, kann ja wohl nicht so schlimm sein.

Wir fahren weiter nach Bansin, dort wird in der Apotheke erst mal ein Pflaster gekauft, denn ein schöner Anblick wird die Wunde nicht sein. Über die Promenade gelangen wir nach Heringsdorf und stellen die Räder an der Seebrücke ab. Nun habe ich die Schlüssel der Fahradschlösser vergessen. So wird das Abschließen simuliert, dh. das Schloss nur scheinbar geschlossen. Wird vielleicht keiner merken. Von der Seebrücke kann man einige Ansammlungen von Kormoranen bewundern, manche breiten gerade ihre Flügel aus, um sie nach einigen Tauchgängen wieder zu trocknen.

Auf der Seebrücke gibt es auch eine Sanitätsstation. Nach einigem Zögern lasse ich mich überreden, die Blessur begutachten zu lassen. "Das muss unbedingt genäht werden, da fehlt ja ein ganzes Stück von ihnen" bekomme ich zu hören. Zum Glück ist gleich um die Ecke ein Ärztezentrum, da lässt sich das vielleicht erledigen. Doch Fehlanzeige, ein Zahnarzt wäre da, die Praxis eines Chirurgen ist dagegen wegen Krankheit geschlossen. Dann gibt es noch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt, wohl auch nicht das richtige? Immerhin wird dort noch mal nach der Wunde geguckt ("Woll'n mal kieken" heißt das hier). Die gleiche Auskunft, man müsse sich schon nach Wolgast in die Ambulanz des Krankenhauses begeben.

Das wäre nun einfacher gegangen, mit der Bahn, die alle halbe Stunde fährt. Leider kommen wir nicht auf diese Idee, sondern fahren tatsächlich mit dem Rad zurück, allerdings auf dem neuen und schönen Radweg entlang der Hauptstraße B111. Bei einer Rast entdecken wir zwei Raben auf einem abgestorbenen Baum. Ob die sich schon etwas ausrechnen? Nach insgesamt 30 km sind wir zurück und setzen uns unverzüglich ins Auto. In Wolgast (25 km) angekommen, finden wir uns nicht gleich zurecht und geraten auf das Gelände einer Schwesternschule oder sowas. Außerdem ist meine Gelbörse mit der erforderlichen Chipkarte der TK usw. leider im Quartier auf dem Fensterbrett liegen geblieben. Also nochmal zurück (25 km), die Geldbörse geholt, und wieder nach Wolgast (25 km). Nun finden wir gleich das Krankenhaus. Dort, das muss gesagt sein, treffen wir nur nette Angestellte, man wird sozusagen herzlich aufgenommen. Ohne die allseits fälligen 10 EUR Krankenkassengebühren geht es allerdings nicht. Die hatte ich im gleichen Quartal bereits beim Zahnarzt gelöhnt - das hilft einem nun überhaupt nichts. Man hat nur den Joker, wenn man wieder eine Notaufnahme aufsuchen sollte.

Es geht nun aber ganz fix: "Der Herr bitte, der sich ins Knie geschissen hat". "Geschossen" korrigiere ich. Doch ich hatte mich verhört: "Geschnitten" hatte sie gesagt! Besonders der Arzt ist ein richtiger Kumpel und versorgt die Wunde perfekt - wie sich herausstellen wird - ("Woll'n mal kieken"), d.h. reinigen, lokale Anästhesie, ausschneiden, desinfizieren, innere und äußere Naht, Pflaster drauf). Angeben ist eigentlich nicht meine Art, aber in dieser Situation muss ich doch von meiner Rumänienreise erzählen, um darzulegen, dass man auf dem Rad kein Tölpel ist (was ich nun aber doch war). "Habt ihr gehört, Herr Wittkamp(!) ist mit dem Rad nach Rumänien gefahren" tönt es durch die OP-Räume. Beruhigt und froh ist man am Schluss, wenn die Verletzung nun ordnungsgemäß behandelt worden ist.

Wir kommen noch mit einer lädierten Dame ins Gespräch, die ist am Morgen auf dem Fahrrad von einem Lastwagen über den Bordstein gedrängt worden, gestürzt und mit gebrochenem Arm und Gesichtsverletzungen per Krankenwagen eingeliefert worden. Ihr Mann war zuvor voraus gefahren und hatte von allem gar nichts gemerkt, sondern seinen Tennistermin wahrgenommen. Nun wartet sie darauf, dass sie abgeholt wird. Hier hat die Handy-Fernsteuerung anscheinend nicht so gut funktioniert. Wir fahren endlich zurück zum Teufelsberg (25 km) - und jetzt kann man ein Bier gebrauchen, Flundern und Aal dazu! Und eine Hornisse taumelt spät am Abend um die Lampen herum. Auch Fledermäuse zeigen sich zuweilen schwirrend bei anbrechender Dunkelheit (c.a. 20.00 Uhr). Eine Kreuzspinne haben wir auch zu Gesicht gekriegt, aber da war es noch hell.

Ein kurzer Besuch

Am Sonnabendmorgen - wir sitzen noch beim Frühstück - hört man schon am "Sound": sie sind da, der blaue BMW blubbert um die Ecke. Nach der Begrüßung - Pauline lächelt jedem entgegen - haben wir das nächste technische Problem: der BMW hat auf der Anreise entschieden zuviel Benzin geschluckt. Da muss erst mal viel telefoniert werden - mit dem Handy - gelbe Seiten nachgeschlagen werden usw. An der Tankstelle in Koserow lässt sich schließlich eine BMW-Werkstatt in Wolgast in Erfahrung bringen. So vergeht der Sonnabend mit Spazierengehen und Einkaufen, Strandwetter haben wir leider nicht, wie dem Wetterbericht bereits zu entnehmen war.

Am Sonntag sieht es nicht besser aus, und so fahren wir allemann nach Svinemünde: haben alle ihren Ausweis dabei. Pauline hat sogar einen Kinderausweis mit Lichtbild dabei. Letzteres wird wohl nicht so lange aktuell bleiben. Auf dem Polenmarkt erstehen wir einen Gürtel, ein paar Schuhe und zwei Stangen Zigaretten mit Banderole, was immer es damit auf sich haben mag. Anscheinend sind die polnischen Erzeugnisse "getürkt" unter den Markennamen Marlboro, Pall Mall usw. und haben dann keine Banderole und man kann mit dem Zoll Schwierigkeiten bekommen. Gleiches gilt für DVDs mit Raubkopien aktueller Filme oder Musikausgaben. Da lässt man dann lieber die Finger davon.

Inzwischen hat ein heftiger Regen eingesetzt und wir kommen nur mit Mühe zum Auto zurück. Bei dem Wetter passiert nun heute außer Mittagsschlaf und einem Strandspaziergang nicht mehr viel. Mit dem Hund muss man allerdings bei jedem Wetter raus, und wenn man dann klatschnass zurück kommt, müssen wir beide abgerubbelt werden. Für Otto ist das u.a. das Schönste auf der Welt.

Am Montag begeben sich unsere BMW-Freaks zu der Werkstatt in Wolgast. Danach wird gepackt, das Auto lässt sich nur in Braunschweig in Ordnung bringen (irgendwas mit Chip-Programmierung oder so). Andererseits darf der Bolide aber auch nicht zu lange unbenutzt rumstehen, weil sonst irgendwelche Ölrückstände verharzen. Alles nicht so einfach. Das Wetter spielt auch nicht mit - so hatten wir eben nur einen "kurzen Besuch".


Kapitel 2
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